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Der Einfluss genetischer Polymorphismen auf die Neuritis vestibularis
Der Einfluss genetischer Polymorphismen auf die Neuritis vestibularis
Die Neuritis vestibularis (VN) ist die dritthäufigste Ursache peripheren Schwindels im deutschen Raum. Der genaue Pathomechanismus dieser Erkrankung ist bis dato unbekannt, wobei eine Infektion oder Reaktivierung mit dem Herpes simplex Virus Typ-1 (HSV-1) als wahrscheinlichste Ätiologie gilt. Die klinische Ausprägung beruht auf einem akuten, einseitigen Ausfall der Vestibularfunktion, welche folgende, tage-anhaltende Symptome hervorruft: horizontal-torsioneller Spontannystagmus zur gesunden Seite mit Drehschwindelsymptomatik, Oszillopsien, Fallneigung zur geschädigten Seite und Übelkeit bis hin zu Erbrechen. Eine häufige Komorbidität der VN ist ein Diabetes mellitus Typ II. Gemeinsames Ziel beider Studien war es relevante Genloci zu identifizieren, um Rückschlüsse auf den Pathomechanismus und die Ätiologie ableiten zu können, und um die Hypothese der HSV-1-Reaktivierung als vermutete Ursache zu evaluieren. Es wurden eine GWAS (131 Patient*innen, 2609 Kontrollen, Studie 1) und eine Kandidaten-SNP-Studie (151 Patient*innen, 1775 Kontrollen, Studie 2) mit überlappenden Teilnehmer*innen durchgeführt. In beiden Studien konnte eine Assoziation mit VN für Varianten in 4 Genen identifiziert bzw. bestätigt werden, für die ein Zusammenhang mit der viralen Immunantwort diskutiert wird. Für rs12979860 im Interferon Lambda 3/4- Genlocus (IFNL3/4) war bereits eine Korrelation mit der Schwere der Ausprägung von Herpes labialis mit der Anzahl der T-Allele nachgewiesen worden. Träger*innen dieses Risikoallels zeigten in weiteren Studien ein vermindertes Ansprechen in der Hepatitis C-Virus (HCV)-Therapie und eine erhöhte HCV-Persistenz. In der vorliegenden Kandidaten-SNP-Studie (Studie 2) konnte das T-Allel auch als Risikoallel für das Auftreten einer VN bestätigt werden und unterstützte damit die Hypothese einer Reaktivierung von HSV-1 als Genese der VN. Durch eine GWAS (Studie 1) konnten 3 weitere immunmodulatorische Gene erstmals mit der Entstehung einer VN in Verbindung gebracht werden. Varianten in den Genregionen von NR3C2 (nuclear receptor subfamily 3 group C member 2), welches als spezifischer viraler Hostfaktor für die Replikation von HSV-1 identifiziert worden war, MED30 (mediator complex 30) und ANKRD30A (ankyrin repeat domain 30A), die in früheren Studien als Hostfaktoren für die Replikation des humanen Immundefizienzvirus (HIV)-1 beschrieben worden waren, zeigten einen genomweit signifikanten Zusammenhang zur VN. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass eine VN durch eine virale Infektion ausgelöst werden könnte und dass HSV-1 diesbezüglich ein plausibles Pathogen darstellt. Weiterhin konnten durch die GWAS Varianten in den Genloci LMX1A (LIM homeobox transcription factor 1 alpha) und SLC30A8 (solute carrier family 30 member 8) identifiziert werden, welche mit einer diabetischen Stoffwechsellage in Verbindung stehen und möglicherweise zu dem gehäuften Auftreten von Diabetes mellitus Typ II bei VN-Patient*innen beitragen. Zusammenfassend zeigen beide Studien Risikovarianten für virale Host-Interaktionen in der Patient*innengruppe, was auf eine virale Infektion als Ursache einer VN und eine genetische Suszeptibilität für deren Auftreten schließen lässt. Für Varianten der Gene INFL3/4 und NR3C2 wurde bereits ein Zusammenhang zur klinischen Ausprägung von Herpes labialis beschrieben, weshalb HSV-1 als wahrscheinlichster Erreger dieser Infektion angenommen werden kann. Da die Stichprobengröße in beiden Studien gering und der Einfluss der assoziierten Varianten auf die Regulation der beschriebenen Gene sowie deren Rolle in der Host-Virus-Interaktion noch unzureichend verstanden sind, bedarf es weiterer Forschung und einer Reproduktion der Studienergebnisse., Vestibular neuritis (VN) is the third most common cause of peripheral vertigo in Germany. The exact pathomechanism of this disease is still unknown, although an infection or reactivation with the herpes simplex virus type-1 (HSV-1), is considered the most likely etiology. The clinical manifestation of VN is based on an acute unilateral loss of vestibular function, resulting in the following, days-lasting symptoms: spontaneous horizontal-torsional nystagmus to the unaffected side with symptoms of sustained spinning vertigo, oscillopsia, postural imbalance with risk of falling to the affected side and nausea or vomiting. A common comorbidity of VN is diabetes type II. Common aim of both studies was the identification of relevant gene loci in order to gain insight on the pathomechanisms and etiology, and to evaluate the hypothesis of a reactivation of HSV-1 as the suspected origin. A GWAS (131 patients, 2609 controls, study 1) and a candidate-SNP study (151 patients, 1775 controls, study 2) with overlapping participants was conducted. In both studies, an association with VN was confirmed for variants in 4 genes for which an association with viral immune response is discussed. For rs12979860, localized in the region of interferon lambda (IFNL) 3/4 gene locus, a correlation between the severity of herpes labialis and the amount of T-alleles was identified. In further studies, carriers of this risk allele showed a reduced response to hepatitis C virus (HCV) therapy and an elevated persistence of HCV. In the candidate SNP-study (study 2), the T-allele was also confirmed as a risk allele for the occurrence of VN and thus supports the hypothesis of a HSV-1 reactivation as the genesis of VN. Using a GWAS (study 1), 3 additional immune-modulatory genes were linked to the development of VN for the first time. Variants in the gene regions of NR3C2 (nuclear receptor subfamily 3 group C member 2), which had been identified as specific host factor for the replication of HSV-1, MED30 (mediator complex 30) and ANKRD30A (ankyrin repeat domain 30A), which had been described as host factors for the replication of human immunodeficiency virus (HIV)-1 in previous studies, had shown a genome-wide significant connection to VN. Regarding this association, it can be concluded that VN could be triggered by a viral inflammation and that HSV-1 could be a plausible pathogen in this respect. Furthermore, using a GWAS variants in the gene loci LMX1A (LIM homeobox transcription factor 1 alpha) and SLC30A8 (solute carrier family 30 member 8) were identified, which are associated with a diabetic metabolic state and possibly contribute to the increased incidence of diabetes mellitus type II in VN patients. In summary, both studies show risk variants for viral host-interactions in the patient group, which implies a viral infection as a cause of VN and a genetic susceptibility for its occurrence. For variants of the INFL3/4 and NR3C2 genes, a connection to the clinical manifestation of herpes labialis has already been described, which suggests HSV-1 to be the most plausible causative pathogen of this infection. The sample-size in both studies is critical low for a genetic study but especially low for a GWAS. The impact of this variants and their role in host-virus-interactions, especially HSV-1, are unclear and further studies and reproduction of the study-results are necessary.
Not available
Herrling, Marko
2025
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Herrling, Marko (2025): Der Einfluss genetischer Polymorphismen auf die Neuritis vestibularis. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Die Neuritis vestibularis (VN) ist die dritthäufigste Ursache peripheren Schwindels im deutschen Raum. Der genaue Pathomechanismus dieser Erkrankung ist bis dato unbekannt, wobei eine Infektion oder Reaktivierung mit dem Herpes simplex Virus Typ-1 (HSV-1) als wahrscheinlichste Ätiologie gilt. Die klinische Ausprägung beruht auf einem akuten, einseitigen Ausfall der Vestibularfunktion, welche folgende, tage-anhaltende Symptome hervorruft: horizontal-torsioneller Spontannystagmus zur gesunden Seite mit Drehschwindelsymptomatik, Oszillopsien, Fallneigung zur geschädigten Seite und Übelkeit bis hin zu Erbrechen. Eine häufige Komorbidität der VN ist ein Diabetes mellitus Typ II. Gemeinsames Ziel beider Studien war es relevante Genloci zu identifizieren, um Rückschlüsse auf den Pathomechanismus und die Ätiologie ableiten zu können, und um die Hypothese der HSV-1-Reaktivierung als vermutete Ursache zu evaluieren. Es wurden eine GWAS (131 Patient*innen, 2609 Kontrollen, Studie 1) und eine Kandidaten-SNP-Studie (151 Patient*innen, 1775 Kontrollen, Studie 2) mit überlappenden Teilnehmer*innen durchgeführt. In beiden Studien konnte eine Assoziation mit VN für Varianten in 4 Genen identifiziert bzw. bestätigt werden, für die ein Zusammenhang mit der viralen Immunantwort diskutiert wird. Für rs12979860 im Interferon Lambda 3/4- Genlocus (IFNL3/4) war bereits eine Korrelation mit der Schwere der Ausprägung von Herpes labialis mit der Anzahl der T-Allele nachgewiesen worden. Träger*innen dieses Risikoallels zeigten in weiteren Studien ein vermindertes Ansprechen in der Hepatitis C-Virus (HCV)-Therapie und eine erhöhte HCV-Persistenz. In der vorliegenden Kandidaten-SNP-Studie (Studie 2) konnte das T-Allel auch als Risikoallel für das Auftreten einer VN bestätigt werden und unterstützte damit die Hypothese einer Reaktivierung von HSV-1 als Genese der VN. Durch eine GWAS (Studie 1) konnten 3 weitere immunmodulatorische Gene erstmals mit der Entstehung einer VN in Verbindung gebracht werden. Varianten in den Genregionen von NR3C2 (nuclear receptor subfamily 3 group C member 2), welches als spezifischer viraler Hostfaktor für die Replikation von HSV-1 identifiziert worden war, MED30 (mediator complex 30) und ANKRD30A (ankyrin repeat domain 30A), die in früheren Studien als Hostfaktoren für die Replikation des humanen Immundefizienzvirus (HIV)-1 beschrieben worden waren, zeigten einen genomweit signifikanten Zusammenhang zur VN. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass eine VN durch eine virale Infektion ausgelöst werden könnte und dass HSV-1 diesbezüglich ein plausibles Pathogen darstellt. Weiterhin konnten durch die GWAS Varianten in den Genloci LMX1A (LIM homeobox transcription factor 1 alpha) und SLC30A8 (solute carrier family 30 member 8) identifiziert werden, welche mit einer diabetischen Stoffwechsellage in Verbindung stehen und möglicherweise zu dem gehäuften Auftreten von Diabetes mellitus Typ II bei VN-Patient*innen beitragen. Zusammenfassend zeigen beide Studien Risikovarianten für virale Host-Interaktionen in der Patient*innengruppe, was auf eine virale Infektion als Ursache einer VN und eine genetische Suszeptibilität für deren Auftreten schließen lässt. Für Varianten der Gene INFL3/4 und NR3C2 wurde bereits ein Zusammenhang zur klinischen Ausprägung von Herpes labialis beschrieben, weshalb HSV-1 als wahrscheinlichster Erreger dieser Infektion angenommen werden kann. Da die Stichprobengröße in beiden Studien gering und der Einfluss der assoziierten Varianten auf die Regulation der beschriebenen Gene sowie deren Rolle in der Host-Virus-Interaktion noch unzureichend verstanden sind, bedarf es weiterer Forschung und einer Reproduktion der Studienergebnisse.

Abstract

Vestibular neuritis (VN) is the third most common cause of peripheral vertigo in Germany. The exact pathomechanism of this disease is still unknown, although an infection or reactivation with the herpes simplex virus type-1 (HSV-1), is considered the most likely etiology. The clinical manifestation of VN is based on an acute unilateral loss of vestibular function, resulting in the following, days-lasting symptoms: spontaneous horizontal-torsional nystagmus to the unaffected side with symptoms of sustained spinning vertigo, oscillopsia, postural imbalance with risk of falling to the affected side and nausea or vomiting. A common comorbidity of VN is diabetes type II. Common aim of both studies was the identification of relevant gene loci in order to gain insight on the pathomechanisms and etiology, and to evaluate the hypothesis of a reactivation of HSV-1 as the suspected origin. A GWAS (131 patients, 2609 controls, study 1) and a candidate-SNP study (151 patients, 1775 controls, study 2) with overlapping participants was conducted. In both studies, an association with VN was confirmed for variants in 4 genes for which an association with viral immune response is discussed. For rs12979860, localized in the region of interferon lambda (IFNL) 3/4 gene locus, a correlation between the severity of herpes labialis and the amount of T-alleles was identified. In further studies, carriers of this risk allele showed a reduced response to hepatitis C virus (HCV) therapy and an elevated persistence of HCV. In the candidate SNP-study (study 2), the T-allele was also confirmed as a risk allele for the occurrence of VN and thus supports the hypothesis of a HSV-1 reactivation as the genesis of VN. Using a GWAS (study 1), 3 additional immune-modulatory genes were linked to the development of VN for the first time. Variants in the gene regions of NR3C2 (nuclear receptor subfamily 3 group C member 2), which had been identified as specific host factor for the replication of HSV-1, MED30 (mediator complex 30) and ANKRD30A (ankyrin repeat domain 30A), which had been described as host factors for the replication of human immunodeficiency virus (HIV)-1 in previous studies, had shown a genome-wide significant connection to VN. Regarding this association, it can be concluded that VN could be triggered by a viral inflammation and that HSV-1 could be a plausible pathogen in this respect. Furthermore, using a GWAS variants in the gene loci LMX1A (LIM homeobox transcription factor 1 alpha) and SLC30A8 (solute carrier family 30 member 8) were identified, which are associated with a diabetic metabolic state and possibly contribute to the increased incidence of diabetes mellitus type II in VN patients. In summary, both studies show risk variants for viral host-interactions in the patient group, which implies a viral infection as a cause of VN and a genetic susceptibility for its occurrence. For variants of the INFL3/4 and NR3C2 genes, a connection to the clinical manifestation of herpes labialis has already been described, which suggests HSV-1 to be the most plausible causative pathogen of this infection. The sample-size in both studies is critical low for a genetic study but especially low for a GWAS. The impact of this variants and their role in host-virus-interactions, especially HSV-1, are unclear and further studies and reproduction of the study-results are necessary.