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Circadiane Rhythmen und Ihr Einfluss auf die Überlebensfähigkeit, Differenzierung und Stressresistenz eines Zellkulturmodells für gealterte Nervenzellen
Circadiane Rhythmen und Ihr Einfluss auf die Überlebensfähigkeit, Differenzierung und Stressresistenz eines Zellkulturmodells für gealterte Nervenzellen
Mit der stetig steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung steigt auch die Prävalenz der Alzheimerdemenz und anderer altersabhängiger neurodegenerativen Erkrankungen an. Diese Erkrankungen belasten nicht nur die jeweiligen Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige, sondern auch das Gesundheitswesen. Trotz intensiver Forschungsbemühungen seit über 100 Jahren, welche sich primär auf bei diesen Erkrankungen pathologischerweise vorhandene Proteinaggregate stützten, sind die therapeutischen Möglichkeiten, neurodegenerative Erkrankungen zu verlangsamen, zu heilen oder gar zu verhindern sehr gering. Einen Perspektivenwechsel vornehmend weisen Forschungsergebnisse zunehmend auf einen systemischen Zusammenhang von neurodegenerativen Erkrankungen mit chronischen Entzündungsprozessen, Störungen von Metabolismus, Inflammation, oxidativem Stress und anderen systemischen Krankheitsursachen hin. Da diese Prozesse durch circadiane Rhythmen in hohem Maße mitbeeinflusst werden, überrascht es nicht, dass zunehmend auch Zusammenhänge zwischen Störungen circadianer Rhythmik und dem Auftreten neurodegenerativer Erkrankungen in den Blick neurowissenschaftlicher Forschung geraten. Die Hypothese dieser Arbeit ist daher, dass sich Störungen der circadianen Rhythmik schädlich auf die Resistenz gegenüber Sauerstoffradikalen, die Protein-Homöostase, sowie die Gesundheit und das generelle Überleben von Säugetier-Nervenzellen auswirken. Um diese Hypothese zu überprüfen, wurden die bereits als Modell etablierten murinen Neuroblastomzellen der N2a-Linie verwendet, welche durch die Zugabe eines Histon-Deacetylasehemmer (LBH-589) und die Reduktion des Serumgehalts im Nährmedium in einen Zustand künstlicher Zellalterung (Seneszenz) versetzt wurden. Anschließend wurden die Zellen unterschiedlichen Temperaturbedingungen ausgesetzt (konstant 37°C, konstant 34 °C, zyklischer Wechsel im 12-Stunden-Rhythmus zwischen 34 °C und 37 °C). In der Population mit zyklischen Konditionen wird damit eine Synchronisierung (Entrainment) der „inneren Uhr“ erreicht, welche die Synchronisierung zellphysiologischer Vorgänge zur Folge hat. Nach 10 bzw. 11 Tagen unter diesen Bedingungen wurden die Zellen auf ihre die Differenzierungsfähigkeit (Ausbildung von Nervenzellfortsätzen, Konnektivität der Zellen, Exprimierung neuronenspezifischer Proteine), die Überlebensfähigkeit und die Überlebensfähigkeit unter Bedingungen von oxidativem Stress hin untersucht. Dabei zeigte sich bezüglich der Fähigkeit zur Differenzierung, dass die Ausbildung neuronentypischer Zellfortsätze (Axone und Dendriten) durch die Umgebungstemperatur beeinflusst wird. Allerdings zeigte sich kein Vorteil einer zyklisch-wechselnden Umgebungstemperatur gegenüber einer konstant niedrigen Temperatur von 34 °C. Bezüglich der Exprimierung neuronenspezifischer Unterschiede konnte kein Unterschied zwischen den Temperaturbedingungen festgestellt werden. Die basale Überlebensfähigkeit der Zellen unterschied sich in dem hier verwendeten Setting ebenso nicht wesentlich voneinander. Allerdings konnte ein deutlicher Unterschied hinsichtlich der Überlebensfähigkeit der Zellen unter Bedingungen oxidativen Stresses nachgewiesen werden. Dies weist auf eine zentrale Rolle intakter circadianer Rhythmizität für die Aufrechterhaltung der zellulären Homöostase und der Resistenz gegenüber oxidativem Stress in Nervenzellen hin. Diese Hinweise sollte in weiteren Forschungsarbeiten zum Thema weiterverfolgt werden. Da oxidativer Stress aber auch eine wichtige Rolle bei kardiovaskulären Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, metabolischen Erkrankungen und der Krebsentstehung zugeschrieben wird, haben die Ergebnisse dieser Arbeit auch für diese Krankheitsentitäten interessante Implikationen. So böte sich hier für zukünftige Forschungsbemühungen der Versuch an, das Experiment mit verschiedenen Zellen nichtneuronalen Ursprungs zu wiederholen, um möglicherweise auch hier Hinweise für eine Mitbeteiligung gestörter circadianer Systeme an der Pathogenese zu finden aus denen sich dann entsprechende Präventions- und Therapieangebote ableiten ließen.
Innere Uhr, Clock, Neurodegeneration, Alzheimer, Parkinson, Seneszenz, Alterung, Zellkultur, Komplexität, Paradigmenwechsel, Kuhn, Reduktionismus, Descartes, Narrativ, mechanistisch, Unity, Einheit der Welt, Nondualismus, Psychedelika
Englberger, Stephan
2024
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Englberger, Stephan (2024): Circadiane Rhythmen und Ihr Einfluss auf die Überlebensfähigkeit, Differenzierung und Stressresistenz eines Zellkulturmodells für gealterte Nervenzellen. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Mit der stetig steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung steigt auch die Prävalenz der Alzheimerdemenz und anderer altersabhängiger neurodegenerativen Erkrankungen an. Diese Erkrankungen belasten nicht nur die jeweiligen Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige, sondern auch das Gesundheitswesen. Trotz intensiver Forschungsbemühungen seit über 100 Jahren, welche sich primär auf bei diesen Erkrankungen pathologischerweise vorhandene Proteinaggregate stützten, sind die therapeutischen Möglichkeiten, neurodegenerative Erkrankungen zu verlangsamen, zu heilen oder gar zu verhindern sehr gering. Einen Perspektivenwechsel vornehmend weisen Forschungsergebnisse zunehmend auf einen systemischen Zusammenhang von neurodegenerativen Erkrankungen mit chronischen Entzündungsprozessen, Störungen von Metabolismus, Inflammation, oxidativem Stress und anderen systemischen Krankheitsursachen hin. Da diese Prozesse durch circadiane Rhythmen in hohem Maße mitbeeinflusst werden, überrascht es nicht, dass zunehmend auch Zusammenhänge zwischen Störungen circadianer Rhythmik und dem Auftreten neurodegenerativer Erkrankungen in den Blick neurowissenschaftlicher Forschung geraten. Die Hypothese dieser Arbeit ist daher, dass sich Störungen der circadianen Rhythmik schädlich auf die Resistenz gegenüber Sauerstoffradikalen, die Protein-Homöostase, sowie die Gesundheit und das generelle Überleben von Säugetier-Nervenzellen auswirken. Um diese Hypothese zu überprüfen, wurden die bereits als Modell etablierten murinen Neuroblastomzellen der N2a-Linie verwendet, welche durch die Zugabe eines Histon-Deacetylasehemmer (LBH-589) und die Reduktion des Serumgehalts im Nährmedium in einen Zustand künstlicher Zellalterung (Seneszenz) versetzt wurden. Anschließend wurden die Zellen unterschiedlichen Temperaturbedingungen ausgesetzt (konstant 37°C, konstant 34 °C, zyklischer Wechsel im 12-Stunden-Rhythmus zwischen 34 °C und 37 °C). In der Population mit zyklischen Konditionen wird damit eine Synchronisierung (Entrainment) der „inneren Uhr“ erreicht, welche die Synchronisierung zellphysiologischer Vorgänge zur Folge hat. Nach 10 bzw. 11 Tagen unter diesen Bedingungen wurden die Zellen auf ihre die Differenzierungsfähigkeit (Ausbildung von Nervenzellfortsätzen, Konnektivität der Zellen, Exprimierung neuronenspezifischer Proteine), die Überlebensfähigkeit und die Überlebensfähigkeit unter Bedingungen von oxidativem Stress hin untersucht. Dabei zeigte sich bezüglich der Fähigkeit zur Differenzierung, dass die Ausbildung neuronentypischer Zellfortsätze (Axone und Dendriten) durch die Umgebungstemperatur beeinflusst wird. Allerdings zeigte sich kein Vorteil einer zyklisch-wechselnden Umgebungstemperatur gegenüber einer konstant niedrigen Temperatur von 34 °C. Bezüglich der Exprimierung neuronenspezifischer Unterschiede konnte kein Unterschied zwischen den Temperaturbedingungen festgestellt werden. Die basale Überlebensfähigkeit der Zellen unterschied sich in dem hier verwendeten Setting ebenso nicht wesentlich voneinander. Allerdings konnte ein deutlicher Unterschied hinsichtlich der Überlebensfähigkeit der Zellen unter Bedingungen oxidativen Stresses nachgewiesen werden. Dies weist auf eine zentrale Rolle intakter circadianer Rhythmizität für die Aufrechterhaltung der zellulären Homöostase und der Resistenz gegenüber oxidativem Stress in Nervenzellen hin. Diese Hinweise sollte in weiteren Forschungsarbeiten zum Thema weiterverfolgt werden. Da oxidativer Stress aber auch eine wichtige Rolle bei kardiovaskulären Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, metabolischen Erkrankungen und der Krebsentstehung zugeschrieben wird, haben die Ergebnisse dieser Arbeit auch für diese Krankheitsentitäten interessante Implikationen. So böte sich hier für zukünftige Forschungsbemühungen der Versuch an, das Experiment mit verschiedenen Zellen nichtneuronalen Ursprungs zu wiederholen, um möglicherweise auch hier Hinweise für eine Mitbeteiligung gestörter circadianer Systeme an der Pathogenese zu finden aus denen sich dann entsprechende Präventions- und Therapieangebote ableiten ließen.