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Verbesserung der Diagnose und Therapie verschiedener Erkrankungen mit dem Leitsymptom Schwindel
Verbesserung der Diagnose und Therapie verschiedener Erkrankungen mit dem Leitsymptom Schwindel
Schwindel ist mit einer Lebenszeitprävalenz zwischen 10 und 30 % in Metaanalysen häufig auftretend. Dabei ist Schwindel per se an sich keine Krankheit, sondern ein transdiagnostisches Symptom, das durch verschiedene Erkrankungen unterschiedlicher Ätiologien hervorgerufen werden kann. In dieser kumulativen Habilitation erfolgte eine breite und umfassende Untersuchung verschiedener peripherer und zentraler Krankheiten mit diesem Leitsymptom. Dazu wurden klinische und apparative Untersuchungsverfahren eingesetzt und auch seltene Erkrankungen berücksichtigt. In Kapitel 2 „Einsatz verschiedener klinischer und apparativer Untersuchungen des vestibulären Systems bei neurologischen Erkrankungen“ wurden unter anderem bei Progressiver supranukleärer Blickparese (PSP), Normaldruckhydrocephalus (NPH) und Chiari-Malformation diverse apparative vestibuläre und okulomotorische Testverfahren eingesetzt. Dadurch konnte zum Beispiel demonstriert werden, dass eine operative Therapie der Chiari-Malformation, die die Resektion einer zerebellären Tonsille zum Erreichen einer besseren Dekompression inkludiert, zwar zu neuen Okulomotorikstörungen führt, diese jedoch die Beschwerden der Patienten nicht relevant negativ beeinflussen. Bei Patienten mit Normaldruckhydrozephalus konnte eine nach Liquor-Ablass teils sogar reversible, eingeschränkte Otolithenfunktion als (Mit-)Ursache der Gangunsicherheit gefunden werden. Im Bezug auf die vestibuläre Funktion konnten wir hingegen bei der PSP keine Hinweise auf eine Einschränkung der Funktion des horizontalen Bogenganges oder – im Gegensatz zu einer früheren Studie – der Otolithenfunktion zeigen. Die Kapitel 3 bis 5 befassen sich mit der Evaluation von Therapiemöglichkeiten vestibulärer Erkrankungen. Es werden neue Optionen für den benignen peripheren paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPPV) beschrieben – eine der häufigsten Schwindelerkrankungen mit einer Lebenszeitprävalenz um 2-3%. Auf der Basis eines biophysikalischen Modells wurde ein modifiziertes Lagerungsmanöver, das Semont-Plus-Manöver, zur Therapie des posterioren Kanal BPPVs entwickelt. In zwei prospektiven multizentrischen Studien konnte aufgezeigt werden, dass dieses neue Manöver dem regulären Semont- und dem Epley Manöver in Bezug auf die Zeit bis zur Beschwerdefreiheit überlegen ist. Dies führte zum Eingang des Semont-Plus-Manövers in die S2k-Leitlinie „Vestibuläre Funktionsstörungen“. Des Weiteren wurden verschiedene medikamentöse Therapieverfahren untersucht. In Kapitel 4 wird auf ein Problem der durchaus wirksamen Therapie der Vestibularisparoxysmie eingegangen. Die bislang übliche Medikation mit den Natriumkanalblockern Carbamazepin und Oxcarbazepin ist häufig so nebenwirkungsreich, dass sie von Patienten, trotz Besserung der Schwindelepisoden, wieder abgesetzt wird. Zur Therapie von Patienten mit Epilepsie etablierte sich in den letzten Jahren deshalb zunehmend der Natriumkanalblocker Lacosamid. Es konnte in einer prospektiven beobachtenden Fallserie gezeigt werden, dass Lacosamid eine besser verträgliche und wirksame Alternative zur Therapie mit Carbamazepin oder Oxcarbazepin bei Vestibularisparoxysmie ist. Kapitel 5 befasst sich mit Therapieoptionen des M. Menière. Betahistin ist ein schwacher Histamin H1 Rezeptor Agonist und stärkerer H3 Antagonist, welcher seit über 50 Jahren bei unterschiedlichen, oft vestibulären Erkrankungen wie Morbus Menière eingesetzt wird. Die Wirksamkeit ist jedoch umstritten. Ein Problem hierbei könnte die hohe Metabolisierungsrate nach oraler Aufnahme durch Monoaminooxydasen gastrointestinal und hepatisch sein. In einer Phase I Studie an 15 gesunden Probanden konnte erstmals gezeigt werden, dass die Bioverfügbarkeit von Betahistin ohne relevante Sicherheitsbedenken durch die Kombination mit dem Monoaminooxidase-B-Hemmer Selegilin um das 80-100-fache gesteigert werden kann. Damit werden Plasmakonzentrationen erreicht, die pharmakologisch in Bezug auf die Bindungsrate an den präsynaptischen H3-Autoheterorezeptoren wirksam sind. Inwiefern sich dies auf die Behandlung von M. Menière, der akuten Vestibulopathie oder des BPPV auswirkt, sollte durch weitere Studien überprüft werden.
Schwindel, Schwindelerkrankungen, vestibuläre Erkrankungen, BPPV
Goldschagg, Nicolina
2025
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Goldschagg, Nicolina (2025): Verbesserung der Diagnose und Therapie verschiedener Erkrankungen mit dem Leitsymptom Schwindel. Habilitationsschrift, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Schwindel ist mit einer Lebenszeitprävalenz zwischen 10 und 30 % in Metaanalysen häufig auftretend. Dabei ist Schwindel per se an sich keine Krankheit, sondern ein transdiagnostisches Symptom, das durch verschiedene Erkrankungen unterschiedlicher Ätiologien hervorgerufen werden kann. In dieser kumulativen Habilitation erfolgte eine breite und umfassende Untersuchung verschiedener peripherer und zentraler Krankheiten mit diesem Leitsymptom. Dazu wurden klinische und apparative Untersuchungsverfahren eingesetzt und auch seltene Erkrankungen berücksichtigt. In Kapitel 2 „Einsatz verschiedener klinischer und apparativer Untersuchungen des vestibulären Systems bei neurologischen Erkrankungen“ wurden unter anderem bei Progressiver supranukleärer Blickparese (PSP), Normaldruckhydrocephalus (NPH) und Chiari-Malformation diverse apparative vestibuläre und okulomotorische Testverfahren eingesetzt. Dadurch konnte zum Beispiel demonstriert werden, dass eine operative Therapie der Chiari-Malformation, die die Resektion einer zerebellären Tonsille zum Erreichen einer besseren Dekompression inkludiert, zwar zu neuen Okulomotorikstörungen führt, diese jedoch die Beschwerden der Patienten nicht relevant negativ beeinflussen. Bei Patienten mit Normaldruckhydrozephalus konnte eine nach Liquor-Ablass teils sogar reversible, eingeschränkte Otolithenfunktion als (Mit-)Ursache der Gangunsicherheit gefunden werden. Im Bezug auf die vestibuläre Funktion konnten wir hingegen bei der PSP keine Hinweise auf eine Einschränkung der Funktion des horizontalen Bogenganges oder – im Gegensatz zu einer früheren Studie – der Otolithenfunktion zeigen. Die Kapitel 3 bis 5 befassen sich mit der Evaluation von Therapiemöglichkeiten vestibulärer Erkrankungen. Es werden neue Optionen für den benignen peripheren paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPPV) beschrieben – eine der häufigsten Schwindelerkrankungen mit einer Lebenszeitprävalenz um 2-3%. Auf der Basis eines biophysikalischen Modells wurde ein modifiziertes Lagerungsmanöver, das Semont-Plus-Manöver, zur Therapie des posterioren Kanal BPPVs entwickelt. In zwei prospektiven multizentrischen Studien konnte aufgezeigt werden, dass dieses neue Manöver dem regulären Semont- und dem Epley Manöver in Bezug auf die Zeit bis zur Beschwerdefreiheit überlegen ist. Dies führte zum Eingang des Semont-Plus-Manövers in die S2k-Leitlinie „Vestibuläre Funktionsstörungen“. Des Weiteren wurden verschiedene medikamentöse Therapieverfahren untersucht. In Kapitel 4 wird auf ein Problem der durchaus wirksamen Therapie der Vestibularisparoxysmie eingegangen. Die bislang übliche Medikation mit den Natriumkanalblockern Carbamazepin und Oxcarbazepin ist häufig so nebenwirkungsreich, dass sie von Patienten, trotz Besserung der Schwindelepisoden, wieder abgesetzt wird. Zur Therapie von Patienten mit Epilepsie etablierte sich in den letzten Jahren deshalb zunehmend der Natriumkanalblocker Lacosamid. Es konnte in einer prospektiven beobachtenden Fallserie gezeigt werden, dass Lacosamid eine besser verträgliche und wirksame Alternative zur Therapie mit Carbamazepin oder Oxcarbazepin bei Vestibularisparoxysmie ist. Kapitel 5 befasst sich mit Therapieoptionen des M. Menière. Betahistin ist ein schwacher Histamin H1 Rezeptor Agonist und stärkerer H3 Antagonist, welcher seit über 50 Jahren bei unterschiedlichen, oft vestibulären Erkrankungen wie Morbus Menière eingesetzt wird. Die Wirksamkeit ist jedoch umstritten. Ein Problem hierbei könnte die hohe Metabolisierungsrate nach oraler Aufnahme durch Monoaminooxydasen gastrointestinal und hepatisch sein. In einer Phase I Studie an 15 gesunden Probanden konnte erstmals gezeigt werden, dass die Bioverfügbarkeit von Betahistin ohne relevante Sicherheitsbedenken durch die Kombination mit dem Monoaminooxidase-B-Hemmer Selegilin um das 80-100-fache gesteigert werden kann. Damit werden Plasmakonzentrationen erreicht, die pharmakologisch in Bezug auf die Bindungsrate an den präsynaptischen H3-Autoheterorezeptoren wirksam sind. Inwiefern sich dies auf die Behandlung von M. Menière, der akuten Vestibulopathie oder des BPPV auswirkt, sollte durch weitere Studien überprüft werden.