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Differentialdiagnosen der Sarkopenie. neuromuskuläre Erkrankungen bei geriatrischen Patienten
Differentialdiagnosen der Sarkopenie. neuromuskuläre Erkrankungen bei geriatrischen Patienten
Aufgrund des demographischen Wandels sowie einer steigenden Lebenserwartung kommt es - nicht nur in Deutschland - zu einer zunehmend älteren Gesamtbevölkerung. Sarkopenie und die Behandlung der Sarkopenie stellt unter den im höheren Lebensalter gehäuft auftretenden Erkrankungen eine besondere Herausforderung dar. Sarkopenie bezeichnet einen altersbedingten Verlust von Muskelmasse und Muskelkraft. Dieser Verlust hat nicht nur alltagseinschränkende Auswirkungen für Betroffene, sondern führt auch vermehrt zu Gangunsicherheit und Stürzen. Dies wiederum hat bei geriatrischen Patienten oft Frakturen und Hospitalisierungen zur Folge, was zu einer höheren Mortalität der Erkrankten führt und erhebliche Kosten für das Gesundheitssystem verursacht. Jedoch ist Sarkopenie nur eine von vielen Erkrankungen, die im höheren Lebensalter zu einer reduzierten Muskelmasse und reduzierten muskulären Leistungsfähigkeit führen können. Bestimmte neuromuskuläre Erkrankungen treten gehäuft erst in höherem Lebensalter in Erscheinung. Mitunter sind diese schwer zu diagnostizieren und so kommt es zu einer teils erheblichen Latenz zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung. Die häufigste entzündliche Muskelerkrankung des älteren Menschen ist die sporadische Einschlusskörpermyositis, die häufigste genetisch verursachte Muskelerkrankung im Alter die myotone Dystrophie. Amyotrophe Lateralsklerose stellt die häufigste Motoneuronen-Erkrankung des älteren Menschen dar. Ziel dieser Arbeit war es, Probanden mit den am häufigsten im höheren Lebensalter auftretenden neuromuskulären Erkrankungen einem Sarkopenie-Screening zu unterziehen und zu untersuchen, ob Erkrankte sich mit ähnlicher Symptomatik und Testergebnissen präsentieren würden und die untersuchten Erkrankungen mögliche Differentialdiagnosen zur Sarkopenie darstellen. Falls ja, sollten diagnostischen Richtlinien der einzelnen neuromuskulären Erkrankungen mit denen der Sarkopenie verglichen werden, um hieraus eine Empfehlung zur Erweiterung des Sarkopenie-Screenings zum Ausschluss dieser möglichen Differentialdiagnosen abzuleiten. Hierfür wurden in Zusammenarbeit mit dem Traumatologie-Zentrum der LMU des Klinikums Großhadern im Zeitraum von November 2017 bis März 2019 insgesamt 42 Teilnehmer älter als 65 Jahre rekrutiert, die dort aufgrund einer akuten Hüftfraktur operativ versorgt werden mussten. Intraoperativ wurde eine Muskelbiopsie aus dem Musculus vastus lateralis zur histologisch-pathologischen Untersuchung entnommen. Zusätzlich wurden in Zusammenarbeit mit dem Friedrich-Baur-Institut der LMU München insgesamt 10 Probanden älter als 65 Jahre mit entweder gesicherter amyotropher Lateralsklerose, myotoner Dystrophie Typ 2 oder sporadischer Einschlusskörper-Myositis rekrutiert. Vergleichs-Biopsien neuromuskulär Erkrankter waren vor Beginn der Studie bereits im Rahmen der Routinediagnostik entnommen worden. Diese Proben waren im Einverständnis der Teilnehmer für weitere Studienzwecke in der „Munich-Tissue-Culture-Collection“ archiviert. Die übrigen studienbezogenen Untersuchungen beinhalteten eine Sarkopenie-Diagnostik mit Messung von Handkraft und Muskelmasse nach Kriterien der EWGSOP2 (European Working Group of Sarcopenia in Older People) sowie als zusätzliches geriatrisches Assessment zur Detektion von Malnutrition oder einer Risikokonstellation für Malnutrition den Fragebogen “Mini-Nutritional Assessment“ (MNA). Mithilfe des ersten Schrittes des Sarkopenie-Screenings, des SARC-F Fragebogens, qualifizierten sich 9 von 10 Teilnehmern mit neuromuskulärer Erkrankung für eine weitere Sarkopenie-Diagnostik. In den folgenden Untersuchungen der Handkraft und der Skelettmuskelmasse fanden sich bei 90% aller neuromuskulär erkrankter Teilnehmer auffällige Ergebnisse im Sarkopenie-Screening. Bei 40% der Probanden konnte eine Sarkopenie, bei 50% eine Präsarkopenie diagnostiziert werden. Die neuromuskulär Erkrankten präsarkopenen und sarkopenen Teilnehmer waren signifikant jünger als die Vergleichskohorte ohne neuromuskuläre Erkrankung. Signifikante Unterschiede in den sarkopenie-definierenden Untersuchungen der Muskelmasse und Handkraft zeigten sich nicht. Mithilfe der genutzten Sarkopenie-Screening-Methoden konnte nicht zwischen Probanden mit altersbedingter Sarkopenie und neuromuskulär Erkrankten differenziert werden. In der histologisch-pathologischen Aufarbeitung der Muskelbiopsien konnten Alleinstellungsmerkale und Gemeinsamkeiten zwischen Sarkopenie und den untersuchten neuromuskulären Erkrankungen aufgezeigt werden. In dem additiven Fragebogen MNA zur Erfassung von Malnutrition präsentierten sich darüber hinaus sarkopene Probanden innerhalb beider Kohorten mit einen statistisch signifikant niedrigeren MNA-Punktewert als präsarkopene Teilnehmer der gleichen Kohorte. Durch die gewonnenen Daten der Studie konnte gezeigt werden, dass bestimmte neuromuskuläre Erkrankungen als mögliche Differentialdiagnosen zur Sarkopenie in Frage kommen und Probanden mit neuromuskulärer Erkrankung sich durch den SARC-F größtenteils für ein weiteres Sarkopenie-Screening qualifizieren würden. Da mittels der genutzten apparativen Sarkopenie-Diagnostik keine Unterschiede im Ergebnis zwischen Teilnehmern mit altersabhängiger (Prä-)Sarkopenie und (prä-)sarkopenen Probanden mit neuromuskulärer Grunderkrankung festgestellt werden konnten, wird eine Erweiterung der bisherigen Sarkopenie-Screening Methoden empfohlen. Diese Erweiterung sollte eine klinische neuromuskuläre Untersuchung sowie als erste zusätzliche invasive Diagnostik eine laborchemische Bestimmung der Serum-Kreatinkinase beinhalten. Je nach Ergebnis sind weitere Untersuchung zunächst mittels Elektromyographie und anschließend mittels Muskelbiospie oder genetischen Untersuchungen bei ausgewählten Patienten nötig, um eine neuromuskuläre Erkrankung als Ursache der Symptomatik auszuschließen. Mittels des additiven MNA-Fragebogens ergaben sich darüber hinaus Hinweise, dass Malnutrition oder ein Risiko für Malnutrition auch bei neuromuskulär erkrankten Patienten die Ausprägung eines sarkopenen Phänotyps begünstigt. Eine Therapie der Ursachen der Malnutrition z.B. durch die Substitution hochkalorischer Nahrung oder eine logopädische Mitbetreuung bei Dysphagie könnte unabhängig der Genese die Ausbildung einer Sarkopenie verzögern oder verhindern.
Sarkopenie, myotone Dystrophie, amyotrophe Lateralsklerose, sporadische Einschlusskörpermyositis, Differentialdiagnosen
Hofmeister, Fabian Alexander
2024
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Hofmeister, Fabian Alexander (2024): Differentialdiagnosen der Sarkopenie: neuromuskuläre Erkrankungen bei geriatrischen Patienten. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Aufgrund des demographischen Wandels sowie einer steigenden Lebenserwartung kommt es - nicht nur in Deutschland - zu einer zunehmend älteren Gesamtbevölkerung. Sarkopenie und die Behandlung der Sarkopenie stellt unter den im höheren Lebensalter gehäuft auftretenden Erkrankungen eine besondere Herausforderung dar. Sarkopenie bezeichnet einen altersbedingten Verlust von Muskelmasse und Muskelkraft. Dieser Verlust hat nicht nur alltagseinschränkende Auswirkungen für Betroffene, sondern führt auch vermehrt zu Gangunsicherheit und Stürzen. Dies wiederum hat bei geriatrischen Patienten oft Frakturen und Hospitalisierungen zur Folge, was zu einer höheren Mortalität der Erkrankten führt und erhebliche Kosten für das Gesundheitssystem verursacht. Jedoch ist Sarkopenie nur eine von vielen Erkrankungen, die im höheren Lebensalter zu einer reduzierten Muskelmasse und reduzierten muskulären Leistungsfähigkeit führen können. Bestimmte neuromuskuläre Erkrankungen treten gehäuft erst in höherem Lebensalter in Erscheinung. Mitunter sind diese schwer zu diagnostizieren und so kommt es zu einer teils erheblichen Latenz zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung. Die häufigste entzündliche Muskelerkrankung des älteren Menschen ist die sporadische Einschlusskörpermyositis, die häufigste genetisch verursachte Muskelerkrankung im Alter die myotone Dystrophie. Amyotrophe Lateralsklerose stellt die häufigste Motoneuronen-Erkrankung des älteren Menschen dar. Ziel dieser Arbeit war es, Probanden mit den am häufigsten im höheren Lebensalter auftretenden neuromuskulären Erkrankungen einem Sarkopenie-Screening zu unterziehen und zu untersuchen, ob Erkrankte sich mit ähnlicher Symptomatik und Testergebnissen präsentieren würden und die untersuchten Erkrankungen mögliche Differentialdiagnosen zur Sarkopenie darstellen. Falls ja, sollten diagnostischen Richtlinien der einzelnen neuromuskulären Erkrankungen mit denen der Sarkopenie verglichen werden, um hieraus eine Empfehlung zur Erweiterung des Sarkopenie-Screenings zum Ausschluss dieser möglichen Differentialdiagnosen abzuleiten. Hierfür wurden in Zusammenarbeit mit dem Traumatologie-Zentrum der LMU des Klinikums Großhadern im Zeitraum von November 2017 bis März 2019 insgesamt 42 Teilnehmer älter als 65 Jahre rekrutiert, die dort aufgrund einer akuten Hüftfraktur operativ versorgt werden mussten. Intraoperativ wurde eine Muskelbiopsie aus dem Musculus vastus lateralis zur histologisch-pathologischen Untersuchung entnommen. Zusätzlich wurden in Zusammenarbeit mit dem Friedrich-Baur-Institut der LMU München insgesamt 10 Probanden älter als 65 Jahre mit entweder gesicherter amyotropher Lateralsklerose, myotoner Dystrophie Typ 2 oder sporadischer Einschlusskörper-Myositis rekrutiert. Vergleichs-Biopsien neuromuskulär Erkrankter waren vor Beginn der Studie bereits im Rahmen der Routinediagnostik entnommen worden. Diese Proben waren im Einverständnis der Teilnehmer für weitere Studienzwecke in der „Munich-Tissue-Culture-Collection“ archiviert. Die übrigen studienbezogenen Untersuchungen beinhalteten eine Sarkopenie-Diagnostik mit Messung von Handkraft und Muskelmasse nach Kriterien der EWGSOP2 (European Working Group of Sarcopenia in Older People) sowie als zusätzliches geriatrisches Assessment zur Detektion von Malnutrition oder einer Risikokonstellation für Malnutrition den Fragebogen “Mini-Nutritional Assessment“ (MNA). Mithilfe des ersten Schrittes des Sarkopenie-Screenings, des SARC-F Fragebogens, qualifizierten sich 9 von 10 Teilnehmern mit neuromuskulärer Erkrankung für eine weitere Sarkopenie-Diagnostik. In den folgenden Untersuchungen der Handkraft und der Skelettmuskelmasse fanden sich bei 90% aller neuromuskulär erkrankter Teilnehmer auffällige Ergebnisse im Sarkopenie-Screening. Bei 40% der Probanden konnte eine Sarkopenie, bei 50% eine Präsarkopenie diagnostiziert werden. Die neuromuskulär Erkrankten präsarkopenen und sarkopenen Teilnehmer waren signifikant jünger als die Vergleichskohorte ohne neuromuskuläre Erkrankung. Signifikante Unterschiede in den sarkopenie-definierenden Untersuchungen der Muskelmasse und Handkraft zeigten sich nicht. Mithilfe der genutzten Sarkopenie-Screening-Methoden konnte nicht zwischen Probanden mit altersbedingter Sarkopenie und neuromuskulär Erkrankten differenziert werden. In der histologisch-pathologischen Aufarbeitung der Muskelbiopsien konnten Alleinstellungsmerkale und Gemeinsamkeiten zwischen Sarkopenie und den untersuchten neuromuskulären Erkrankungen aufgezeigt werden. In dem additiven Fragebogen MNA zur Erfassung von Malnutrition präsentierten sich darüber hinaus sarkopene Probanden innerhalb beider Kohorten mit einen statistisch signifikant niedrigeren MNA-Punktewert als präsarkopene Teilnehmer der gleichen Kohorte. Durch die gewonnenen Daten der Studie konnte gezeigt werden, dass bestimmte neuromuskuläre Erkrankungen als mögliche Differentialdiagnosen zur Sarkopenie in Frage kommen und Probanden mit neuromuskulärer Erkrankung sich durch den SARC-F größtenteils für ein weiteres Sarkopenie-Screening qualifizieren würden. Da mittels der genutzten apparativen Sarkopenie-Diagnostik keine Unterschiede im Ergebnis zwischen Teilnehmern mit altersabhängiger (Prä-)Sarkopenie und (prä-)sarkopenen Probanden mit neuromuskulärer Grunderkrankung festgestellt werden konnten, wird eine Erweiterung der bisherigen Sarkopenie-Screening Methoden empfohlen. Diese Erweiterung sollte eine klinische neuromuskuläre Untersuchung sowie als erste zusätzliche invasive Diagnostik eine laborchemische Bestimmung der Serum-Kreatinkinase beinhalten. Je nach Ergebnis sind weitere Untersuchung zunächst mittels Elektromyographie und anschließend mittels Muskelbiospie oder genetischen Untersuchungen bei ausgewählten Patienten nötig, um eine neuromuskuläre Erkrankung als Ursache der Symptomatik auszuschließen. Mittels des additiven MNA-Fragebogens ergaben sich darüber hinaus Hinweise, dass Malnutrition oder ein Risiko für Malnutrition auch bei neuromuskulär erkrankten Patienten die Ausprägung eines sarkopenen Phänotyps begünstigt. Eine Therapie der Ursachen der Malnutrition z.B. durch die Substitution hochkalorischer Nahrung oder eine logopädische Mitbetreuung bei Dysphagie könnte unabhängig der Genese die Ausbildung einer Sarkopenie verzögern oder verhindern.