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Ganganalytische Studie zur Entlastungs-Coxa-valga (antetorta) orthetisch und prothetisch versorgter Kinder
Ganganalytische Studie zur Entlastungs-Coxa-valga (antetorta) orthetisch und prothetisch versorgter Kinder
Ziel: In der vorliegenden Arbeit sollte in einem ersten Schritt überprüft werden, wie sich bei Kindern, die aufgrund einer nicht behebbaren, einseitigen Beindeformität distal des Kniegelenkes dauerhaft orthetisch oder prothetisch versorgt werden müssen, die primär gesunde Hüfte des betroffenen Beines sekundär verformt. In einem zweiten Schritt sollte mittels Ganganalyse evaluiert werden, welcher Pathomechanismus der diagnostizierten Formstörung zu Grunde liegt. Methodik: Das Patientengut bestand aus zwölf primär hüftgesunden, jedoch einseitig distal des Knies erkrankten, orthesenpflichtigen Kindern und Jugendlichen, deren klinische und radiologische Krankheitsverläufe retrospektiv ausgewertet wurden. Bei zehn der betroffenen Kinder konnte eine verwertbare instrumentelle kinetische und kinematische Ganganalyse mittels des Zebris-Systems durchgeführt werden. Ergebnisse: 1. Grunderkrankungen: Crus varum congenitum oder Tibiapseudarthrosen 5, Fehlbildungsklumpfuß 1, kongenitaler tibialer Längsdefekt 2, kongenitaler fibulärer Längsdefekt 3, Unterschenkeldeformität nach Ewingsarkom 1. 2. Klinische Ergebnisse: Im intraindividuellen Seitvergleich ist die Seite des von der Deformität betroffenen Beines wie folgt verändert: Die Hüftinnenrotation ist durchschnittlich 12,5º signifikant vermehrt (p <0,05), die Hüftaußenrotation um 20-22,5º verkleinert. 3. Radiologische Ergebnisse: Koxales Femurende: Der projizierte CCD-Winkel ist altersabhängig und im Durchschnitt 14,71º signifikant steiler. Die Distanz zwischen Kopfkalotte und Trochanter minor (LTA) ist 1,58 cm signifikant vergrößert. Der Kopfepiphysen-Femurschaft-Winkel (KF) als Beweis der horizontalen Stellung der Kopfepiphysenfuge ist durchschnittlich um 13,52º vergrößert (p <0,05). Hüftpfanne: Der Sharp-Ullmann-Winkel ist 5,01º signifikant vergrößert und der Acetabulumwinkel (AC) ist 3,52º vergrößert (p <0,05). 3. Ganganalytische Ergebnisse: Kinetik: Die Schrittlänge ist um durchschnittlich 7 cm signifikant verlängert (p <0,05). Die Standphase als Maß der Kräfteauswirkungszeit ist um 6,35 % signifikant verkürzt (p <0,05). Die Kräfte, die auf den Boden übertragen wurden, sind um 177,7 N signifikant vermindert (p <0,05). Kinematik: Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Hüften bezüglich der Beckenabsenkung (um 0,08º verkleinert; p >0.05). Die Hüftabduktion der entlasteten Hüfte als Hinweis eines konstanten Duchenne-Hinkens ist durchschnittlich um 16,81º vermehrt. Schlussfolgerung: Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die einseitig orthetisch/prothetisch versorgten Kinder eine Formstörung der Hüfte aufwiesen, die in der älteren Literatur als Entlastungs-Coxa-valga bzw. Entlastungsdysplasie bezeichnet wird. Erstmals konnten die pathogenetischen Faktoren identifiziert werden, die diese Formstörung hervorrufen. Die Patienten weisen ein Duchenne-Hinken auf und belasten das betroffene Bein weniger stark und mit kürzerer Zeitspanne. Die Untersuchung bestätigt in eindrucksvoller Weise die allgemeinen Wachstumsgesetze des muskulo-skelettalen Organs, die unter dem Merksatz „form follows function“ zusammengefasst werden können. Als praktische Konsequenz für den Klinikalltag ergibt sich die Forderung, die Hüfte orthesenpflichtiger Kinder in größeren Abständen klinisch und bildgebend zu screenen und die Orthesen- bzw. Prothesenaufbau so zu gestalten, dass ein Duchenne-Hinken vermieden wird., Title: Gait analysis study of Unloading-Coxa-Valga (antetorta) in orthoses/prostheses-dependent children Background: During loading cycles, the joints’ geometry is continually modelled. Orthotics/prosthetics-dependent children develop ipsilateral in-toeing gait and Duchenne’s limping due to unilateral severe lower leg or foot deformities. These clinical phenomena are accompanied with an ipsilateral coxa-valga antetorta and hip dysplasia. A practical question is whether these hips are in danger to decompensate. An additional theoretical question is, how the external shape and internal architecture changes, if a primarily healthy hip is underused. Methods: 10 children with healthy hips, who are unilaterally long-term orthotics/prosthetics-dependent, agreed to undergo an instrumental gait analysis. The results were analyzed and correlated with clinical findings, a common activity score and planimetric radiographic data. Results: The intra-individual comparison revealed the following significant changes in the hip of the deformed leg (p <0.05). Clinically, the internal rotation was increased (12.5°), while the external rotation was diminished (20-22.5°). Radiologically, the projected CCD angle, the lesser trochanter to articular surface distance (LTA) and the head-shaft angle (CF) were increased by 14.71°, 1.58 cm and 13.52°, respectively. Both Sharp- and acetabular (AC) angles were increased by 5.01° and 3.52°, respectively. Kinetic gait analysis showed increased stride length (7 cm), shortened stance phase (6.35 %) and reduced forces transmitted to the ground (177.7 N). The kinematic analysis showed increased hip abduction (16.81°) while the pelvic obliquity was not significantly changed (0.08°). Conclusions: Duchenne’s limping and lack of weight-bearing stress are the decisive pathogenic factors of the underuse-coxa-valga and acetabular dysplasia. These changes follow the mechanobiological concept “function modifies design”, that means function influences external shape and internal architecture of bones and joints. As a practical consequence we recommend to perform one pelvic radiograph as a precaution at the end of puberty of the diseased children. Level of evidence: Level II retrospective study
Entlastungs-coxa-valga, Entlastungsdysplasie, Ganganalyse
Sallam, Asser
2015
German
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Sallam, Asser (2015): Ganganalytische Studie zur Entlastungs-Coxa-valga (antetorta) orthetisch und prothetisch versorgter Kinder. Dissertation, LMU München: Faculty of Medicine
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Abstract

Ziel: In der vorliegenden Arbeit sollte in einem ersten Schritt überprüft werden, wie sich bei Kindern, die aufgrund einer nicht behebbaren, einseitigen Beindeformität distal des Kniegelenkes dauerhaft orthetisch oder prothetisch versorgt werden müssen, die primär gesunde Hüfte des betroffenen Beines sekundär verformt. In einem zweiten Schritt sollte mittels Ganganalyse evaluiert werden, welcher Pathomechanismus der diagnostizierten Formstörung zu Grunde liegt. Methodik: Das Patientengut bestand aus zwölf primär hüftgesunden, jedoch einseitig distal des Knies erkrankten, orthesenpflichtigen Kindern und Jugendlichen, deren klinische und radiologische Krankheitsverläufe retrospektiv ausgewertet wurden. Bei zehn der betroffenen Kinder konnte eine verwertbare instrumentelle kinetische und kinematische Ganganalyse mittels des Zebris-Systems durchgeführt werden. Ergebnisse: 1. Grunderkrankungen: Crus varum congenitum oder Tibiapseudarthrosen 5, Fehlbildungsklumpfuß 1, kongenitaler tibialer Längsdefekt 2, kongenitaler fibulärer Längsdefekt 3, Unterschenkeldeformität nach Ewingsarkom 1. 2. Klinische Ergebnisse: Im intraindividuellen Seitvergleich ist die Seite des von der Deformität betroffenen Beines wie folgt verändert: Die Hüftinnenrotation ist durchschnittlich 12,5º signifikant vermehrt (p <0,05), die Hüftaußenrotation um 20-22,5º verkleinert. 3. Radiologische Ergebnisse: Koxales Femurende: Der projizierte CCD-Winkel ist altersabhängig und im Durchschnitt 14,71º signifikant steiler. Die Distanz zwischen Kopfkalotte und Trochanter minor (LTA) ist 1,58 cm signifikant vergrößert. Der Kopfepiphysen-Femurschaft-Winkel (KF) als Beweis der horizontalen Stellung der Kopfepiphysenfuge ist durchschnittlich um 13,52º vergrößert (p <0,05). Hüftpfanne: Der Sharp-Ullmann-Winkel ist 5,01º signifikant vergrößert und der Acetabulumwinkel (AC) ist 3,52º vergrößert (p <0,05). 3. Ganganalytische Ergebnisse: Kinetik: Die Schrittlänge ist um durchschnittlich 7 cm signifikant verlängert (p <0,05). Die Standphase als Maß der Kräfteauswirkungszeit ist um 6,35 % signifikant verkürzt (p <0,05). Die Kräfte, die auf den Boden übertragen wurden, sind um 177,7 N signifikant vermindert (p <0,05). Kinematik: Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Hüften bezüglich der Beckenabsenkung (um 0,08º verkleinert; p >0.05). Die Hüftabduktion der entlasteten Hüfte als Hinweis eines konstanten Duchenne-Hinkens ist durchschnittlich um 16,81º vermehrt. Schlussfolgerung: Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die einseitig orthetisch/prothetisch versorgten Kinder eine Formstörung der Hüfte aufwiesen, die in der älteren Literatur als Entlastungs-Coxa-valga bzw. Entlastungsdysplasie bezeichnet wird. Erstmals konnten die pathogenetischen Faktoren identifiziert werden, die diese Formstörung hervorrufen. Die Patienten weisen ein Duchenne-Hinken auf und belasten das betroffene Bein weniger stark und mit kürzerer Zeitspanne. Die Untersuchung bestätigt in eindrucksvoller Weise die allgemeinen Wachstumsgesetze des muskulo-skelettalen Organs, die unter dem Merksatz „form follows function“ zusammengefasst werden können. Als praktische Konsequenz für den Klinikalltag ergibt sich die Forderung, die Hüfte orthesenpflichtiger Kinder in größeren Abständen klinisch und bildgebend zu screenen und die Orthesen- bzw. Prothesenaufbau so zu gestalten, dass ein Duchenne-Hinken vermieden wird.

Abstract

Title: Gait analysis study of Unloading-Coxa-Valga (antetorta) in orthoses/prostheses-dependent children Background: During loading cycles, the joints’ geometry is continually modelled. Orthotics/prosthetics-dependent children develop ipsilateral in-toeing gait and Duchenne’s limping due to unilateral severe lower leg or foot deformities. These clinical phenomena are accompanied with an ipsilateral coxa-valga antetorta and hip dysplasia. A practical question is whether these hips are in danger to decompensate. An additional theoretical question is, how the external shape and internal architecture changes, if a primarily healthy hip is underused. Methods: 10 children with healthy hips, who are unilaterally long-term orthotics/prosthetics-dependent, agreed to undergo an instrumental gait analysis. The results were analyzed and correlated with clinical findings, a common activity score and planimetric radiographic data. Results: The intra-individual comparison revealed the following significant changes in the hip of the deformed leg (p <0.05). Clinically, the internal rotation was increased (12.5°), while the external rotation was diminished (20-22.5°). Radiologically, the projected CCD angle, the lesser trochanter to articular surface distance (LTA) and the head-shaft angle (CF) were increased by 14.71°, 1.58 cm and 13.52°, respectively. Both Sharp- and acetabular (AC) angles were increased by 5.01° and 3.52°, respectively. Kinetic gait analysis showed increased stride length (7 cm), shortened stance phase (6.35 %) and reduced forces transmitted to the ground (177.7 N). The kinematic analysis showed increased hip abduction (16.81°) while the pelvic obliquity was not significantly changed (0.08°). Conclusions: Duchenne’s limping and lack of weight-bearing stress are the decisive pathogenic factors of the underuse-coxa-valga and acetabular dysplasia. These changes follow the mechanobiological concept “function modifies design”, that means function influences external shape and internal architecture of bones and joints. As a practical consequence we recommend to perform one pelvic radiograph as a precaution at the end of puberty of the diseased children. Level of evidence: Level II retrospective study