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ReCaP, running effects on cognition and plasticity. Auswirkungen körperlicher Extrembelastung auf neurophysiologische Plastizitätsvorgänge anhand der Elektroenzephalographie am Beispiel eines Marathonlaufs
ReCaP, running effects on cognition and plasticity. Auswirkungen körperlicher Extrembelastung auf neurophysiologische Plastizitätsvorgänge anhand der Elektroenzephalographie am Beispiel eines Marathonlaufs
Neuronale Plastizität und ihre Induktion bzw. Modulation spielt im Rahmen psychiatrischer Krankheitsbilder eine immer größere Rolle. Eine Form der Plastizitäts-Modulation stellt die sportliche Aktivität dar. Die ReCaP-Studie (Running effects on cognition and plasticity) stellt eine longitudinale Kooperationsstudie zwischen dem Klinikum der Universität München (LMU) sowie dem Klinikum rechts der Isar (TUM) dar und sollte erstmalig multimodal die Auswirkungen eines Marathonlaufs (München Marathon 2017) auf die neuronale Plastizität an gesunden Läufern untersuchen. Im Rahmen dessen wurden an 30 Marathonläufern und 30 gesunden Kontrollprobanden zu unterschiedlichen Zeitpunkten (vor dem Marathon: T-1, T0, nach dem Marathon: T2, T3) EEG-Untersuchungen durchgeführt. Das Ziel meiner Doktorarbeit war es zum einen zu untersuchen, ob Unterschiede zwischen dem Ruhe-EEG von trainierten Ausdauersportlern (Marathonläufern) und dem von nichtsportlichen Kontrollprobanden vorhanden sind. Hierfür wurden Ruhe-EEG-Daten von 30 Kontrollprobanden und 30 Marathonläufer vor dem Marathon (Baseline) miteinander verglichen und statistisch ausgewertet (Teil 1 der Studie). Zweitens wurde untersucht, ob leistungsabhängige EEG-Unterschiede innerhalb der Läufergruppe bestehen (Teil 2 der Studie). Um dies zu beantworten wurde die Gruppe der Marathonläufer in Hinblick auf drei Indikatoren des Trainingszustandes (Marathonzielzeit, maximale Sauerstoffaufnahme in der Ergometrie und Fragebogen-Erhebung mit IPAQ) in jeweils zwei median-geteilte Gruppen zusammengefasst. Die EEG-Daten der jeweiligen zwei Gruppen (zum Zeitpunkt T-1) wurden anschließend miteinander verglichen. Zusätzlich wurde untersucht, ob eine Marathonvorbereitung, der Marathon selber sowie die Erholung nach dem Marathon die kortikale Aktivität, im Sinne einer neuronalen Plastizitätsinduktion, beeinflussen (Teil 3 der Arbeit). Dazu wurden die EEG-Daten von vier Messzeitpunkten (vor dem Marathon: T-1, T0, nach dem Marathon: T2, T3) miteinander verglichen. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Marathonlauf die kortikale Aktivität beeinflusst, bzw. subakute Plastizitätsprozesse induziert, wurden die EEG-Daten vom Messzeitpunkt T2 (in der Woche nach einem Marathon) mit den EEG-Daten vor dem Marathon (Messzeitpunkt T0) verglichen. Der Vergleich zwischen dem letzten Untersuchungstermin (T3, 3 Monate nach dem Marathon) und der Baseline-Messung diente zur Verlaufsbeurteilung. In den Ruhe-EEG-Messungen konnte mittels sLORETA (Standardized low resolution brain electromagnetic tomography) kein signifikanter Unterschied zwischen dem Baseline-EEG von Marathonläufern und dem EEG von nichtsportlichen Kontrollprobanden gefunden werden. Das bedeutet, dass die sportliche Vorbereitung auf einen Marathonlauf, zu keinen im EEG darstellbaren kortikalen Aktivitätsveränderungen führt. Im Vergleich zwischen hohen und niedrigen Fitnesswerten der Marathonläufer (high/low performer), repräsentiert über die Marathonzeit, V(O2)max und IPAQ, fanden sich, ähnlich wie im Vergleich Marathon vs. Kontrolle, keine signifikanten Unterschiede in den verglichenen Frequenzbändern. Im longitudinalen Vergleich der EEG-Daten der Marathonläufer, zu vier unterschiedlichen Messzeitpunkten im Verlauf einer Marathonvorbereitung und -erholung, wurden folgende signifikante Veränderungen registriert: 1. Einige Tage nach dem Marathon (T2) ließ sich im Vergleich zur pre-Marathon-Untersuchung (T0) eine verminderte Aktivität im alpha2- und delta-Frequenzband in frontalen Kortexarealen bilateral registrieren. Hierbei war der Effekt des verminderten alpha-Frequenzbands rechts betont und betraf insbesondere das Brodmann-Areal 8. Der Effekt des verminderten delta-Frequenzbands zeigte keine Seitenasymmetrie und betraf überwiegend das Brodmann-Areal 6. Die bisherige Studienlage bezieht sich im Gegensatz zu unserem Design vornehmlich auf direkt im Anschluss an sportliche Aktivität durchgeführte EEG Ableitungen, welche häufig eine Steigerung der alpha-Aktivität erwiesen. Diese akuten Veränderungen könnten durch Neuroplastizitätsprozesse, bestehend aus subkortikalen (etwa hypothalamischen) Regulationsprozessen, hormonelle Veränderungen und komplexe Modulationsprozesse der Affektivität erklärt werden. Eine sekundäre relative Reduktion des alpha-Frequenzbands, nach akuter Steigerung, im Sinne komplexer gegenregulatorischer Maßnahmen erscheint möglich. Besondere Bedeutung kommt diesen Ergebnissen in Hinblick auf ihre Lokalisation im Frontalkortex zu, der komplexe Funktionen in der Affektregulation, Kognition, Entscheidungsfindung, Planung und Ausführung der Motorik übernimmt. Zusätzlich erhärtet unsere Studie die Theorie der Hemisphärenasymmetrie (in unserem Fall frontale alpha-Asymmetrie) und ihre Bedeutung in der komplexen Verarbeitung von Affektivität. 2. In der Erholungsphase (T3) ließ sich gegenüber der pre-Marathon-Ableitung (T0) kein signifikanter Unterschied der Frequenzbänder mehr beobachten. Somit lassen sich keine langfristig persistierenden Neuroplastizitätseffekte durch einen Marathonlauf mittels EEG erfassen. Der Zeitraum einer Marathonvorbereitung und eines Marathonlaufs scheinen komplexe modulatorische Effekte, im Sinne von Neuroplastizitätsprozessen, auf den Frontalkortex zu haben, die sich in unterschiedlichen Frequenzbändern und Kortexarealen äußern. Langfristig entwickeln sich diese Effekte zurück. Weitere Studien zur genaueren Erforschung der physiologischen Hintergründe sollten erfolgen, sodass ein besseres Verständnis von sportinduzierten Frequenzveränderungen und ihren Ursachen ermöglicht wird. Da bisherige Studien unterschiedliche (in der Intensität geringere) Sportarten und auch unterschiedliche Zeitintervalle zum Sport untersuchten, ist ein direkter Vergleich erschwert. Unsere Ergebnisse sind aber gerade deshalb relevant, da Reduktionen der alpha-Aktivität bisher nicht nach längerer Erholung zu finden war. Wie dargestellt, sind neue Methoden zur Darstellung von Plastizitätsprozessen im Hinblick auf psychiatrische Fragestellungen bei steigender Bedeutung wichtig und das EEG stellt prinzipiell ein kostengünstiges und gut verfügbares sowie nebenwirkungsfreies Mittel dar.
EEG, Marathonlauf, Neuroplastizität, Extremsport, plasticity
Moussiopoulou, Joanna
2022
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Moussiopoulou, Joanna (2022): ReCaP, running effects on cognition and plasticity: Auswirkungen körperlicher Extrembelastung auf neurophysiologische Plastizitätsvorgänge anhand der Elektroenzephalographie am Beispiel eines Marathonlaufs. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Neuronale Plastizität und ihre Induktion bzw. Modulation spielt im Rahmen psychiatrischer Krankheitsbilder eine immer größere Rolle. Eine Form der Plastizitäts-Modulation stellt die sportliche Aktivität dar. Die ReCaP-Studie (Running effects on cognition and plasticity) stellt eine longitudinale Kooperationsstudie zwischen dem Klinikum der Universität München (LMU) sowie dem Klinikum rechts der Isar (TUM) dar und sollte erstmalig multimodal die Auswirkungen eines Marathonlaufs (München Marathon 2017) auf die neuronale Plastizität an gesunden Läufern untersuchen. Im Rahmen dessen wurden an 30 Marathonläufern und 30 gesunden Kontrollprobanden zu unterschiedlichen Zeitpunkten (vor dem Marathon: T-1, T0, nach dem Marathon: T2, T3) EEG-Untersuchungen durchgeführt. Das Ziel meiner Doktorarbeit war es zum einen zu untersuchen, ob Unterschiede zwischen dem Ruhe-EEG von trainierten Ausdauersportlern (Marathonläufern) und dem von nichtsportlichen Kontrollprobanden vorhanden sind. Hierfür wurden Ruhe-EEG-Daten von 30 Kontrollprobanden und 30 Marathonläufer vor dem Marathon (Baseline) miteinander verglichen und statistisch ausgewertet (Teil 1 der Studie). Zweitens wurde untersucht, ob leistungsabhängige EEG-Unterschiede innerhalb der Läufergruppe bestehen (Teil 2 der Studie). Um dies zu beantworten wurde die Gruppe der Marathonläufer in Hinblick auf drei Indikatoren des Trainingszustandes (Marathonzielzeit, maximale Sauerstoffaufnahme in der Ergometrie und Fragebogen-Erhebung mit IPAQ) in jeweils zwei median-geteilte Gruppen zusammengefasst. Die EEG-Daten der jeweiligen zwei Gruppen (zum Zeitpunkt T-1) wurden anschließend miteinander verglichen. Zusätzlich wurde untersucht, ob eine Marathonvorbereitung, der Marathon selber sowie die Erholung nach dem Marathon die kortikale Aktivität, im Sinne einer neuronalen Plastizitätsinduktion, beeinflussen (Teil 3 der Arbeit). Dazu wurden die EEG-Daten von vier Messzeitpunkten (vor dem Marathon: T-1, T0, nach dem Marathon: T2, T3) miteinander verglichen. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Marathonlauf die kortikale Aktivität beeinflusst, bzw. subakute Plastizitätsprozesse induziert, wurden die EEG-Daten vom Messzeitpunkt T2 (in der Woche nach einem Marathon) mit den EEG-Daten vor dem Marathon (Messzeitpunkt T0) verglichen. Der Vergleich zwischen dem letzten Untersuchungstermin (T3, 3 Monate nach dem Marathon) und der Baseline-Messung diente zur Verlaufsbeurteilung. In den Ruhe-EEG-Messungen konnte mittels sLORETA (Standardized low resolution brain electromagnetic tomography) kein signifikanter Unterschied zwischen dem Baseline-EEG von Marathonläufern und dem EEG von nichtsportlichen Kontrollprobanden gefunden werden. Das bedeutet, dass die sportliche Vorbereitung auf einen Marathonlauf, zu keinen im EEG darstellbaren kortikalen Aktivitätsveränderungen führt. Im Vergleich zwischen hohen und niedrigen Fitnesswerten der Marathonläufer (high/low performer), repräsentiert über die Marathonzeit, V(O2)max und IPAQ, fanden sich, ähnlich wie im Vergleich Marathon vs. Kontrolle, keine signifikanten Unterschiede in den verglichenen Frequenzbändern. Im longitudinalen Vergleich der EEG-Daten der Marathonläufer, zu vier unterschiedlichen Messzeitpunkten im Verlauf einer Marathonvorbereitung und -erholung, wurden folgende signifikante Veränderungen registriert: 1. Einige Tage nach dem Marathon (T2) ließ sich im Vergleich zur pre-Marathon-Untersuchung (T0) eine verminderte Aktivität im alpha2- und delta-Frequenzband in frontalen Kortexarealen bilateral registrieren. Hierbei war der Effekt des verminderten alpha-Frequenzbands rechts betont und betraf insbesondere das Brodmann-Areal 8. Der Effekt des verminderten delta-Frequenzbands zeigte keine Seitenasymmetrie und betraf überwiegend das Brodmann-Areal 6. Die bisherige Studienlage bezieht sich im Gegensatz zu unserem Design vornehmlich auf direkt im Anschluss an sportliche Aktivität durchgeführte EEG Ableitungen, welche häufig eine Steigerung der alpha-Aktivität erwiesen. Diese akuten Veränderungen könnten durch Neuroplastizitätsprozesse, bestehend aus subkortikalen (etwa hypothalamischen) Regulationsprozessen, hormonelle Veränderungen und komplexe Modulationsprozesse der Affektivität erklärt werden. Eine sekundäre relative Reduktion des alpha-Frequenzbands, nach akuter Steigerung, im Sinne komplexer gegenregulatorischer Maßnahmen erscheint möglich. Besondere Bedeutung kommt diesen Ergebnissen in Hinblick auf ihre Lokalisation im Frontalkortex zu, der komplexe Funktionen in der Affektregulation, Kognition, Entscheidungsfindung, Planung und Ausführung der Motorik übernimmt. Zusätzlich erhärtet unsere Studie die Theorie der Hemisphärenasymmetrie (in unserem Fall frontale alpha-Asymmetrie) und ihre Bedeutung in der komplexen Verarbeitung von Affektivität. 2. In der Erholungsphase (T3) ließ sich gegenüber der pre-Marathon-Ableitung (T0) kein signifikanter Unterschied der Frequenzbänder mehr beobachten. Somit lassen sich keine langfristig persistierenden Neuroplastizitätseffekte durch einen Marathonlauf mittels EEG erfassen. Der Zeitraum einer Marathonvorbereitung und eines Marathonlaufs scheinen komplexe modulatorische Effekte, im Sinne von Neuroplastizitätsprozessen, auf den Frontalkortex zu haben, die sich in unterschiedlichen Frequenzbändern und Kortexarealen äußern. Langfristig entwickeln sich diese Effekte zurück. Weitere Studien zur genaueren Erforschung der physiologischen Hintergründe sollten erfolgen, sodass ein besseres Verständnis von sportinduzierten Frequenzveränderungen und ihren Ursachen ermöglicht wird. Da bisherige Studien unterschiedliche (in der Intensität geringere) Sportarten und auch unterschiedliche Zeitintervalle zum Sport untersuchten, ist ein direkter Vergleich erschwert. Unsere Ergebnisse sind aber gerade deshalb relevant, da Reduktionen der alpha-Aktivität bisher nicht nach längerer Erholung zu finden war. Wie dargestellt, sind neue Methoden zur Darstellung von Plastizitätsprozessen im Hinblick auf psychiatrische Fragestellungen bei steigender Bedeutung wichtig und das EEG stellt prinzipiell ein kostengünstiges und gut verfügbares sowie nebenwirkungsfreies Mittel dar.