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Perinatale Palliative Care bei lebenslimitierender Erkrankung des Ungeborenen. die Sicht der SchwangerenberaterInnen und Eltern
Perinatale Palliative Care bei lebenslimitierender Erkrankung des Ungeborenen. die Sicht der SchwangerenberaterInnen und Eltern
Die Diagnose einer vorgeburtlich diagnostizierten lebenslimitierenden Erkrankung stellt die werdenden Eltern, aber auch alle beteiligten Fachkräfte vor große ethische Herausforderungen. Es gilt zu entscheiden, ob die Schwangerschaft fortgeführt oder abgebrochen werden soll. In diesem Zusammenhang besteht große Unsicherheit bezüglich der Einschätzung der Prognose der seltenen und sehr variablen Krankheitsbilder und der psychosozialen Auswirkungen einerseits des Weitertragens, andererseits des Abbruchs. Perinatale Palliative Care soll Eltern, welche sich für das Austragen einer Schwangerschaft nach der Diagnose einer lebenslimitierenden Erkrankung entscheiden, prä-, peri- und postpartal, medizinisch und psychosozial unterstützen. Während in Kanada und den USA bereits PPC-Programme existieren und viel zu dieser Fragestellung geforscht wird, scheint sich dies in Europa, im Speziellen in Deutschland, erst langsam zu formieren. Die Perspektive von Fachkräften und die Erfahrungen und Bedürfnisse von betroffenen Vätern und Müttern wurden bisher noch kaum untersucht. In zwei qualitativ empirischen Studien, einer Interviewstudie mit 10 SchwangerenberaterInnen und einer Interviewstudie mit 11 Müttern und 9 Vätern, welche sich für das Austragen der Schwangerschaft entschieden hatten, wurden deren Einstellungen und Bedürfnisse in Bezug auf PPC untersucht. Ziel der Studien war es, den Bedarf, die Anforderungen und Herausforderungen eines PPC-Programms und die bereits gemachten Erfahrungen mit einem solchen zu ermitteln. Das Fazit aller Interviewten war, dass sie ein strukturiertes PPC-Programm begrüßen würden. Allesamt, Professionelle als auch Eltern, nahmen nach der Diagnosestellung einen Entscheidungsdruck in Richtung Schwangerschaftsabbruch wahr. Deshalb wünschten sich alle Befragten im Anschluss an die Diagnosestellung eine neutrale, nicht direktive Beratung, welche alle Optionen offenlegt, um unabhängig entscheiden zu können. In diesen Entscheidungsprozess solle auch eine psychosoziale Unterstützung integriert werden. Außerdem stimmten alle überein, dass die Kontinuität der Versorgung ein wichtiger Aspekt sei. Die BeraterInnen wünschten sich einen multiprofessionellen Ansatz, der die Integration eines PPC-Programms in bereits existierende Strukturen beachtet und eine Ausbildung der beteiligten Berufsgruppen vorsieht. Für die Väter und Mütter war die Akzeptanz ihrer Entscheidung sowie die Anerkennung und Wertschätzung ihres ungeborenen Kindes, durch Fachkräfte aber auch durch das persönliche Umfeld, ein wichtiger Faktor. Sie berichteten außerdem, dass sie von der dauerhaften Begleitung durch eine Fachkraft, meist Hebammen oder GynäkologInnen, profitiert hätten. Als Herausforderungen eines PPC-Programms wurde gesehen, dass es schwierig sein könnte, alle beteiligten Fachkräfte zur Mitarbeit zu motivieren und deren Sensibilität für dieses Thema zu erhöhen. Beide Studien geben wichtige Hinweise für die endgültige Entwicklung eines PPC-Programms. So sollte das Programm bestehende Strukturen erfassen, integrieren und stringente Versorgungspfade entwickeln. Die beteiligten Berufsgruppen sollten sensibilisiert, zur Teilnahme ermutigt und geschult werden. Eine kontinuierliche Betreuung der Eltern durch wenige Fachkräfte ist anzustreben. Hier sollte vor allem auch die Zusammenarbeit, besonders mit GynäkologInnen und Hebammen, anvisiert werden. Durch Öffentlichkeitsarbeit sollte die gesellschaftliche Sensibilität für dieses Thema erhöht werden. So könnten auch Vorbehalte des Umfeldes bezüglich einer Entscheidung für das Weitertragen einer Schwangerschaft nach der Diagnose einer lebenslimitierenden Erkrankung (LLD) gemindert werden., The prenatal diagnosis of a life-limiting disease of the unborn child poses major ethical challenges for the parents, but also for the professionals involved. A decision will have to be made on whether to continue or to terminate the pregnancy. In this context there is great uncertainty regarding the assessment of the prognosis of rare and very variable clinical phenotypes and the psychosocial consequences on one hand of continuing the pregnancy and on the other hand of terminating it. Perinatal Palliative Care (PPC) intends to provide pre-, peri-, and postnatal medical and psychosocial support to parents who decide to carry on with a pregnancy after a diagnosis of a life limiting disease. While PPC programs already exist in Canada and the USA and several research projects are carried out on this issue, there seems to be only slow progress in Europe, especially in Germany. The perspective of professionals and the experiences and needs of affected parents have hardly been examined so far. In two qualitative empirical interview studies, one with 10 pregnancy counselors and one with 11 mothers and 9 fathers who decided to carry the pregnancy to term, the attitudes and needs of the participants in relation to PPC were investigated. The aim of the studies was to determine the need for, and the requirements and challenges of a PPC program as well as the experiences already made with existing ones. The conclusion of both studies was that a structured PPC program would be welcome. Parents as well as professionals perceived a pressure to opt for an abortion after the initial diagnosis. For this reason, all respondents wanted neutral, non-directive advice after the diagnosis, showcasing all available options in order to be able to make an independent decision. Psychosocial support should also accompany this decision-making process. In addition, all interviewees agreed that continuity of care is an important aspect. The consultants wished for a multi-professional approach that respected the integration of a PPC program into existing structures and included training for the involved professional groups. For parents, the acceptance of their decision and the recognition and appreciation of their unborn child both by professionals and their social environment, were important factors. They also reported benefitting from permanent support by a specialist, usually a midwife or a gynecologist. A perceived challenge of a PPC program could be the difficulty to motivate all involved professionals to participate and to increase their sensitivity to this topic. Both studies provide important information for the development of a PPC program. Such a program should cover already existing structures, integrate them and develop stringent care pathways. The professional groups involved should be made aware of the issues, encouraged to participate and trained. The aim should be the continuous care of parents by a small number of specialists with a focus on cooperation with gynecologists and midwives. Public relations work should increase social awareness of this topic. This could also reduce reservations in the social environment regarding the decision to continue a pregnancy after a diagnosis of a life-limiting disease.
Perinatale Palliative Care, SchwangerenberaterInnen, Interviewstudien, peripartal, kumulativ
Flaig, Franziska
2024
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Flaig, Franziska (2024): Perinatale Palliative Care bei lebenslimitierender Erkrankung des Ungeborenen: die Sicht der SchwangerenberaterInnen und Eltern. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Die Diagnose einer vorgeburtlich diagnostizierten lebenslimitierenden Erkrankung stellt die werdenden Eltern, aber auch alle beteiligten Fachkräfte vor große ethische Herausforderungen. Es gilt zu entscheiden, ob die Schwangerschaft fortgeführt oder abgebrochen werden soll. In diesem Zusammenhang besteht große Unsicherheit bezüglich der Einschätzung der Prognose der seltenen und sehr variablen Krankheitsbilder und der psychosozialen Auswirkungen einerseits des Weitertragens, andererseits des Abbruchs. Perinatale Palliative Care soll Eltern, welche sich für das Austragen einer Schwangerschaft nach der Diagnose einer lebenslimitierenden Erkrankung entscheiden, prä-, peri- und postpartal, medizinisch und psychosozial unterstützen. Während in Kanada und den USA bereits PPC-Programme existieren und viel zu dieser Fragestellung geforscht wird, scheint sich dies in Europa, im Speziellen in Deutschland, erst langsam zu formieren. Die Perspektive von Fachkräften und die Erfahrungen und Bedürfnisse von betroffenen Vätern und Müttern wurden bisher noch kaum untersucht. In zwei qualitativ empirischen Studien, einer Interviewstudie mit 10 SchwangerenberaterInnen und einer Interviewstudie mit 11 Müttern und 9 Vätern, welche sich für das Austragen der Schwangerschaft entschieden hatten, wurden deren Einstellungen und Bedürfnisse in Bezug auf PPC untersucht. Ziel der Studien war es, den Bedarf, die Anforderungen und Herausforderungen eines PPC-Programms und die bereits gemachten Erfahrungen mit einem solchen zu ermitteln. Das Fazit aller Interviewten war, dass sie ein strukturiertes PPC-Programm begrüßen würden. Allesamt, Professionelle als auch Eltern, nahmen nach der Diagnosestellung einen Entscheidungsdruck in Richtung Schwangerschaftsabbruch wahr. Deshalb wünschten sich alle Befragten im Anschluss an die Diagnosestellung eine neutrale, nicht direktive Beratung, welche alle Optionen offenlegt, um unabhängig entscheiden zu können. In diesen Entscheidungsprozess solle auch eine psychosoziale Unterstützung integriert werden. Außerdem stimmten alle überein, dass die Kontinuität der Versorgung ein wichtiger Aspekt sei. Die BeraterInnen wünschten sich einen multiprofessionellen Ansatz, der die Integration eines PPC-Programms in bereits existierende Strukturen beachtet und eine Ausbildung der beteiligten Berufsgruppen vorsieht. Für die Väter und Mütter war die Akzeptanz ihrer Entscheidung sowie die Anerkennung und Wertschätzung ihres ungeborenen Kindes, durch Fachkräfte aber auch durch das persönliche Umfeld, ein wichtiger Faktor. Sie berichteten außerdem, dass sie von der dauerhaften Begleitung durch eine Fachkraft, meist Hebammen oder GynäkologInnen, profitiert hätten. Als Herausforderungen eines PPC-Programms wurde gesehen, dass es schwierig sein könnte, alle beteiligten Fachkräfte zur Mitarbeit zu motivieren und deren Sensibilität für dieses Thema zu erhöhen. Beide Studien geben wichtige Hinweise für die endgültige Entwicklung eines PPC-Programms. So sollte das Programm bestehende Strukturen erfassen, integrieren und stringente Versorgungspfade entwickeln. Die beteiligten Berufsgruppen sollten sensibilisiert, zur Teilnahme ermutigt und geschult werden. Eine kontinuierliche Betreuung der Eltern durch wenige Fachkräfte ist anzustreben. Hier sollte vor allem auch die Zusammenarbeit, besonders mit GynäkologInnen und Hebammen, anvisiert werden. Durch Öffentlichkeitsarbeit sollte die gesellschaftliche Sensibilität für dieses Thema erhöht werden. So könnten auch Vorbehalte des Umfeldes bezüglich einer Entscheidung für das Weitertragen einer Schwangerschaft nach der Diagnose einer lebenslimitierenden Erkrankung (LLD) gemindert werden.

Abstract

The prenatal diagnosis of a life-limiting disease of the unborn child poses major ethical challenges for the parents, but also for the professionals involved. A decision will have to be made on whether to continue or to terminate the pregnancy. In this context there is great uncertainty regarding the assessment of the prognosis of rare and very variable clinical phenotypes and the psychosocial consequences on one hand of continuing the pregnancy and on the other hand of terminating it. Perinatal Palliative Care (PPC) intends to provide pre-, peri-, and postnatal medical and psychosocial support to parents who decide to carry on with a pregnancy after a diagnosis of a life limiting disease. While PPC programs already exist in Canada and the USA and several research projects are carried out on this issue, there seems to be only slow progress in Europe, especially in Germany. The perspective of professionals and the experiences and needs of affected parents have hardly been examined so far. In two qualitative empirical interview studies, one with 10 pregnancy counselors and one with 11 mothers and 9 fathers who decided to carry the pregnancy to term, the attitudes and needs of the participants in relation to PPC were investigated. The aim of the studies was to determine the need for, and the requirements and challenges of a PPC program as well as the experiences already made with existing ones. The conclusion of both studies was that a structured PPC program would be welcome. Parents as well as professionals perceived a pressure to opt for an abortion after the initial diagnosis. For this reason, all respondents wanted neutral, non-directive advice after the diagnosis, showcasing all available options in order to be able to make an independent decision. Psychosocial support should also accompany this decision-making process. In addition, all interviewees agreed that continuity of care is an important aspect. The consultants wished for a multi-professional approach that respected the integration of a PPC program into existing structures and included training for the involved professional groups. For parents, the acceptance of their decision and the recognition and appreciation of their unborn child both by professionals and their social environment, were important factors. They also reported benefitting from permanent support by a specialist, usually a midwife or a gynecologist. A perceived challenge of a PPC program could be the difficulty to motivate all involved professionals to participate and to increase their sensitivity to this topic. Both studies provide important information for the development of a PPC program. Such a program should cover already existing structures, integrate them and develop stringent care pathways. The professional groups involved should be made aware of the issues, encouraged to participate and trained. The aim should be the continuous care of parents by a small number of specialists with a focus on cooperation with gynecologists and midwives. Public relations work should increase social awareness of this topic. This could also reduce reservations in the social environment regarding the decision to continue a pregnancy after a diagnosis of a life-limiting disease.