Stößlein, Sophie Marie (2023): Die komplexe Versorgung schwerkranker Kinder im stationären Setting und die daraus resultierenden Herausforderungen und Bedürfnisse ihrer Eltern. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät |
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Abstract
Hintergrund: Die Prävalenz von Kindern und Jugendlichen mit lebensverkürzenden Erkrankungen (Life Limiting Conditions, LLC) nimmt zu. Viele der Patient:innen er-leben im Verlauf ihrer Erkrankung regelmäßig medizinische Krisen, welche einen Krankenhausaufenthalt erfordern. Ihre Eltern werden dabei zu wichtigen Unterstüt-zenden in der Versorgung. Daten über die medizinische Komplexität, den Aufwand in Pflege und Versorgung der Patient:innen sowie das Erleben des stationären Auf-enthaltes aus der Perspektive ihrer Eltern sind rar. Ziel der Studie: Ziel der Studie ist es, die Patient:innen- und Versorgungscharakte-ristika auf einer spezialisierten Station für Kinder und Jugendliche mit LLC darzu-stellen, um Hinweise auf die Komplexität in ihrer Versorgung und auf die Relevanz spezialisierter Strukturen zu erlangen. Aus der Versorgungsanalyse sowie Inter-views mit Eltern sollen Hypothesen generiert werden, um den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen mit LLC sowie ihren Eltern im stationären Setting besser gerecht werden zu können. Methodik: Die Studie beinhaltet die retrospektive Analyse und deskriptive Auswer-tung der Daten von 487 Aufnahmen (201 individuelle Patient:innen) einer speziali-sierten pädiatrischen Palliativstation, einschließlich demografischer und klinischer Daten sowie Versorgungscharakteristika in einem Zeitraum von April 2016 bis No-vember 2020. Zudem erfolgte die Durchführung von semistrukturierten Interviews mit systematischer Auswahl der 10 befragten Elternteile (7 Mütter, 3 Väter). Die In-terviewauswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz. Ergebnisse: Die Analyse der Patient:innendaten zeigte eine große Heterogenität und Versorgungskomplexität. Das Alter der Patient:innen bei der Aufnahme reichte von 1 Tag bis 35,3 Jahre (Median 4,8 Jahre, 19%<1 Jahr, 12%>18 Jahre). 66% wurden von einem Team der spezialisierten ambulanten pädiatrischen Palliativver-sorgung (SAPPV) eingewiesen, 9% wurden von einer Intensivstation zuverlegt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 11 Tage (Range 1-186). In 78% der Fälle wurden die Patient:innen nach Hause entlassen. In 11% verstarb der/die Patient:in auf der Station (27% der individuellen Patient:innen). Die häufigsten Diagnosen waren nach ICD-10 Erkrankungen des Nervensystems (38%) sowie kongenitale Anomalien (34%). Nur 7% litten an einer onkologischen Erkrankung. Von den onko-logisch erkrankten Patient:innen verstarben die meisten auf der Kinderpalliativstati-on (79%). Die vorherrschenden akuten Symptome waren Dyspnoe (61%), gastroin-testinale Symptome (58%) und Schmerzen (54%). In 79% der Fälle waren die Pati-ent:innen auf medizinische Devices angewiesen (Atemunterstützung 29%, Ernäh-rungssonde 71%). Die Auswertung der Interviews mit Müttern und Vätern von Kindern und Jugendli-chen mit LLC erlaubt im Rahmen der Studie einen Einblick in die Versorgungsstruk-turen einer Kinderklinik aus der Perspektive von Eltern. Der Aufenthalt in einer Kin-derklinik stellt für die Patient:innen und ihre Familien eine Ausnahmesituation dar. Eltern werden zu Expert:innen für ihr Kind und erlernen teilweise komplexe, medi-zinische Handlungen, um ihr Kind versorgen zu können. Sie haben das Bedürfnis nach mehr Entlastung und Unterstützung während eines Aufenthalts in einer Kin-derklinik. Eltern berichten von fachlicher und emotionaler Überforderung seitens der Fachkräfte. Zudem erleben Eltern einen deutlichen Mangel an Fachkräften und eine dadurch bedingte erhebliche eigene Belastung in der Versorgung des Kindes. Als entlastend empfinden sie eine hohe fachliche Kompetenz und persönliches En-gagement der Fachkräfte. Wichtig ist für sie weiterhin eine ehrliche und respektvolle Kommunikation auf Augenhöhe sowie eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Kind im Fokus. Diskussion: Die vorliegende Studie zeigt die Komplexität und Heterogenität in der stationären Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit LLC und mit welchen Herausforderungen sich ihre Eltern dabei konfrontiert sehen. Die medizinische Komplexität der Patient:innen erfordert regelmäßige Krankenhausaufenthalte und dabei häufig die Aufnahme auf eine Intensivstation, welche für sie und ihre Eltern sehr belastend sein kann. Es gilt Konzepte zu entwickeln, wie Eltern in die stationä-re Versorgung ihrer Kinder integriert und dabei in ihrer Kompetenz gestärkt werden können. Um den Bedürfnissen der Patient:innen und Familien, welche sich aus ih-rer medizinischen Komplexität und den Erfahrungen ihrer Eltern ableiten lassen, begegnen zu können, sind spezialisierte Versorgungsstrukturen und Fachkräfte notwendig.
Dokumententyp: | Dissertationen (Dissertation, LMU München) |
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Themengebiete: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin und Gesundheit |
Fakultäten: | Medizinische Fakultät |
Sprache der Hochschulschrift: | Deutsch |
Datum der mündlichen Prüfung: | 6. Juli 2023 |
1. Berichterstatter:in: | Führer, Monika |
MD5 Prüfsumme der PDF-Datei: | 96e962e5ec20701c232289ae4b9b05c8 |
Signatur der gedruckten Ausgabe: | 0700/UMD 22330 |
ID Code: | 32078 |
Eingestellt am: | 07. Jul. 2025 12:39 |
Letzte Änderungen: | 07. Jul. 2025 12:39 |