Bauer, Julia (2025): Psychosoziale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Belastungssituationen: Untersuchung niedrigschwelliger Interventionen im Kinderkrankenhaus und während der Covid-19-Pandemie. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät |
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Abstract
Kinder und Jugendliche müssen aufgrund ihrer besonderen Vulnerabilität gegenüber Stressoren vor Belastungssituationen und Krisen geschützt und im Umgang mit denselben gestärkt werden. Damit Kinder und Jugendliche kritische Lebensereignisse und Entwicklungsaufgaben meistern und mit Belastungen in verschiedenen Lebenssituationen umgehen können, ist es wichtig, ihre Resilienz zu steigern sowie adäquate Unterstützungsstrukturen zur Förderung der Resilienz aufzubauen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden in zwei Projekten in unterschiedlichen Settings niedrigschwellige Interventionen zur Aufrechterhaltung der psychosozialen Gesundheit und des Wohlbefindens von Kindern und Jugendlichen untersucht. In Projekt I wurde das Child Life Specialist (CLS)-Programm am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München untersucht, ein neuartiges psychosoziales Versorgungsangebot für junge Pati- ent*innen im Kinderkrankenhaus, das auf die Förderung der Resilienz im Umgang mit potentiell belastenden Krankenhauserfahrungen abzielt. Ein Krankenhausaufenthalt ist für Kinder und Jugendliche aufgrund verschiedener Stressoren eine belastende Situation. Gleichzeitig schränken Sparmaßnahmen und Personalmangel häufig eine alters- und entwicklungsgerechte Behandlung der jungen Patient*innen ein. CLS, als psychosoziale Fachkräfte mit einer Spezialisierung in der Entwicklung und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, können eine bedürfnisorientierte Betreuung von Patient*innen im Kinderkrankenhaus stärken. Der Einsatz von CLS, die beispielsweise altersangemessene, medizinische Aufklärung, therapeutisches Spiel oder Unterstützungsarbeit für Eltern und Geschwister anbieten, ist in Deutschland noch nicht verbreitet. Am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München wird seit 2020 ein CLS-Programm aufgebaut, um eine an den Bedürfnissen und Rechten der Patient*innen orientierte Betreuung auszubauen. Dieser im deutschen Gesundheitssystem neuer Versorgungsansatz wurde im Rahmen folgender Subprojekte evaluiert: i) Sichten der relevanten CLS-Literatur: Bis zum Jahr 2021 bestand die CLS-Literatur primär aus Leitlinien der Zertifizierungsorganisationen aus den USA und klinischen Berichten; empirische Publikationen waren selten. ii) Systematischer Review zu den Effekten von CLS-Interventionen aus randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) auf psychische Gesundheitsparameter von Kindern und Jugendlichen im Krankenhaus: in den eingeschlossenen RCTs wurden signifikante Effekte von CLS-Interventionen auf Angst, Schmerz und Stress berichtet. Aufgrund des mittleren bis hohen Verzerrungsrisikos ist weitere Forschung in diesem Bereich notwendig. iii) Entwicklung eines logischen Modells zur Visualisierung des komplexen CLS-Pro- gramms, inklusive relevanter Details zu Population, Intervention, Outcomes, Imple- mentierung und Kontext, sowie zur Planung der weiteren Evaluationsprojekte. iv) Prozessevaluation des CLS-Programms mit 15 qualitativen Einzelinterviews zur Untersuchung der Implementierung: Es wurden verschiedene Einflussfaktoren der Implementierung identifiziert, die die weitere Umsetzung des Programms im Kinderspital, aber auch in anderen Settings, unterstützen können. v) Qualitätsmanagement-Befragung von Patient*innen und Eltern: zum Zeitpunkt der Befragung waren nur wenige CLS verfügbar; dennoch zeigten sich Patient*innen und Eltern zufrieden mit der Arbeit der CLS. vi) Durchführung eines „Children’s Councils“ zur partizipativen Beteiligung von Pati- ent*innen an einem Forschungsprojekt: ein digitales Beteiligungsformat wurde erfolg- reich pilotiert und Erkenntnisse bzgl. notweniger Adaptionen im diskutierten Studienprotokoll generiert. Projekt II der vorliegenden Arbeit entstand aus einem akuten Handlungsbedarf heraus während der Covid-19-Pandemie. Zahlreiche Belastungen wie Schulschließungen und Kontaktbeschränkungen führten zu vielfältigen negativen psychosozialen Effekten der Pandemie auf Kinder und Jugendliche. In dieser Situation war es notwendig, Strategien zu entwickeln, wie die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen aufrechterhalten bzw. trotz herrschender Widerstände gefördert werden konnte. Hierzu wurde ein systematischer Review mit Metaanalyse durchgeführt, um Interventionen zu identifizieren, die die Resilienz der jungen Menschen steigern und negative Effekte der Pandemie abmildern können. Die Auswertung der narrativen Synthese und der Metaanalyse zeigten, dass erste Ansätze für Interventionen in diesem Bereich existieren und dass positive Effekte auf Angst und depressive Symptome zu verzeichnen sind. Um auf zukünftige Krisen vorbereitet zu sein und die besonders vulnerable Gruppe von Kindern und Jugendlichen besser zu schützen, müssen effektive und evidenzbasierte Interventionen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit weiterentwickelt und evaluiert werden. Die Stärkung der Resilienz von Kindern und Jugendlichen ist in verschiedenen Settings relevant und niedrigschwellige psychosoziale Interventionen können hier einen wichtigen Beitrag leisten. Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Belastungs- bzw. Krisensituationen ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen und sie auf potentielle Herausforderungen bestmöglich vorzubereiten, ist nicht nur eine relevante Public Health Strategie und die Aufgabe von Gesundheitsförde- rungs- und Präventionsprojekten, sondern erfüllt auch die Ansprüche der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen.
Abstract
Due to their particular vulnerability to stressors, children and adolescents must be protected from stressful situations and crises, and strengthened in dealing with the same. In order to master critical life events and developmental tasks, and to cope with stress in different life situations, it is important to increase children’s and adolescents’ resilience and to build adequate support structures to promote resilience. In the context of the present work, low-threshold interventions to maintain the psychosocial health and well-being of children and adolescents were investigated in two projects in different settings. Project I deals with the Child Life Specialist (CLS) program at the Dr. von Hauner Children’s Hospital in Munich, a novel psychosocial care service for young patients in children's hospitals that aims to promote resilience in dealing with potentially stressful hospital experiences. Hospitalization is a stressful situation for children and adolescents due to various stressors. At the same time, cost-cutting measures and staff shortages limit age- and developmentally appropriate treatment of young patients. CLS, as psychosocial professionals with a specialization in child and adolescent development and health, can strengthen needs-based care for patients in children's hospitals. The profession of CLS, who for example offer age-appropriate medical education, therapeutic play or support for parents and siblings, is not yet established in Germany. At Dr. von Hauner Children's Hospital in Munich, a CLS program has been established since 2020 to expand needs and rights oriented care of young patients. This new approach in the German healthcare system was evaluated in the following subprojects: (i) Scoping of relevant CLS literature: until 2021, the CLS literature primarily consisted of guidelines from certifying organizations in the United States and clinical reports; empirical publications were rare. (ii) Systematic review of the effects of CLS interventions from randomized controlled trials (RCTs) on mental health parameters of hospitalized children and adolescents: significant effects of CLS interventions on anxiety, pain, and stress were reported in the included RCTs. Due to the moderate to high risk of bias, further research is needed in this area. (iii) Development of a logic model to visualize the complex CLS program, including relevant details on population, intervention, outcomes, implementation, and context; served as a plan for further evaluation projects. (iv) Process evaluation of the CLS program with 15 individual qualitative interviews to examine the implementation: various factors influencing the implementation were identified that may support further implementation of the program at the Dr. von Hauner Children's Hospital, as well as in other settings. (v) Quality management survey of patients and parents: at the time of the survey, only few CLS were available; nevertheless, patients and parents expressed satisfaction with the work of the CLS. (vi) Implementation of a "Children's Council" for the participatory involvement of patients in a research project: a digital participation format was successfully piloted and findings regarding necessary adaptations in the discussed study protocol were generated. Project II of the present work arose out of an acute need for action during the Covid-19 pandemic. Numerous stressors such as school closures and contact restrictions led to multiple negative psychosocial effects of the pandemic on children and adolescents. In this situation, it was necessary to develop strategies to maintain and promote the mental health of children and adolescents despite prevailing difficulties. Therefore, a systematic review with meta-analysis was conducted to identify interventions that could increase resilience in young people and mitigate negative effects of the pandemic. The narrative synthesis and meta-analysis showed that initial approaches to interventions in this area exist and that positive effects on anxiety and depressive symptoms can be observed. To be prepared for future crises and to better protect the particularly vulnerable group of children and adolescents, effective and evidence-based interventions to improve mental health need to be further developed and evaluated. Strengthening the resilience of children and adolescents is relevant in various settings and low- threshold psychosocial interventions can make an important contribution here. Enabling children and adolescents to grow up healthily in various stressful situations and preparing them for potential challenges is not only a relevant public health strategy and the task of health promotion and prevention projects, but also meets the requirements of the United Nations Convention on the Rights of the Child.
Dokumententyp: | Dissertationen (Dissertation, LMU München) |
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Keywords: | Psychosoziale Gesundheit, Kinder und Jugendliche, Kinderkrankenhaus, Child Life Specialist, COVID-19-Pandemie, niedrigschwellige Interventionen |
Themengebiete: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin und Gesundheit |
Fakultäten: | Medizinische Fakultät |
Sprache der Hochschulschrift: | Deutsch |
Datum der mündlichen Prüfung: | 18. März 2025 |
1. Berichterstatter:in: | Jung-Sievers, Caroline |
MD5 Prüfsumme der PDF-Datei: | f1bc7b4f75fc415707126fb2cfc837cd |
Signatur der gedruckten Ausgabe: | 0700/UMD 22287 |
ID Code: | 35087 |
Eingestellt am: | 22. May 2025 13:45 |
Letzte Änderungen: | 22. May 2025 13:45 |