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Prävalenz von Liquorpathologien im Rahmen der klinischen Routinediagnostik bei Menschen mit Erstmanifestation einer Schizophrenie-Spektrum-Störung und deren Zusammenhang mit kognitiver Performanz. Ergebnisse einer retrospektiven Kohortenstudie
Prävalenz von Liquorpathologien im Rahmen der klinischen Routinediagnostik bei Menschen mit Erstmanifestation einer Schizophrenie-Spektrum-Störung und deren Zusammenhang mit kognitiver Performanz. Ergebnisse einer retrospektiven Kohortenstudie
Hintergrund: Unser Ziel war es, die Prävalenz von Liquorpathologien bei Menschen mit Erstmanifestation einer Schizophrenie-Spektrum-Störung zu ermitteln und zu untersuchen, ob Blut-Liquor-Schrankenstörungen in dieser Kohorte einen signifikanten Einfluss auf neurokognitive Fähigkeiten ausüben. Methoden: Es wurde eine umfassende Datenbank für die retrospektive Aktenanalyse stationär behandelter Patienten/Patientinnen konzipiert und erstellt, die zwischen Januar 2008 und August 2018 in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München, Deutschland, mit einer F2x-Störung behandelt wurden (N = 2785). Wir analysierten anonymisierte klinische Routinedaten und führten nacheinander zwei monozentrische Kohortenstudien bei Menschen mit Erstmanifestation einer Psychose durch, die im Beobachtungszeitraum eine Lumbalpunktion (Studie 1: N = 314) beziehungsweise eine Lumbalpunktion und zusätzlich eine neurokognitive Testung (Studie 2: N = 121) erhalten hatten. Die erste Kohorte wurde hinsichtlich der Häufigkeit von Liquorpathologien unter Berücksichtigung sowohl serologischer als auch bildgebender Befunde untersucht. Die zweite Kohorte wurde bezüglich möglicher Auswirkungen von Blut-Liquor-Schrankenstörungen auf besonders beeinträchtigte kognitive Funktionsbereiche bei F2x-Störungen (Arbeitsgedächtnis, Arbeitsgeschwindigkeit und Aufmerksamkeit) mithilfe verfügbarer neurokognitiver Testverfahren („RBANS“, „TAP 2.1“, „WIE“) untersucht. Für die Auswertungen wurden unterschiedliche statistische Analysen verwendet. Ergebnisse: Obwohl das Durchschnittsalter unserer Kohorte mit 35,1 Jahren über dem typischen Ersterkrankungsalter lag, konnten wir bedeutende Aussagen zur Prävalenz von Liquorveränderungen treffen. Anders als erwartet fanden wird jedoch keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den untersuchten Liquorparametern, die auf eine Blut-Liquor-Schrankenstörung hinweisen, und den ausgewählten neurokognitiven Variablen. In Studie 1 wurden pathologische Liquorveränderungen bei 42,7% und periphere CRP-Veränderungen bei 41,4% der Kohorte nachgewiesen, eine signifikante Assoziation zwischen beiden Parametern wurde nicht festgestellt. Auffällig war die erhöhte Prävalenz oligoklonaler Banden vom Typ 2 und 3 (12,4%) im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Besonders bei Personen mit Cannanbiskonsum war das Auftreten mehr als doppelt so hoch (27,8%) im Vergleich zu Menschen ohne Substanzmissbrauch (13,1%) bzw. zur Gesamtstichprobe (12,4%). Es zeigte sich kein signifikanter Hinweis auf eine Störung der Blut-Liquor-Schranke bei Cannabiskonsum, sodass keine Aussage bezüglich der Kausalität der Liquorpathologien getroffen werden kann. Bei Menschen mit Substanzkonsum traten Liquorveränderungen generell signifikant häufiger auf (52,4%) als bei Personen ohne Substanzmissbrauch (39,6%). Studie 2 bestätigte geschlechtsspezifische Unterschiede von Blut-Liquor-Schrankenstörungen aus früheren Studien. 15,7% der Fälle zeigten abnorme Albumin-Quotienten, wovon Männer mit höherer Wahrscheinlichkeit betroffen waren als Frauen und im Vergleich auch signifikant höhere IgG-Quotienten aufwiesen. Schlussfolgerungen: Obwohl die Ergebnisse explorativ sind, leisten die Studien einen Beitrag zur Diskussion pathophysiologischer Zusammenhänge. Durch die große Fallzahl ermöglichen sie Aussagen zur Prävalenz von Liquorveränderungen bei Menschen mit einer Erstmanifestation aus dem Schizophrenie-Spektrum und stützen die Annahme, dass möglicherweise eine Untergruppe von Personen mit einer inflammatorischen Ätiologie existiert. Auch wenn der vermutete Zusammenhang zwischen Blut-Liquor-Schrankenstörungen und neurokognitiven Fähigkeiten derzeit nicht bestätigt wurde, deutet die hohe Prävalenz von Blut-Liquor-Schrankenstörungen auf die Relevanz der Ergebnisse sowie die Notwendigkeit eines weiteren Forschungsbedarfs hin. Zukünftige Studien sollten standardisierte Verfahren sowie longitudinale Bewertungen kognitiver Funktionen und des Krankheitsverlaufs einbeziehen, mit dem Ziel, Risikostratifizierung, Prävention, Therapieoptimierung und positive sozioökonomische Auswirkungen zu fördern., Background: Our aim was to determine the prevalence of cerebrospinal fluid pathologies in individuals with a first episode of a schizophrenia spectrum disorder and to investigate whether blood-brain barrier dysfunctions in this cohort have a significant impact on neurocognitive abilities. Methods: A comprehensive database was designed and created for the retrospective chart review of inpatients who were treated for an F2x disorder between January 2008 and August 2018 at the Department of Psychiatry and Psychotherapy of the University Hospital of the Ludwig Maximilian University of Munich, Germany (N = 2785). We analyzed anonymized clinical routine data and subsequently conducted two monocentric cohort studies on individuals with first-episode psychosis (FEP) who had undergone a lumbar puncture (study 1: N = 314) or a lumbar puncture along with an additional neurocognitive assessment (study 2: N = 121) during the observation period. The first cohort was examined for the frequency of cerebrospinal fluid pathologies, taking into account serological and imaging findings. The second cohort was examined regarding the potential effects of blood-brain barrier dysfunctions on particularly impaired cognitive domains in F2x disorders (working memory, processing speed, and attention) using available neurocognitive test procedures ("RBANS," "TAP 2.1," "WIE"). Various statistical analyses were applied for the evaluations. Results: Although the average age of our cohort was 35.1 years, which is higher than the typical age of first illness onset, we were able to make significant statements regarding the prevalence of cerebrospinal fluid alterations. However, contrary to expectations, we did not find a significant association between the examined CSF parameters, indicative of blood-brain barrier dysfunction, and the selected neurocognitive variables. In study 1, pathological CSF alterations were detected in 42.7% and peripheral CRP changes in 41.4% of the cohort (N = 314), with no significant association between these parameters. Notably, the prevalence of oligoclonal bands of type 2 and 3 (12.4%) was increased compared to the general population. The occurrence was particularly elevated in individuals with cannabis use, being more than twice as high (27.8%) compared to those without substance abuse (13.1%) and the overall sample (12.4%). There was no significant indication of blood-brain barrier dysfunction in cannabis users, so no conclusions can be drawn regarding the causality of the CSF pathologies. In individuals with substance use, CSF abnormalities occured significantly more frequently (52.4%) compared to those without substance abuse (39,6%). Study 2 confirmed previously reported gender-specific differences in blood-brain barrier dysfunctions, with 15.7% of cases showing abnormal albumin quotients. Men were more likely to be affected than women and also exhibited significantly higher IgG quotients. Conclusions: Although the results are exploratory, the studies contribute to the discussion of pathophysiological relationships. Due to the large sample size, they allow conclusions about the prevalence of CSF alterations in individuals with first-episode schizophrenia spectrum disorder and support the assumption that there may be a subgroup of individuals with an inflammatory etiology. Even though the suspected association between blood-brain barrier dysfunctions and neurocognitive abilities was not confirmed at this time, the high prevalence of blood-brain barrier dysfunctions indicates the relevance of the findings as well as the need for further research. Future studies should incorporate standardized methods and longitudinal assessments of cognitive functions and disease progression, with the aim of promoting risk stratification, prevention, therapy optimization, and positive socioeconomic impacts.
Erstmanifestation, Schizophrenie-Spektrum, Liquordiagnostik, Kognition, Blut-Liquor-Schrankenstörung
Strauß, Johanna Maria
2025
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Strauß, Johanna Maria (2025): Prävalenz von Liquorpathologien im Rahmen der klinischen Routinediagnostik bei Menschen mit Erstmanifestation einer Schizophrenie-Spektrum-Störung und deren Zusammenhang mit kognitiver Performanz: Ergebnisse einer retrospektiven Kohortenstudie. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Hintergrund: Unser Ziel war es, die Prävalenz von Liquorpathologien bei Menschen mit Erstmanifestation einer Schizophrenie-Spektrum-Störung zu ermitteln und zu untersuchen, ob Blut-Liquor-Schrankenstörungen in dieser Kohorte einen signifikanten Einfluss auf neurokognitive Fähigkeiten ausüben. Methoden: Es wurde eine umfassende Datenbank für die retrospektive Aktenanalyse stationär behandelter Patienten/Patientinnen konzipiert und erstellt, die zwischen Januar 2008 und August 2018 in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München, Deutschland, mit einer F2x-Störung behandelt wurden (N = 2785). Wir analysierten anonymisierte klinische Routinedaten und führten nacheinander zwei monozentrische Kohortenstudien bei Menschen mit Erstmanifestation einer Psychose durch, die im Beobachtungszeitraum eine Lumbalpunktion (Studie 1: N = 314) beziehungsweise eine Lumbalpunktion und zusätzlich eine neurokognitive Testung (Studie 2: N = 121) erhalten hatten. Die erste Kohorte wurde hinsichtlich der Häufigkeit von Liquorpathologien unter Berücksichtigung sowohl serologischer als auch bildgebender Befunde untersucht. Die zweite Kohorte wurde bezüglich möglicher Auswirkungen von Blut-Liquor-Schrankenstörungen auf besonders beeinträchtigte kognitive Funktionsbereiche bei F2x-Störungen (Arbeitsgedächtnis, Arbeitsgeschwindigkeit und Aufmerksamkeit) mithilfe verfügbarer neurokognitiver Testverfahren („RBANS“, „TAP 2.1“, „WIE“) untersucht. Für die Auswertungen wurden unterschiedliche statistische Analysen verwendet. Ergebnisse: Obwohl das Durchschnittsalter unserer Kohorte mit 35,1 Jahren über dem typischen Ersterkrankungsalter lag, konnten wir bedeutende Aussagen zur Prävalenz von Liquorveränderungen treffen. Anders als erwartet fanden wird jedoch keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den untersuchten Liquorparametern, die auf eine Blut-Liquor-Schrankenstörung hinweisen, und den ausgewählten neurokognitiven Variablen. In Studie 1 wurden pathologische Liquorveränderungen bei 42,7% und periphere CRP-Veränderungen bei 41,4% der Kohorte nachgewiesen, eine signifikante Assoziation zwischen beiden Parametern wurde nicht festgestellt. Auffällig war die erhöhte Prävalenz oligoklonaler Banden vom Typ 2 und 3 (12,4%) im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Besonders bei Personen mit Cannanbiskonsum war das Auftreten mehr als doppelt so hoch (27,8%) im Vergleich zu Menschen ohne Substanzmissbrauch (13,1%) bzw. zur Gesamtstichprobe (12,4%). Es zeigte sich kein signifikanter Hinweis auf eine Störung der Blut-Liquor-Schranke bei Cannabiskonsum, sodass keine Aussage bezüglich der Kausalität der Liquorpathologien getroffen werden kann. Bei Menschen mit Substanzkonsum traten Liquorveränderungen generell signifikant häufiger auf (52,4%) als bei Personen ohne Substanzmissbrauch (39,6%). Studie 2 bestätigte geschlechtsspezifische Unterschiede von Blut-Liquor-Schrankenstörungen aus früheren Studien. 15,7% der Fälle zeigten abnorme Albumin-Quotienten, wovon Männer mit höherer Wahrscheinlichkeit betroffen waren als Frauen und im Vergleich auch signifikant höhere IgG-Quotienten aufwiesen. Schlussfolgerungen: Obwohl die Ergebnisse explorativ sind, leisten die Studien einen Beitrag zur Diskussion pathophysiologischer Zusammenhänge. Durch die große Fallzahl ermöglichen sie Aussagen zur Prävalenz von Liquorveränderungen bei Menschen mit einer Erstmanifestation aus dem Schizophrenie-Spektrum und stützen die Annahme, dass möglicherweise eine Untergruppe von Personen mit einer inflammatorischen Ätiologie existiert. Auch wenn der vermutete Zusammenhang zwischen Blut-Liquor-Schrankenstörungen und neurokognitiven Fähigkeiten derzeit nicht bestätigt wurde, deutet die hohe Prävalenz von Blut-Liquor-Schrankenstörungen auf die Relevanz der Ergebnisse sowie die Notwendigkeit eines weiteren Forschungsbedarfs hin. Zukünftige Studien sollten standardisierte Verfahren sowie longitudinale Bewertungen kognitiver Funktionen und des Krankheitsverlaufs einbeziehen, mit dem Ziel, Risikostratifizierung, Prävention, Therapieoptimierung und positive sozioökonomische Auswirkungen zu fördern.

Abstract

Background: Our aim was to determine the prevalence of cerebrospinal fluid pathologies in individuals with a first episode of a schizophrenia spectrum disorder and to investigate whether blood-brain barrier dysfunctions in this cohort have a significant impact on neurocognitive abilities. Methods: A comprehensive database was designed and created for the retrospective chart review of inpatients who were treated for an F2x disorder between January 2008 and August 2018 at the Department of Psychiatry and Psychotherapy of the University Hospital of the Ludwig Maximilian University of Munich, Germany (N = 2785). We analyzed anonymized clinical routine data and subsequently conducted two monocentric cohort studies on individuals with first-episode psychosis (FEP) who had undergone a lumbar puncture (study 1: N = 314) or a lumbar puncture along with an additional neurocognitive assessment (study 2: N = 121) during the observation period. The first cohort was examined for the frequency of cerebrospinal fluid pathologies, taking into account serological and imaging findings. The second cohort was examined regarding the potential effects of blood-brain barrier dysfunctions on particularly impaired cognitive domains in F2x disorders (working memory, processing speed, and attention) using available neurocognitive test procedures ("RBANS," "TAP 2.1," "WIE"). Various statistical analyses were applied for the evaluations. Results: Although the average age of our cohort was 35.1 years, which is higher than the typical age of first illness onset, we were able to make significant statements regarding the prevalence of cerebrospinal fluid alterations. However, contrary to expectations, we did not find a significant association between the examined CSF parameters, indicative of blood-brain barrier dysfunction, and the selected neurocognitive variables. In study 1, pathological CSF alterations were detected in 42.7% and peripheral CRP changes in 41.4% of the cohort (N = 314), with no significant association between these parameters. Notably, the prevalence of oligoclonal bands of type 2 and 3 (12.4%) was increased compared to the general population. The occurrence was particularly elevated in individuals with cannabis use, being more than twice as high (27.8%) compared to those without substance abuse (13.1%) and the overall sample (12.4%). There was no significant indication of blood-brain barrier dysfunction in cannabis users, so no conclusions can be drawn regarding the causality of the CSF pathologies. In individuals with substance use, CSF abnormalities occured significantly more frequently (52.4%) compared to those without substance abuse (39,6%). Study 2 confirmed previously reported gender-specific differences in blood-brain barrier dysfunctions, with 15.7% of cases showing abnormal albumin quotients. Men were more likely to be affected than women and also exhibited significantly higher IgG quotients. Conclusions: Although the results are exploratory, the studies contribute to the discussion of pathophysiological relationships. Due to the large sample size, they allow conclusions about the prevalence of CSF alterations in individuals with first-episode schizophrenia spectrum disorder and support the assumption that there may be a subgroup of individuals with an inflammatory etiology. Even though the suspected association between blood-brain barrier dysfunctions and neurocognitive abilities was not confirmed at this time, the high prevalence of blood-brain barrier dysfunctions indicates the relevance of the findings as well as the need for further research. Future studies should incorporate standardized methods and longitudinal assessments of cognitive functions and disease progression, with the aim of promoting risk stratification, prevention, therapy optimization, and positive socioeconomic impacts.