Schmitt, Christian Ralf Walter (2025): Untersuchung von phosphororganischen Verbindungen, deren Abbauprodukten und Metaboliten mittels LC-ESI-MS/MS. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät |
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Abstract
Phosphororganische Verbindungen sind seit ihrer Erforschung in einem Pestizid-Entwicklungsprogramm in den 1930er Jahren, auf Grund ihrer toxischen Wirkung mehrfach als chemische Waffe missbraucht worden. In den letzten Jahrzehnten kam es zu zahlreichen Anschlägen und Attentaten, welche viele Menschenleben forderten. OP-Nervenkampfstoffe erzeugen ihre toxische Wirkung beim Menschen durch die Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase. Dieses ist für den Abbau von Acetylcholin im synaptischen Spalt oder der neuromuskulären Endplatte verantwortlich. Durch eine Hemmung kommt es zur Akkumulierung von ACh und somit zu einer Dauererregung der Reizweiterleitung im cholinergen System. Unbehandelt kann so eine cholinerge Krise entstehen, die nach kurzer Zeit zum Tod durch Atemlähmung führt. Die Standard-Behandlung mit Oximen und Anticholinergika wie Atropin birgt leider einige Einschränken. Oxime müssen in einem gewissen, substanzabhängigen Zeitfenster gegeben werden, bevor es zur Alterung des OP-Enzym-Komplexes kommt. Tritt diese Alterung ein ist eine Behandlung mit Oximen nicht mehr möglich. Weiterhin gibt es keine Breitbandoxime, welche für alle OP-Nervenkampfstoffe gleich effektiv wirken. Atropin wirkt nur am mAChR und nicht am nAChR, wodurch es keine Auswirkung auf die nikotinergen Effekte hat. Auf Grund dieser Limitationen wird intensiv an neuen Therapiemöglichkeiten geforscht. Bioscavenger stellen einen solchen neuen Ansatz dar. Bioscavenger sind Enzyme wie die AChE oder BChE, die dem Patienten exogen zugeführt werden. So werden dem Nervenkampfstoff zusätzliche Bindungspartner zur Verfügung gestellt und durch diese abgefangen, bevor die körpereigenen Enzyme gehemmt werden. Leider wirken diese nur stöchiometrisch, sodass hohe Dosen gegeben werden müssen. Ein neuer Ansatz sind deshalb Phosphotriesterasen, welche katalytisch wirken und Nervenkampfstoffe hydrolytisch spalten. Aus diesem Grund ist am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr ein Tierversuch mit Ratten zur Testung neuer, modifizierter PTE-Mutanten durchgeführt worden. Nach erfolgreicher Durchführung und Bestätigung der Wirksamkeit auf einen beschleunigten VX-Abbau, durch Vermessung von Vollblut-Proben, sollte nun die Wirksamkeit auch anhand von Gewebeproben gezeigt werden. Auch deshalb, da bisher nicht bekannt war, wie sich eine PTE-Behandlung auf die Konzentration von VX und dessen Verteilung im Gewebe auswirkt. Zu diesem Zweck wurden LC-ESI-MS/MS Methoden von VX und seinen Metaboliten auf die Anwendung von Gewebematrizes erfolgreich angepasst und anschließend das Gewebe (Leber, Niere, Milz, Muskel, Herz, Haut) der Tiere vermessen. Die Ergebnisse zeigten hier eine deutliche Abnahme der VX-Konzentration in allen Gewebetypen nach Behandlung mit zwei neuen, modifizierten PTE-Mutanten. Im Herz- und Lebergewebe der Tiere war kein VX mehr nachweisbar. Bei Betrachtung des toxischen VX-Metaboliten EA-2192 zeigt sich auch hier nach der Behandlung eine deutlich verringerte Konzentration in allen Gewebetypen. In den Konzentrationen von EMPA zeigten sich hingegen nur sehr geringe Konzentrationsunterschiede zwischen den Therapiegruppen. Hier sind weitere Untersuchungen von VX und seinen Metaboliten durch z.B. gleichzeitige Bestimmung von Gewebe- und Blutproben notwendig. Weiterhin sollte bei künftigen Projekten zusätzlich noch der Urin untersucht werden, da EMPA sehr hydrophil ist und nicht bekannt ist, wie viel EMPA während des Tierversuchs über den Urin ausgeschieden wurde. Weiterhin war es möglich durch die VX-Methode die zwei VX-Enantiomere getrennt zu analysieren. Durch die Auftrennung wurde deutlich, dass (-)-VX durch die Behandlung verstärkt abgebaut wurde. In der Leber, Milz und im Herz war kein (-)-VX mehr nachweisbar und im Nierengewebe nur noch sehr geringe Mengen. Ebenfalls konnte eine Depot-Bildung in der Haut gezeigt werden (VX wurde s.c. appliziert). Hier zeigte sich eine >1000 fache niedrigere VX-Konzentration nach der Behandlung mit wirksamen PTE Mutanten im Vergleich zur Kontrollgruppe. Neben der Anwendung der Methoden auf die Tierversuchsproben, wurden diese auch erfolgreich für zwei weitere Projekte verwendet. Im ersten sollte die Nutzbarkeit von OoC auf PDMS-Basis für toxikokinetische Untersuchungen von OP (VX und Parathion) untersucht werden. Nachdem sich herausstellte, dass PDMS als Chipmaterial, auf Grund von Absorptions-Effekten, hierfür nicht geeignet ist, wurden im zweiten Projekt neue Materialien erfolgreich getestet. CoC in Kombination mit PEI als Beschichtung zeigte, dass die Absorption deutlich zurückgegangen ist. Aber es zeigte sich auch, dass eine Beschichtung mit PEI auch Auswirkungen auf die Bildung der Metabolite von VX hatte. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auf Grund der erfolgreichen Anwendung der LC-ESI-MS/MS Methoden für VX und seine Metaboliten EMPA und EA-2192 in verschiedenen Forschungsprojekten ein wichtiges analytisches Werkzeug für künftige Forschungsprojekte, wie weitere Gewebeuntersuchungen oder Kinetikstudien, geschaffen wurde.
Abstract
Since in the start of a pesticide development program in the 1930s, organophosphorus compounds have been misused several times as chemical weapons due to their toxic effects. In recent decades, there have been numerous attacks and assassinations that have claimed many lives. OP nerve agents produce their toxic effect in humans by inhibiting the enzyme acetylcholinesterase. This is responsible for the breakdown of acetylcholine in the synaptic cleft or the neuromuscular end plate. Inhibition leads to the accumulation of ACh and thus to a permanent excitation of stimulus transmission in the cholinergic system. If left untreated, this can lead to a cholinergic crisis, which can result in death from respiratory paralysis after a short time. The standard treatment with oximes and anticholinergics such as atropine unfortunately has some limitations. Oximes must be given within a certain, substance-dependent, time frame before the OP enzyme complex ages. If this ageing occurs, treatment with oximes is no longer possible. Furthermore, there are no broad-spectrum oximes that are equally effective against all OP nerve agents. Atropine only acts on the mAChR and not on the nAChR, which means that it has no effect on the nicotinic effects. Due to these limitations, intensive research is being conducted into new therapeutic options. Bioscavengers represent one such new approach. Bioscavengers are enzymes such as AChE or BChE, which are administered to the patient thus providing additional binding partners to the nerve agent. Binding of nerve agents by such bioscavengers in the blood stream may prevent AChE inhibition in target tissues. Unfortunately, these only work stoichiometrically and high doses have to be administered. A new approach are therefore phosphotriesterases (PTE), which have a catalytic effect and hydrolyse nerve agents. For this reason, an animal experiment with rats was performed at the Bundeswehr Institute of Pharmacology and Toxicology to test new, modified PTE mutants. After successful implementation and confirmation of the effectiveness of accelerated VX degradation by measuring whole blood samples, the effectiveness should now also be demonstrated using tissue samples. Up to now no data on the effect PTE treatment on VX concentration in tissue is available. For this purpose, LC-ESI-MS/MS methods for VX and its metabolites were successfully adapted for use of different tissues (liver, kidney, spleen, muscle, heart, skin). The results showed a significant decrease in VX concentration in all tissue samples after treatment with two new, modified PTE mutants. VX was no longer detectable in heart and liver tissue. The toxic VX metabolite EA-2192 was also found to be significantly reduced in all tissue samples after treatment. In contrast, there were only very slight differences in the concentrations of EMPA between the treatment groups. Further investigations of VX and its metabolites are necessary, e.g. by simultaneous determination of tissue and blood samples. Furthermore, urine should also be examined in future projects, as EMPA is very hydrophilic and it is not known how much EMPA was excreted in the urine during the animal experiment. Furthermore, it was possible to analyze the two VX enantiomers separately. The analysis clearly showed that (-)-VX was hydrolysed preferentially by the treatment with modified PTE mutants. No more (-)-VX was detectable in the liver, spleen and heart and only very small amounts were found in the kidney tissue. Depot formation was also shown in the skin (VX was applied s.c.). Here, a >1000-fold lower VX concentration was found after treatment. In addition to the application of the methods to the animal test samples, they were also successfully used for two other projects. The first was to investigate the suitability of PDMS-based OoC for toxicokinetic studies of OP (VX and parathion). After it turned out that PDMS was not suitable as a chip material due to absorption effects, new materials were successfully tested in the second project. CoC in combination with PEI as a coating showed that absorption was significantly reduced. However, it was also shown that coating with PEI also had an effect on the formation of metabolites of VX. In summary, the successful application of LC-ESI-MS/MS methods for VX and its metabolites EMPA and EA-2192 in various research projects has created an important analytical tool for future projects, such as further tissue investigations or kinetics studies.
Dokumententyp: | Dissertationen (Dissertation, LMU München) |
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Themengebiete: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin und Gesundheit |
Fakultäten: | Medizinische Fakultät |
Sprache der Hochschulschrift: | Deutsch |
Datum der mündlichen Prüfung: | 20. März 2025 |
1. Berichterstatter:in: | Worek, Franz |
MD5 Prüfsumme der PDF-Datei: | 7aa973b54ff6b19fa0b5192d35ba57a7 |
Signatur der gedruckten Ausgabe: | 0700/UMD 22282 |
ID Code: | 35062 |
Eingestellt am: | 22. May 2025 13:52 |
Letzte Änderungen: | 22. May 2025 13:53 |