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Erfassung des Carnitin-Transporter-Defekts im bayerischen Neugeborenenscreening. Erfahrung aus 19 Jahren
Erfassung des Carnitin-Transporter-Defekts im bayerischen Neugeborenenscreening. Erfahrung aus 19 Jahren
Die angeborene Stoffwechselerkrankung Carnitin-Transporter-Defekt (CTD) ist potenziell lebensbedrohlich, in einem symptomfreien Stadium diagnostizierbar und effektiv therapierbar. Sie wurde daher in vielen Neugeborenenscreening (NGS)-Programmen weltweit untersucht. Die Erkrankung manifestiert sich klinisch in Abhängigkeit des Alters als metabolische Dekompensation mit Koma, Myopathien der Herz- und Skelett-Muskulatur sowie kardialen Arrhythmien. Als Screening-Parameter im NGS dient die Konzentration des freien Carnitins (C0). Diese Arbeit analysierte die Ergebnisse des wissenschaftlichen Begleitprogramms des bayerischen NGS auf CTD sowie der langfristigen klinischen Betreuung der am Zentrum für angeborene Stoffwechselerkrankungen des Dr. von Haunerschen Kinderspitals behandelten Patienten aus dem Zeitraum Januar 1999 bis Juni 2018. Unter 1.816.000 bayerischen NGS-Proben wurden sechs Neugeborene mit CTD diagnostiziert (Inzidenz 1:303.000). In dem Zeitraum Januar 2008 bis Juni 2018 lag der positiv prädiktive Wert (PPW) eines auffälligen NGS zwischen 1,63 und 2,17 %. Im Stoffwechselzentrum des Dr. von Haunerschen Kinderspitals wurden 24 Neugeborene zur Konfirmationsdiagnostik vorgestellt und parallel eine Diagnostik bei den Müttern initiiert. Ein CTD lag bei vier Neugeborenen und sieben Müttern vor, bei einem Neugeborenen und vier Müttern konnte der Verdacht auf CTD molekulargenetisch nicht verifiziert werden. Bei einer Mutter wurde eine Glutarazidurie Typ I festgestellt. Bei den verbleibenden elf Neugeborenen und ihren Müttern ergab sich kein Anhalt für eine angeborene Stoffwechselerkrankung. Eine signifikante negative Korrelation zwischen der C0-Konzentration der Neugeborenen im NGS und dem Abstand zur Geburt (r = -0,502 (p = 0,015)) legte nahe, das externe Faktoren, insbesondere der maternale Stoffwechsel, den Screening-Parameter beeinflussten. In summiert 104,5 Patientenjahren hatten die Neugeborenen und Mütter mit CTD weder zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch während des Beobachtungszeitraums unter Carnitin-Supplementierung schwerwiegende klinische Manifestationen. Der niedrige PPW führte zu einer hohen Anzahl falsch positiver Befunde und damit zu einer hohen Belastung der gesunden Bevölkerung. Gleichzeitig schließt die Diskrepanz zwischen der niedrigen beobachteten Inzidenz und einer molekulargenetisch errechneten höheren Inzidenz falsch negative Ergebnisse nicht aus. Die pathologische Relevanz der Diagnose eines CTD ist für viele der über das NGS gefundenen Individuen, insbesondere für die asymptomatischen Mütter, ungeklärt. Die Ergebnisse sind im Einklang mit anderen Studien, die gegen ein NGS auf CTD sprechen, das auf einer Bestimmung der C0-Konzentration in den ersten Lebenstagen beruht., The inborn metabolic disease carnitine transporter deficiency (CTD) is potentially life-threatening, can be diagnosed at a symptom free stage and can be treated effectively. It has therefore been investigated in many newborn screening (NGS) programs worldwide. Depending on age, the disease manifests clinically as metabolic decompensation with coma, myopathies of the heart and skeletal muscles and cardiac arrhythmias. The concentration of free carnitine (C0) serves as the screening parameter in the NGS, but is strongly influenced by maternal metabolism. This study analyzed the results of the scientific program of the Bavarian NGS for CTD as well as the long-term clinical outcome of patients treated at the center for inborn metabolic diseases of the Dr. von Hauner Children’s Hospital from January 1999 to June 2018. Six newborns were diagnosed with CTD among 1.816.000 Bavarian NGS samples (incidence 1:303,000). In the period of January 2008 untill June 2018, the positive predictive value (PPW) of an abnormal NGS for CTD ranged from 1.63 to 2.17 %. At the metabolic centre of the Dr. von Hauner Children’s Hospital, 24 newborns were presented for confirmation diagnostics and parallel diagnostics were initiated on the mothers. A CTD was present in four newborns and seven mothers, in one newborn and four mothers the suspicion of CTD could not be verified genetically. One mother was diagnosed with glutaric aciduria type I. In the remaining eleven newborns and their mothers, there was no evidence of a congenital metabolic disorder. A significant negative correlation (r = -0,502 (p = 0,015)) between the newborn’s C0-concentration and the distance to birth suggested that external factors, particularly maternal metabolism, influenced the values. In a total of 104.5 patient-years, the newborns and mothers with CTD had no severe clinical manifestations either at the time of diagnosis or during the observation period under carnitine supplementation. The low PPW led to a high number of false positive findings and, thus, to a high burden on the healthy population. At the same time, the discrepancy between the low observed incidence and a calculated, higher incidence using molecular genetics does not rule out false negative results. The pathological relevance of the diagnosis of CTD is uncertain for many of the individuals found by NGS, especially for the asymptomatic mothers. The results are consistent with other studies that argue against NGS on CTD, which is based on determining the C0 concentration in the first days of life.
Carntin-Transporter-Defekt, CTD, Neugeborenenscreening, NGS
Gelfert-Schmitt, Joachim
2025
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Gelfert-Schmitt, Joachim (2025): Erfassung des Carnitin-Transporter-Defekts im bayerischen Neugeborenenscreening: Erfahrung aus 19 Jahren. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Die angeborene Stoffwechselerkrankung Carnitin-Transporter-Defekt (CTD) ist potenziell lebensbedrohlich, in einem symptomfreien Stadium diagnostizierbar und effektiv therapierbar. Sie wurde daher in vielen Neugeborenenscreening (NGS)-Programmen weltweit untersucht. Die Erkrankung manifestiert sich klinisch in Abhängigkeit des Alters als metabolische Dekompensation mit Koma, Myopathien der Herz- und Skelett-Muskulatur sowie kardialen Arrhythmien. Als Screening-Parameter im NGS dient die Konzentration des freien Carnitins (C0). Diese Arbeit analysierte die Ergebnisse des wissenschaftlichen Begleitprogramms des bayerischen NGS auf CTD sowie der langfristigen klinischen Betreuung der am Zentrum für angeborene Stoffwechselerkrankungen des Dr. von Haunerschen Kinderspitals behandelten Patienten aus dem Zeitraum Januar 1999 bis Juni 2018. Unter 1.816.000 bayerischen NGS-Proben wurden sechs Neugeborene mit CTD diagnostiziert (Inzidenz 1:303.000). In dem Zeitraum Januar 2008 bis Juni 2018 lag der positiv prädiktive Wert (PPW) eines auffälligen NGS zwischen 1,63 und 2,17 %. Im Stoffwechselzentrum des Dr. von Haunerschen Kinderspitals wurden 24 Neugeborene zur Konfirmationsdiagnostik vorgestellt und parallel eine Diagnostik bei den Müttern initiiert. Ein CTD lag bei vier Neugeborenen und sieben Müttern vor, bei einem Neugeborenen und vier Müttern konnte der Verdacht auf CTD molekulargenetisch nicht verifiziert werden. Bei einer Mutter wurde eine Glutarazidurie Typ I festgestellt. Bei den verbleibenden elf Neugeborenen und ihren Müttern ergab sich kein Anhalt für eine angeborene Stoffwechselerkrankung. Eine signifikante negative Korrelation zwischen der C0-Konzentration der Neugeborenen im NGS und dem Abstand zur Geburt (r = -0,502 (p = 0,015)) legte nahe, das externe Faktoren, insbesondere der maternale Stoffwechsel, den Screening-Parameter beeinflussten. In summiert 104,5 Patientenjahren hatten die Neugeborenen und Mütter mit CTD weder zum Zeitpunkt der Diagnosestellung noch während des Beobachtungszeitraums unter Carnitin-Supplementierung schwerwiegende klinische Manifestationen. Der niedrige PPW führte zu einer hohen Anzahl falsch positiver Befunde und damit zu einer hohen Belastung der gesunden Bevölkerung. Gleichzeitig schließt die Diskrepanz zwischen der niedrigen beobachteten Inzidenz und einer molekulargenetisch errechneten höheren Inzidenz falsch negative Ergebnisse nicht aus. Die pathologische Relevanz der Diagnose eines CTD ist für viele der über das NGS gefundenen Individuen, insbesondere für die asymptomatischen Mütter, ungeklärt. Die Ergebnisse sind im Einklang mit anderen Studien, die gegen ein NGS auf CTD sprechen, das auf einer Bestimmung der C0-Konzentration in den ersten Lebenstagen beruht.

Abstract

The inborn metabolic disease carnitine transporter deficiency (CTD) is potentially life-threatening, can be diagnosed at a symptom free stage and can be treated effectively. It has therefore been investigated in many newborn screening (NGS) programs worldwide. Depending on age, the disease manifests clinically as metabolic decompensation with coma, myopathies of the heart and skeletal muscles and cardiac arrhythmias. The concentration of free carnitine (C0) serves as the screening parameter in the NGS, but is strongly influenced by maternal metabolism. This study analyzed the results of the scientific program of the Bavarian NGS for CTD as well as the long-term clinical outcome of patients treated at the center for inborn metabolic diseases of the Dr. von Hauner Children’s Hospital from January 1999 to June 2018. Six newborns were diagnosed with CTD among 1.816.000 Bavarian NGS samples (incidence 1:303,000). In the period of January 2008 untill June 2018, the positive predictive value (PPW) of an abnormal NGS for CTD ranged from 1.63 to 2.17 %. At the metabolic centre of the Dr. von Hauner Children’s Hospital, 24 newborns were presented for confirmation diagnostics and parallel diagnostics were initiated on the mothers. A CTD was present in four newborns and seven mothers, in one newborn and four mothers the suspicion of CTD could not be verified genetically. One mother was diagnosed with glutaric aciduria type I. In the remaining eleven newborns and their mothers, there was no evidence of a congenital metabolic disorder. A significant negative correlation (r = -0,502 (p = 0,015)) between the newborn’s C0-concentration and the distance to birth suggested that external factors, particularly maternal metabolism, influenced the values. In a total of 104.5 patient-years, the newborns and mothers with CTD had no severe clinical manifestations either at the time of diagnosis or during the observation period under carnitine supplementation. The low PPW led to a high number of false positive findings and, thus, to a high burden on the healthy population. At the same time, the discrepancy between the low observed incidence and a calculated, higher incidence using molecular genetics does not rule out false negative results. The pathological relevance of the diagnosis of CTD is uncertain for many of the individuals found by NGS, especially for the asymptomatic mothers. The results are consistent with other studies that argue against NGS on CTD, which is based on determining the C0 concentration in the first days of life.