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Klinische und pathophysiologische Aspekte neurodegenerativer Tauopathien
Klinische und pathophysiologische Aspekte neurodegenerativer Tauopathien
Ungeachtet des enormen Wissenszuwachses speziell in den vergangenen zwei Jahrzehnten stellen uns neurodegenerative Erkrankungen weiterhin in vielen Bereichen – von der Pathophysiologie bis zur medizinischen Versorgungsstruktur – vor enorme Herausforderungen. Wenngleich gerade die Pathophysiologie dieser Erkrankungen immer präziser und umfassender charakterisiert wird, verdeutlicht das Fehlen verlaufsmodifizierender Therapien für Tauopathien und Synukleinopathien, dass das komplexe Zusammenspiel der zahlreichen potenziell krankheitsrelevanten Einflussfaktoren weiterhin unzureichend verstanden ist. Insbesondere der im Rahmen dieser Arbeit dargestellte differenzielle Effekt der Phosphorylierung auf die Aggregationsneigung und Membranaffinität der Proteine Tau und αSyn kann hierzu einen Beitrag leisten. Die Beobachtung, dass durch Phosphorylierung und limitierte Proteolyse die Aggregationsneigung in Gegenwart dreiwertiger Metallionen bei beiden Proteinen deutlich gesteigert ist, schafft eine Verbindung zwischen früher Oligomer-Bildung und dem vielfach mit Neurodegeneration in Zusammenhang gebrachten oxidativen Stress. Der differentielle Effekt der Phosphorylierung auf die Membranbindung dieser Oligomere mit erhöhter Membranaffinität des Tau-Proteins und verminderter Affinität für αSyn kann auf unterschiedliche toxische Wirkungen dieser Oligomere hinweisen. Insgesamt unterstreichen diese Beobachtungen, dass Metallionen-induzierte Oligomere eine lohnende Zielstruktur der experimentell-pharmakologischen Entwicklung darstellen. Für die klinische Versorgung von Menschen mit einer Progressiven Supranukleären Blickparese leistet die Arbeit einen Beitrag zur Differentialdiagnostik und regt Verbesserungen in der psychosozialen Versorgung von Menschen mit atypischen Parkinson-Syndromen an. Die Mitwirkung an Projekten zur Evaluation von FDG-PET und Ganganalyse in der Differentialdiagnose der PSP liefert weitere diagnostische Optionen im klinischen Versorgungsalltag. Eine Verbesserung der pharmakologischen Therapie konnte mit der PROSPERA-Studie zur Erprobung von Rasagilin bei PSP aufgrund des fehlenden Wirknachweises zwar nicht erbracht werden; jedoch liefert die Studie wertvolle Daten zur Planung zukünftiger pharmakologischer Studien, sowie erste Sicherheitsdaten zur Anwendung dopaminerger Substanzen bei PSP. Die Beobachtung eines hohen Anteils atypischer Parkinson-Syndrome bei assistierten Suiziden, und insbesondere die hier festgestellte frühe Antragsstellung meist im ersten Jahr nach Diagnosestellung, mahnt eine ausführlichere Untersuchung psychosozialer Belastungsfaktoren bei atypischen Parkinson-Syndromen im Umfeld der Diagnosestellung sowie eine aktive Exploration von Suizidalität in diesen Situationen an. Ebenfalls auf eine Verbesserung der Patientenversorgung ausgerichtet sind die Untersuchungen zur Alzheimer-Demenz bei Menschen mit einem Down-Syndrom. Die Etablierung der ersten neurologisch geführten Ambulanz speziell für dieses Krankheitsbild erforderte klinische Grundlagenarbeit wie die Etablierung eines zuverlässigen Diagnose-Algorithmus für die Alzheimer-Demenz bei Trisomie 21. Um Menschen mit einem Down-Syndrom Zugang zu internationaler Forschungsentwicklung zu ermöglichen, war zudem die Verfügbarmachung international etablierter Skalen wie der CAMDEX-DS notwendig. Aufbauend auf diese Vorarbeiten gelang ein erster wichtiger Beitrag zur Charakterisierung diagnostischer und prognostischer Biomarker, speziell der Neurofilament-Leichtkette im Blutplasma, im Rahmen einer internationalen Kollaboration. Insgesamt leistet die hier vorgestellte Arbeit einen Beitrag zum Verständnis neurodegenerativer Erkrankungen, speziell der Tauopathien, sowohl auf der Ebene der molekularen Pathophysiologie als auch hinsichtlich des Versorgungsbedarfs und -von Therapieoptionen im klinischen Alltag.
Tau, Synuklein, Alzheimer Demenz, Progressive Supranukleäre Blickparese, Biomarker
Nübling, Georg Sebastian Otto
2023
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Nübling, Georg Sebastian Otto (2023): Klinische und pathophysiologische Aspekte neurodegenerativer Tauopathien. Habilitationsschrift, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Ungeachtet des enormen Wissenszuwachses speziell in den vergangenen zwei Jahrzehnten stellen uns neurodegenerative Erkrankungen weiterhin in vielen Bereichen – von der Pathophysiologie bis zur medizinischen Versorgungsstruktur – vor enorme Herausforderungen. Wenngleich gerade die Pathophysiologie dieser Erkrankungen immer präziser und umfassender charakterisiert wird, verdeutlicht das Fehlen verlaufsmodifizierender Therapien für Tauopathien und Synukleinopathien, dass das komplexe Zusammenspiel der zahlreichen potenziell krankheitsrelevanten Einflussfaktoren weiterhin unzureichend verstanden ist. Insbesondere der im Rahmen dieser Arbeit dargestellte differenzielle Effekt der Phosphorylierung auf die Aggregationsneigung und Membranaffinität der Proteine Tau und αSyn kann hierzu einen Beitrag leisten. Die Beobachtung, dass durch Phosphorylierung und limitierte Proteolyse die Aggregationsneigung in Gegenwart dreiwertiger Metallionen bei beiden Proteinen deutlich gesteigert ist, schafft eine Verbindung zwischen früher Oligomer-Bildung und dem vielfach mit Neurodegeneration in Zusammenhang gebrachten oxidativen Stress. Der differentielle Effekt der Phosphorylierung auf die Membranbindung dieser Oligomere mit erhöhter Membranaffinität des Tau-Proteins und verminderter Affinität für αSyn kann auf unterschiedliche toxische Wirkungen dieser Oligomere hinweisen. Insgesamt unterstreichen diese Beobachtungen, dass Metallionen-induzierte Oligomere eine lohnende Zielstruktur der experimentell-pharmakologischen Entwicklung darstellen. Für die klinische Versorgung von Menschen mit einer Progressiven Supranukleären Blickparese leistet die Arbeit einen Beitrag zur Differentialdiagnostik und regt Verbesserungen in der psychosozialen Versorgung von Menschen mit atypischen Parkinson-Syndromen an. Die Mitwirkung an Projekten zur Evaluation von FDG-PET und Ganganalyse in der Differentialdiagnose der PSP liefert weitere diagnostische Optionen im klinischen Versorgungsalltag. Eine Verbesserung der pharmakologischen Therapie konnte mit der PROSPERA-Studie zur Erprobung von Rasagilin bei PSP aufgrund des fehlenden Wirknachweises zwar nicht erbracht werden; jedoch liefert die Studie wertvolle Daten zur Planung zukünftiger pharmakologischer Studien, sowie erste Sicherheitsdaten zur Anwendung dopaminerger Substanzen bei PSP. Die Beobachtung eines hohen Anteils atypischer Parkinson-Syndrome bei assistierten Suiziden, und insbesondere die hier festgestellte frühe Antragsstellung meist im ersten Jahr nach Diagnosestellung, mahnt eine ausführlichere Untersuchung psychosozialer Belastungsfaktoren bei atypischen Parkinson-Syndromen im Umfeld der Diagnosestellung sowie eine aktive Exploration von Suizidalität in diesen Situationen an. Ebenfalls auf eine Verbesserung der Patientenversorgung ausgerichtet sind die Untersuchungen zur Alzheimer-Demenz bei Menschen mit einem Down-Syndrom. Die Etablierung der ersten neurologisch geführten Ambulanz speziell für dieses Krankheitsbild erforderte klinische Grundlagenarbeit wie die Etablierung eines zuverlässigen Diagnose-Algorithmus für die Alzheimer-Demenz bei Trisomie 21. Um Menschen mit einem Down-Syndrom Zugang zu internationaler Forschungsentwicklung zu ermöglichen, war zudem die Verfügbarmachung international etablierter Skalen wie der CAMDEX-DS notwendig. Aufbauend auf diese Vorarbeiten gelang ein erster wichtiger Beitrag zur Charakterisierung diagnostischer und prognostischer Biomarker, speziell der Neurofilament-Leichtkette im Blutplasma, im Rahmen einer internationalen Kollaboration. Insgesamt leistet die hier vorgestellte Arbeit einen Beitrag zum Verständnis neurodegenerativer Erkrankungen, speziell der Tauopathien, sowohl auf der Ebene der molekularen Pathophysiologie als auch hinsichtlich des Versorgungsbedarfs und -von Therapieoptionen im klinischen Alltag.