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Psychosoziale Determinanten von Körperakzeptanz und Lebensqualität bei Frauen mit Adrenogenitalem Syndrom
Psychosoziale Determinanten von Körperakzeptanz und Lebensqualität bei Frauen mit Adrenogenitalem Syndrom
Beim Adrenogenitalen Syndrom (AGS) handelt es sich um eine der häufigsten autosomal-rezessiv vererbten Erkrankungen, welche durch Enzymdefekte zu einer Störung der Steroidsynthese führt. Das AGS ist charakterisiert durch einen Cortisol- und in schweren Fällen auch Aldosteronmangel, sowie einen ACTH vermittelten Androgenexzess. Die Erkrankung hat durch den Androgenexzess insbesondere für betroffene Frauen weitreichende Konsequenzen. So kommt es durch den pränatalen Androgenexzess in der embryonalen Entwicklung zur Virilisierung der äußeren Genitale, was häufig operative Eingriffe notwendig macht. Zudem leiden die Patientinnen häufiger unter Hirsutismus, Akne, Zyklusstörungen und auch Infertilität. Auch zeigt sich ein deutlicher psychosozialer Einfluss. Frauen mit AGS sind häufiger bi- oder homosexuell, befinden sich seltener in Partnerschaften, äußern häufiger Bedenken bezüglich Sexualität und sind unzufriedener mit ihrem Sexualleben. Außerdem berichten sie häufiger von erlebter Stigmatisierung in Bezug auf ihr Geschlecht und ihr körperliches Erscheinungsbild und zeigen häufiger Geschlechts-untypisches Verhalten. Die oben aufgeführten Gründe legen nahe, dass es bei betroffenen Frauen mit AGS zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität als auch der Körperakzeptanz kommen kann. Für die Therapie und Betreuung dieser Patientinnen sollten jedoch sowohl einzelne positive als auch negative Einflussfaktoren auf das Outcome der Patientinnen identifiziert werden, sodass diese gezielt verstärkt oder behoben werden können. Die Datenerhebung dieser klinischen, retrospektiven Studie erfolgte im Rahmen der dsd-LIFE Studie zu Varianten der Geschlechtsdifferenzierung in 14 spezialisierten Zentren in Europa und ermöglichte somit eine große Stichprobengröße von 203 Patientinnen mit AGS. Die Datenerhebung erfolgte mithilfe eines Fragebogens und einer optionalen körperlichen Untersuchung. Die Lebensqualität wurde anhand des WHOQOL-BREF erhoben, welcher die Domänen der physischen, psychischen, umweltbezogenen und sozialen Lebensqualität umfasst. Die Körperakzeptanz wurde anhand der Body-image Skala erhoben. Zusätzlich wurde die Zufriedenheit der Betroffenen mit der professionellen Betreuung und der sozialen Unterstützung in verschiedenen Lebensphasen abgefragt. Unserer Ergebnisse zeigten eine verminderte Körperakzeptanz bei Frauen mit AGS im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe. Außerdem fanden wir eine verminderte Lebensqualität in Bezug auf die physische, psychologische und soziale Lebensqualität im Vergleich zu einer gesunden Kontrollkohorte. Des Weiteren konnten wichtige psychosoziale Einflussfaktoren auf die Lebensqualität und Körperakzeptanz für Frauen mit AGS nachgewiesen werden. So konnte die Zufriedenheit mit der professionellen Betreuung in den letzten 12 Monaten als signifikant positiver Prädiktor für die Lebensqualität identifiziert werden. Unzufriedenheit mit der Betreuung im Kindes- und Jugendalter und mit der allgemeinen Unterstützung in verschiedenen Lebensphasen erwies sich als signifikant negativer Prädiktor für die Lebensqualität als auch Körperakzeptanz. Bezüglich psychologischer Betreuung zeigte sich, dass mit etwa 18% der befragten Patientinnen nur ein geringer Anteil eine solche psychologische Betreuung in der Kindheit und Jugend, sowie im Erwachsenenalter erhalten hatten. Zusammenfassend fanden wir in unserer Kohorte eine verminderte Lebensqualität und Körperakzeptanz bei Frauen mit AGS. Beide Endpunkte dieser Studie scheinen maßgeblich durch die Zufriedenheit der Patientinnen mit der erhaltenen professionellen Betreuung und sozialen Unterstützung über die Lebensspanne beeinflusst zu sein. Für eine optimale Betreuung dieser Patientinnen über die gesamte Lebensspanne sollte eine Anbindung an ein spezialisiertes Zentrum mit einem multidisziplinären Therapiekonzept erfolgen. Insbesondere die Schulung für sensible Themen, sowie die Sensibilisierung des sozialen Umfelds und der Angehörigen sollte hierbei berücksichtigt werden. Zudem zeigen unsere Daten einen deutlichen Mangel an psychologischer Betreuung der Patientinnen. Sowohl Betroffenen als auch Angehörigen sollte wiederholt psychologische Unterstützung angeboten werden.
AGS, Lebensqualität, Körperakzeptanz
Tschaidse, Lea
2024
German
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Tschaidse, Lea (2024): Psychosoziale Determinanten von Körperakzeptanz und Lebensqualität bei Frauen mit Adrenogenitalem Syndrom. Dissertation, LMU München: Faculty of Medicine
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Abstract

Beim Adrenogenitalen Syndrom (AGS) handelt es sich um eine der häufigsten autosomal-rezessiv vererbten Erkrankungen, welche durch Enzymdefekte zu einer Störung der Steroidsynthese führt. Das AGS ist charakterisiert durch einen Cortisol- und in schweren Fällen auch Aldosteronmangel, sowie einen ACTH vermittelten Androgenexzess. Die Erkrankung hat durch den Androgenexzess insbesondere für betroffene Frauen weitreichende Konsequenzen. So kommt es durch den pränatalen Androgenexzess in der embryonalen Entwicklung zur Virilisierung der äußeren Genitale, was häufig operative Eingriffe notwendig macht. Zudem leiden die Patientinnen häufiger unter Hirsutismus, Akne, Zyklusstörungen und auch Infertilität. Auch zeigt sich ein deutlicher psychosozialer Einfluss. Frauen mit AGS sind häufiger bi- oder homosexuell, befinden sich seltener in Partnerschaften, äußern häufiger Bedenken bezüglich Sexualität und sind unzufriedener mit ihrem Sexualleben. Außerdem berichten sie häufiger von erlebter Stigmatisierung in Bezug auf ihr Geschlecht und ihr körperliches Erscheinungsbild und zeigen häufiger Geschlechts-untypisches Verhalten. Die oben aufgeführten Gründe legen nahe, dass es bei betroffenen Frauen mit AGS zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität als auch der Körperakzeptanz kommen kann. Für die Therapie und Betreuung dieser Patientinnen sollten jedoch sowohl einzelne positive als auch negative Einflussfaktoren auf das Outcome der Patientinnen identifiziert werden, sodass diese gezielt verstärkt oder behoben werden können. Die Datenerhebung dieser klinischen, retrospektiven Studie erfolgte im Rahmen der dsd-LIFE Studie zu Varianten der Geschlechtsdifferenzierung in 14 spezialisierten Zentren in Europa und ermöglichte somit eine große Stichprobengröße von 203 Patientinnen mit AGS. Die Datenerhebung erfolgte mithilfe eines Fragebogens und einer optionalen körperlichen Untersuchung. Die Lebensqualität wurde anhand des WHOQOL-BREF erhoben, welcher die Domänen der physischen, psychischen, umweltbezogenen und sozialen Lebensqualität umfasst. Die Körperakzeptanz wurde anhand der Body-image Skala erhoben. Zusätzlich wurde die Zufriedenheit der Betroffenen mit der professionellen Betreuung und der sozialen Unterstützung in verschiedenen Lebensphasen abgefragt. Unserer Ergebnisse zeigten eine verminderte Körperakzeptanz bei Frauen mit AGS im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe. Außerdem fanden wir eine verminderte Lebensqualität in Bezug auf die physische, psychologische und soziale Lebensqualität im Vergleich zu einer gesunden Kontrollkohorte. Des Weiteren konnten wichtige psychosoziale Einflussfaktoren auf die Lebensqualität und Körperakzeptanz für Frauen mit AGS nachgewiesen werden. So konnte die Zufriedenheit mit der professionellen Betreuung in den letzten 12 Monaten als signifikant positiver Prädiktor für die Lebensqualität identifiziert werden. Unzufriedenheit mit der Betreuung im Kindes- und Jugendalter und mit der allgemeinen Unterstützung in verschiedenen Lebensphasen erwies sich als signifikant negativer Prädiktor für die Lebensqualität als auch Körperakzeptanz. Bezüglich psychologischer Betreuung zeigte sich, dass mit etwa 18% der befragten Patientinnen nur ein geringer Anteil eine solche psychologische Betreuung in der Kindheit und Jugend, sowie im Erwachsenenalter erhalten hatten. Zusammenfassend fanden wir in unserer Kohorte eine verminderte Lebensqualität und Körperakzeptanz bei Frauen mit AGS. Beide Endpunkte dieser Studie scheinen maßgeblich durch die Zufriedenheit der Patientinnen mit der erhaltenen professionellen Betreuung und sozialen Unterstützung über die Lebensspanne beeinflusst zu sein. Für eine optimale Betreuung dieser Patientinnen über die gesamte Lebensspanne sollte eine Anbindung an ein spezialisiertes Zentrum mit einem multidisziplinären Therapiekonzept erfolgen. Insbesondere die Schulung für sensible Themen, sowie die Sensibilisierung des sozialen Umfelds und der Angehörigen sollte hierbei berücksichtigt werden. Zudem zeigen unsere Daten einen deutlichen Mangel an psychologischer Betreuung der Patientinnen. Sowohl Betroffenen als auch Angehörigen sollte wiederholt psychologische Unterstützung angeboten werden.