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Interprofessionelle Kommunikation im Aufgabenfeld der Entlassungsplanung
Interprofessionelle Kommunikation im Aufgabenfeld der Entlassungsplanung
Das deutsche Gesundheitssystem steht aufgrund des demographischen Wandels vor einschneidenden Veränderungen. Zur Sicherstellung und Förderung der Patientensicherheit sind neue Versorgungskonzepte notwendig. Dies soll unter anderem durch eine Stärkung des kompetenzorientierten Lehrens und Lernens mit interprofessionellen Inhalten sowie durch eine verstärkte interprofessionelle Praxisorientierung erreicht werden. Als Grundlage für die interprofessionelle Ausbildung werden mehrere, vor allem gesundheitspolitisch motivierte Kompetenzrahmenmodelle herangezogen. In der interprofessionellen Ausbildung fehlt jedoch bislang noch immer ein Rahmenkonzept, das es ermöglicht, kollaborative Problemlösungsprozesse über verschiedene Berufe in der Gesundheitsversorgung hinweg abzubilden. Deshalb schlagen wir in Teil eins dieser Arbeit ein solches Rahmenkonzept zur Darstellung und Operationalisierung von kollaborativen Problemlösefähigkeiten für den Kontext der interprofessionellen Gesundheitsausbildung und Zusammenarbeit vor. Aufbauend auf dem Rahmenkonzept in Teil eins konzentrieren wir uns auf zwei zentrale Schnittstellen im Gesundheitswesen, an denen es typischerweise zu interprofessioneller Zusammenarbeit kommt: einerseits das in Teil zwei besprochene Entlassungsmanagement eines Patienten auf einer Krankenhausstation und andererseits in Teil drei die dafür notwendige interprofessionelle Patientenübergabe zwischen der professionellen Pflege und der Ärzteschaft. Teil zwei der Arbeit fokussiert auf die Wissensbasis der oben genannten Gesundheitsberufe im Entlassungsmanagement. Ein Test zur Erfassung des deklarativen und strategischen Wissens zum Entlassungsmanagement wurde auf Basis von mono- und teils auch interprofessionellen Leitlinien zum Entlassungsmanagement entwickelt und anschließend von einer Expert*innengruppe aus Pflegefachkräften, Ärzt*innen und klinischen Sozialberater*innen inhaltlich validiert. Der Wissenstest umfasst insgesamt 16 Items und deckt unterschiedliche Wissensdimensionen des Entlassungsmanagements ab. Im Rahmen einer quantitativen Studie bearbeiteten 89 Pflegefachkräfte und 48 Ärzt*innen den Wissenstest. Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgte zum einen deskriptiv und zum anderen mittels Varianzanalysen (RM-ANOVA; mixed-ANOVAs). In der deskriptiven Auswertung zeigte sich, dass die untersuchten Berufsgruppen insgesamt über befriedigendes (Ärzt*innen) bis ausreichendes (Pflegefachkräften) Wissen zum Entlassungsmanagement verfügen. Bezüglich des Unterschieds hinsichtlich deklarativen und strategischen Wissen über die Berufsgruppen hinweg zeigte sich, dass sich die Teilnehmenden im moderaten bis starken Maße unterschieden. Allerdings konnte kein Effekt bezüglich der beiden Berufsgruppen (Pflegefachkräfte vs. Ärzt*innen) hinsichtlich ihres deklarativen und strategischen Wissens und den unterschiedlichen Wissensdimensionen festgestellt werden. Ebenso zeigte sich, dass sich die Teilnehmenden mit unterschiedlicher Berufserfahrung nicht hinsichtlich ihres deklarativen Wissens in den unterschiedlichen Wissensdimensionen unterschieden. Deutlich wurde jedoch, dass die Teilnehmenden mit unterschiedlicher Berufserfahrung in puncto strategischem Wissen in den unterschiedlichen Wissensdimensionen signifikante Unterschiede aufwiesen. Eine wesentliche Funktion des Entlassungsmanagements liegt darin, die Beobachtungen, Bewertungen und Handlungen aller involvierten Berufsgruppen zu sammeln und auszuwerten. Vor diesem Hintergrund schlagen wir in Teil drei dieser Arbeit ein Lehrinstrument zur interprofessionellen Patientenübergabe für Pflegefachkräfte vor. Das Instrument orientiert sich an dem Konzept der Entrustable Professional Activities (EPA) nach ten Cate. Zur Entwicklung einer EPA für die interprofessionelle Patientenübergabe wurde zunächst eine Interviewstudie durchgeführt. Ziel war es, die Inhalte der EPA sowohl aus Perspektive der Praxis als auch der Theorie zu entwickeln. Zu diesem Zweck wurden 20 Interviews mit praktizierenden Pflegefachkräften und Ärzt*innen geführt. Die Befragten wurden gebeten, den Arbeitsprozess der Patientenübergabe Schritt für Schritt zu beschreiben. Die Auswertung der Interviews erfolgte nach dem gängigen Ablaufschema der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Analysen konnte eine vorläufige EPA Interprofessionelle Patientenübergabe vornehmen und/oder entgegennehmen für Pflegefachkräfte entwickelt werden, die schließlich im Rahmen einer Konsensrunde mit erfahrenen Pflegefachkräften und Ärzt*innen validiert wurde. Mit der von uns entwickelten EPA Interprofessionelle Patientenübergabe vornehmen und/oder entgegennehmen haben wir eine der ersten EPAs für den professionellen Pflegeberuf in Deutschland vorgelegt. Zugleich lehnt sich unsere EPA an ein bestehendes Lehrinstrument aus dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) an und kann damit unmittelbar in der mono- und interprofessionellen Ausbildung sowie in der Praxis eingesetzt werden., The German healthcare system is facing significant changes due to demographic shifts. New care concepts are necessary to ensure and promote patient safety. This is intended to be achieved through strengthening competencybased teaching and learning with interprofessional teaching content, as well as through enhanced interprofessional practical orientation. Several competence framework models, mainly motivated by health policy, are used as the basis for interprofessional education. However, there is still a lack of a conceptual framework in interprofessional education that enables collaborative problemsolving processes across different healthcare professions. Therefore, in Part 1 of this thesis, we propose a conceptual framework for representing and operationalising collaborative problem-solving skills in the context of interprofessional education and collaboration in healthcare. Building on the conceptual framework in Part 1, we focus on two key interfaces in healthcare where interprofessional collaboration typically occurs: (2) the discharge planning of a patient from the hospital ward, and (3) the required interprofessional patient handover between nurses and physicians. Part 2 of the thesis focuses on the knowledge base of the aforementioned healthcare professionals in discharge planning. We developed a test to assess declarative and strategic knowledge of discharge planning based on mono- and partly interprofessional guidelines. An expert group of nurses, physicians and clinical social workers validated the content of the knowledge test. The test consists of 16 items covering different knowledge dimensions of discharge planning. In a quantitative study, 89 nurses and 48 physicians completed the knowledge test. We analysed the collected data descriptively and using analysis of variance (RM-ANOVA; mixed-ANOVAs). The descriptive analysis showed that both professional groups had satisfactory (physicians) to sufficient (nurses) knowledge of discharge planning. Regarding the difference in declarative and strategic knowledge across professional groups, it was observed that the participants differed to a moderate to strong extent. However, no effect was found regarding the professional groups (nurses vs. physicians) in terms of their declarative and strategic knowledge and the different knowledge dimensions. Similarly, it was observed that participants with different professional experience did not differ in terms of their declarative knowledge across different knowledge dimensions. However, participants with different professional experience did differ in terms of their strategic knowledge across different knowledge dimensions. An essential function of discharge planning is to collect and evaluate the observations, assessments, and actions of all involved professional groups. In Part 3 of this thesis, we propose a teaching tool for interprofessional patient handover for nurses. The tool is based on the concept of Entrustable Professional Activities (EPA) by ten Cate. To develop an EPA for interprofessional patient handover, we conducted an interview study. The aim was to develop the contents of the EPA from both a practical and theoretical perspective. We conducted 20 interviews with nurses and physicians, who described the interprofessional patient handover process step by step. The interviews were analyzed using the common procedure of content-structuring qualitative content analysis according to Kuckartz. Based on the analysis results, we developed a preliminary EPA for interprofessional patient handover for nurses, which we subsequently validated through a consensus round with experienced nurses and physicians. Our developed EPA Performing and/or receiving interprofessional patient handover is one of the first EPAs for nurses in Germany. It is based on an existing educational instrument from the National Competence-based Learning Objective Catalogue Medicine and can therefore be directly used in mono- and interprofessional education, as well as in practice.
Interprofessionelle Zusammenarbeit, Interprofessionelle Ausbildung, Pflege, EPA, Framework, Entlassungsmanagement
Witti, Matthias
2024
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Witti, Matthias (2024): Interprofessionelle Kommunikation im Aufgabenfeld der Entlassungsplanung. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Das deutsche Gesundheitssystem steht aufgrund des demographischen Wandels vor einschneidenden Veränderungen. Zur Sicherstellung und Förderung der Patientensicherheit sind neue Versorgungskonzepte notwendig. Dies soll unter anderem durch eine Stärkung des kompetenzorientierten Lehrens und Lernens mit interprofessionellen Inhalten sowie durch eine verstärkte interprofessionelle Praxisorientierung erreicht werden. Als Grundlage für die interprofessionelle Ausbildung werden mehrere, vor allem gesundheitspolitisch motivierte Kompetenzrahmenmodelle herangezogen. In der interprofessionellen Ausbildung fehlt jedoch bislang noch immer ein Rahmenkonzept, das es ermöglicht, kollaborative Problemlösungsprozesse über verschiedene Berufe in der Gesundheitsversorgung hinweg abzubilden. Deshalb schlagen wir in Teil eins dieser Arbeit ein solches Rahmenkonzept zur Darstellung und Operationalisierung von kollaborativen Problemlösefähigkeiten für den Kontext der interprofessionellen Gesundheitsausbildung und Zusammenarbeit vor. Aufbauend auf dem Rahmenkonzept in Teil eins konzentrieren wir uns auf zwei zentrale Schnittstellen im Gesundheitswesen, an denen es typischerweise zu interprofessioneller Zusammenarbeit kommt: einerseits das in Teil zwei besprochene Entlassungsmanagement eines Patienten auf einer Krankenhausstation und andererseits in Teil drei die dafür notwendige interprofessionelle Patientenübergabe zwischen der professionellen Pflege und der Ärzteschaft. Teil zwei der Arbeit fokussiert auf die Wissensbasis der oben genannten Gesundheitsberufe im Entlassungsmanagement. Ein Test zur Erfassung des deklarativen und strategischen Wissens zum Entlassungsmanagement wurde auf Basis von mono- und teils auch interprofessionellen Leitlinien zum Entlassungsmanagement entwickelt und anschließend von einer Expert*innengruppe aus Pflegefachkräften, Ärzt*innen und klinischen Sozialberater*innen inhaltlich validiert. Der Wissenstest umfasst insgesamt 16 Items und deckt unterschiedliche Wissensdimensionen des Entlassungsmanagements ab. Im Rahmen einer quantitativen Studie bearbeiteten 89 Pflegefachkräfte und 48 Ärzt*innen den Wissenstest. Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgte zum einen deskriptiv und zum anderen mittels Varianzanalysen (RM-ANOVA; mixed-ANOVAs). In der deskriptiven Auswertung zeigte sich, dass die untersuchten Berufsgruppen insgesamt über befriedigendes (Ärzt*innen) bis ausreichendes (Pflegefachkräften) Wissen zum Entlassungsmanagement verfügen. Bezüglich des Unterschieds hinsichtlich deklarativen und strategischen Wissen über die Berufsgruppen hinweg zeigte sich, dass sich die Teilnehmenden im moderaten bis starken Maße unterschieden. Allerdings konnte kein Effekt bezüglich der beiden Berufsgruppen (Pflegefachkräfte vs. Ärzt*innen) hinsichtlich ihres deklarativen und strategischen Wissens und den unterschiedlichen Wissensdimensionen festgestellt werden. Ebenso zeigte sich, dass sich die Teilnehmenden mit unterschiedlicher Berufserfahrung nicht hinsichtlich ihres deklarativen Wissens in den unterschiedlichen Wissensdimensionen unterschieden. Deutlich wurde jedoch, dass die Teilnehmenden mit unterschiedlicher Berufserfahrung in puncto strategischem Wissen in den unterschiedlichen Wissensdimensionen signifikante Unterschiede aufwiesen. Eine wesentliche Funktion des Entlassungsmanagements liegt darin, die Beobachtungen, Bewertungen und Handlungen aller involvierten Berufsgruppen zu sammeln und auszuwerten. Vor diesem Hintergrund schlagen wir in Teil drei dieser Arbeit ein Lehrinstrument zur interprofessionellen Patientenübergabe für Pflegefachkräfte vor. Das Instrument orientiert sich an dem Konzept der Entrustable Professional Activities (EPA) nach ten Cate. Zur Entwicklung einer EPA für die interprofessionelle Patientenübergabe wurde zunächst eine Interviewstudie durchgeführt. Ziel war es, die Inhalte der EPA sowohl aus Perspektive der Praxis als auch der Theorie zu entwickeln. Zu diesem Zweck wurden 20 Interviews mit praktizierenden Pflegefachkräften und Ärzt*innen geführt. Die Befragten wurden gebeten, den Arbeitsprozess der Patientenübergabe Schritt für Schritt zu beschreiben. Die Auswertung der Interviews erfolgte nach dem gängigen Ablaufschema der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Analysen konnte eine vorläufige EPA Interprofessionelle Patientenübergabe vornehmen und/oder entgegennehmen für Pflegefachkräfte entwickelt werden, die schließlich im Rahmen einer Konsensrunde mit erfahrenen Pflegefachkräften und Ärzt*innen validiert wurde. Mit der von uns entwickelten EPA Interprofessionelle Patientenübergabe vornehmen und/oder entgegennehmen haben wir eine der ersten EPAs für den professionellen Pflegeberuf in Deutschland vorgelegt. Zugleich lehnt sich unsere EPA an ein bestehendes Lehrinstrument aus dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) an und kann damit unmittelbar in der mono- und interprofessionellen Ausbildung sowie in der Praxis eingesetzt werden.

Abstract

The German healthcare system is facing significant changes due to demographic shifts. New care concepts are necessary to ensure and promote patient safety. This is intended to be achieved through strengthening competencybased teaching and learning with interprofessional teaching content, as well as through enhanced interprofessional practical orientation. Several competence framework models, mainly motivated by health policy, are used as the basis for interprofessional education. However, there is still a lack of a conceptual framework in interprofessional education that enables collaborative problemsolving processes across different healthcare professions. Therefore, in Part 1 of this thesis, we propose a conceptual framework for representing and operationalising collaborative problem-solving skills in the context of interprofessional education and collaboration in healthcare. Building on the conceptual framework in Part 1, we focus on two key interfaces in healthcare where interprofessional collaboration typically occurs: (2) the discharge planning of a patient from the hospital ward, and (3) the required interprofessional patient handover between nurses and physicians. Part 2 of the thesis focuses on the knowledge base of the aforementioned healthcare professionals in discharge planning. We developed a test to assess declarative and strategic knowledge of discharge planning based on mono- and partly interprofessional guidelines. An expert group of nurses, physicians and clinical social workers validated the content of the knowledge test. The test consists of 16 items covering different knowledge dimensions of discharge planning. In a quantitative study, 89 nurses and 48 physicians completed the knowledge test. We analysed the collected data descriptively and using analysis of variance (RM-ANOVA; mixed-ANOVAs). The descriptive analysis showed that both professional groups had satisfactory (physicians) to sufficient (nurses) knowledge of discharge planning. Regarding the difference in declarative and strategic knowledge across professional groups, it was observed that the participants differed to a moderate to strong extent. However, no effect was found regarding the professional groups (nurses vs. physicians) in terms of their declarative and strategic knowledge and the different knowledge dimensions. Similarly, it was observed that participants with different professional experience did not differ in terms of their declarative knowledge across different knowledge dimensions. However, participants with different professional experience did differ in terms of their strategic knowledge across different knowledge dimensions. An essential function of discharge planning is to collect and evaluate the observations, assessments, and actions of all involved professional groups. In Part 3 of this thesis, we propose a teaching tool for interprofessional patient handover for nurses. The tool is based on the concept of Entrustable Professional Activities (EPA) by ten Cate. To develop an EPA for interprofessional patient handover, we conducted an interview study. The aim was to develop the contents of the EPA from both a practical and theoretical perspective. We conducted 20 interviews with nurses and physicians, who described the interprofessional patient handover process step by step. The interviews were analyzed using the common procedure of content-structuring qualitative content analysis according to Kuckartz. Based on the analysis results, we developed a preliminary EPA for interprofessional patient handover for nurses, which we subsequently validated through a consensus round with experienced nurses and physicians. Our developed EPA Performing and/or receiving interprofessional patient handover is one of the first EPAs for nurses in Germany. It is based on an existing educational instrument from the National Competence-based Learning Objective Catalogue Medicine and can therefore be directly used in mono- and interprofessional education, as well as in practice.