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Notfallcricothyroidotomie mit Haushaltsmitteln. Fakt oder Fiktion? Eine experimentelle Post-mortem-Studie
Notfallcricothyroidotomie mit Haushaltsmitteln. Fakt oder Fiktion? Eine experimentelle Post-mortem-Studie
Einleitung: In der paramedizinischen Welt existiert die weit verbreitete Meinung, dass eine Eröffnung der Luftröhre und anschließende Beatmung selbst mit gewöhnlichen Haushaltsmitteln, wie einem Kugelschreiber oder einem Taschenmesser und Strohhalm möglich sei. Diese Gerüchte rühren nicht von ungefähr, dieses Wissen ist Bestandteil von Survival-Büchern, Zeitschriften und Spielfilmen. Eine wissenschaftliche Untersuchung, ob es einem medizinischen Laien alleine unter Zuhilfenahme eines Kugelschreibers bzw. eines Kugelschreibers und eines Taschenmessers gelingen würde, einen Zugang zu den oberen Atemwegen herzustellen wurde bis dato noch nie durchgeführt worden, weswegen die vorliegende Studie dieser Fragestellung gewidmet ist. Material und Methoden: Es wurden zur Versuchsdurchführung drei handelsübliche Kugelschreiber eingesetzt, die sich bezüglich ihrer Verarbeitung und Hülsenmaße voneinander unterschieden. Um die mit den Kugelschreibern erzielbaren Luftflussraten zu verifizieren, wurden die Kugelschreiberhülsen einer spirometrischen Messung im Bodyplethysmographen unterzogen. Ein Kugelschreibermodell konnte bereits vorher von den Messungen ausgeschlossen werden, da der für einen effektiven Gasaustausch geforderte minimale Innendurchmesser von 3 mm an der Hülsenspitze unterschritten wurde. Mit den beiden anderen Modellen ließen sich jedoch Flussraten von ≥10 l/min erzielen, sodass sie bei den nachfolgenden Versuchen zum Einsatz kamen. Im Anschluss daran versuchten zehn medizinischen Laien an zehn Leichen so schnell als möglich einen Zugang zu den oberen Atemwegen herzustellen, initial nur unter Zuhilfenahme des Kugelschreibers bzw. falls dies nicht alleine damit möglich sei, unter zusätzlicher Verwendung eines von drei zur Auswahl stehenden Taschenmessern. Der erfolgreich hergestellte Zugang zu den oberen Atemwegen wurde an der Hebung des Brustkorbes bei Beatmung über die Kugelschreiberhülse verifiziert. Ergebnisse: Acht von zehn Probanden (80%) konnten einen erfolgreichen Zugang zu den oberen Atemwegen herstellen, wobei in fünf Fällen eine Cricothyroidotomie durchgeführt wurde, in drei Fällen war unbeabsichtigterweise eine Tracheotomie angelegt worden. In nur einem Fall schaffte es ein Proband, die oberen Atemwege nur unter Zuhilfenahme des Kugelschreibers zu eröffnen. Am häufigsten ließen sich in der Präparation Verletzungen an muskulären und knorpeligen Strukturen feststellen, eine Verletzung größerer Gefäßstrukturen lag in keinem der zehn Fälle vor. Zusammenfassung: Schlussendlich konnte festgestellt werden, dass die Anlage einer Koniotomie alleine unter Zuhilfenahme eines handelsüblichen Kugelschreibers für Laien praktisch unmöglich ist, da das Lig. cricothyroideum einen zu hohen Widerstand bietet. Hingegen ist die Inzision von Haut und Ligament mit einem scharfen Werkzeug, wie den hier verwendeten Taschenmessern, auch von Laien einfach und relativ sicher durchzuführen. Anschließend eignen sich, in Abhängigkeit des Hülsendurchmessers, zumindest einige handelsübliche Kugelschreiber als Kanüle zum Offenhalten der angelegten Koniotomie, sowie zur Beatmung über die Kugelschreiberhülse.
Cricothyroidotomie, Atemwege, HNO, Taschenmesser, Kugelschreiber, prähospitale Versorgung, Notfall, post-mortem-Studie
Huber, Astrid
2016
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Huber, Astrid (2016): Notfallcricothyroidotomie mit Haushaltsmitteln: Fakt oder Fiktion? Eine experimentelle Post-mortem-Studie. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Einleitung: In der paramedizinischen Welt existiert die weit verbreitete Meinung, dass eine Eröffnung der Luftröhre und anschließende Beatmung selbst mit gewöhnlichen Haushaltsmitteln, wie einem Kugelschreiber oder einem Taschenmesser und Strohhalm möglich sei. Diese Gerüchte rühren nicht von ungefähr, dieses Wissen ist Bestandteil von Survival-Büchern, Zeitschriften und Spielfilmen. Eine wissenschaftliche Untersuchung, ob es einem medizinischen Laien alleine unter Zuhilfenahme eines Kugelschreibers bzw. eines Kugelschreibers und eines Taschenmessers gelingen würde, einen Zugang zu den oberen Atemwegen herzustellen wurde bis dato noch nie durchgeführt worden, weswegen die vorliegende Studie dieser Fragestellung gewidmet ist. Material und Methoden: Es wurden zur Versuchsdurchführung drei handelsübliche Kugelschreiber eingesetzt, die sich bezüglich ihrer Verarbeitung und Hülsenmaße voneinander unterschieden. Um die mit den Kugelschreibern erzielbaren Luftflussraten zu verifizieren, wurden die Kugelschreiberhülsen einer spirometrischen Messung im Bodyplethysmographen unterzogen. Ein Kugelschreibermodell konnte bereits vorher von den Messungen ausgeschlossen werden, da der für einen effektiven Gasaustausch geforderte minimale Innendurchmesser von 3 mm an der Hülsenspitze unterschritten wurde. Mit den beiden anderen Modellen ließen sich jedoch Flussraten von ≥10 l/min erzielen, sodass sie bei den nachfolgenden Versuchen zum Einsatz kamen. Im Anschluss daran versuchten zehn medizinischen Laien an zehn Leichen so schnell als möglich einen Zugang zu den oberen Atemwegen herzustellen, initial nur unter Zuhilfenahme des Kugelschreibers bzw. falls dies nicht alleine damit möglich sei, unter zusätzlicher Verwendung eines von drei zur Auswahl stehenden Taschenmessern. Der erfolgreich hergestellte Zugang zu den oberen Atemwegen wurde an der Hebung des Brustkorbes bei Beatmung über die Kugelschreiberhülse verifiziert. Ergebnisse: Acht von zehn Probanden (80%) konnten einen erfolgreichen Zugang zu den oberen Atemwegen herstellen, wobei in fünf Fällen eine Cricothyroidotomie durchgeführt wurde, in drei Fällen war unbeabsichtigterweise eine Tracheotomie angelegt worden. In nur einem Fall schaffte es ein Proband, die oberen Atemwege nur unter Zuhilfenahme des Kugelschreibers zu eröffnen. Am häufigsten ließen sich in der Präparation Verletzungen an muskulären und knorpeligen Strukturen feststellen, eine Verletzung größerer Gefäßstrukturen lag in keinem der zehn Fälle vor. Zusammenfassung: Schlussendlich konnte festgestellt werden, dass die Anlage einer Koniotomie alleine unter Zuhilfenahme eines handelsüblichen Kugelschreibers für Laien praktisch unmöglich ist, da das Lig. cricothyroideum einen zu hohen Widerstand bietet. Hingegen ist die Inzision von Haut und Ligament mit einem scharfen Werkzeug, wie den hier verwendeten Taschenmessern, auch von Laien einfach und relativ sicher durchzuführen. Anschließend eignen sich, in Abhängigkeit des Hülsendurchmessers, zumindest einige handelsübliche Kugelschreiber als Kanüle zum Offenhalten der angelegten Koniotomie, sowie zur Beatmung über die Kugelschreiberhülse.