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Multidisziplinäre biopsychosoziale Therapie bei Patienten mit chronischen Nackenschmerzen in einer Tagesklinik. Ergebnisse einer prospektiven 1-jährigen Verlaufsstudie und prognostische Faktoren für größere Therapieeffekte
Multidisziplinäre biopsychosoziale Therapie bei Patienten mit chronischen Nackenschmerzen in einer Tagesklinik. Ergebnisse einer prospektiven 1-jährigen Verlaufsstudie und prognostische Faktoren für größere Therapieeffekte
Ziel dieser naturalistischen, prospektiven Kohortenstudie war es, die Therapieeffekte eines 3-wöchigen multidisziplinären ganztägig ambulanten Therapieprogramms für Patienten mit chronischen Nackenschmerzen und prognostische Faktoren für ein besseres Therapieergebnis in Bezug auf Schmerz und Behinderung zu identifizieren. Dieses Therapieprogramm wurde in der Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Ludwig-Maximilians-Universität München, Standort Großhadern durchgeführt. Es erfolgte die Auswertung von Daten des Behandlungsschwerpunktes „Halswirbelsäule“ der Jahre 2005 bis 2012. Bei multimodalen Rehabilitationsprogrammen steht der biopsychosoziale Aspekt im Mittelpunkt mit dem Ziel der funktionalen Wiederherstellung und Schmerzlinderung. Dieses soll mithilfe von somatischen, physikalischen, psychologischen oder psychotherapeutischen Therapieformen sowie von Patientenschulung erreicht werden. In der ersten Veröffentlichung wurden zum einen die kurzfristigen Effekte des eingangs beschriebenen Programmes direkt nach Therapieende und zum anderen die Ergebnisse nach 12 Monaten untersucht. Grundlage hierfür waren international validierte Gesundheitsfragebögen, die von den Patienten ausgefüllt wurden. Diese beinhalteten den krankheitsspezifischen Fragebogen der North American Spine Society (NASS) zur Beurteilung von Schmerz, Funktion und neurologischen Symptomen, den Short Form-36 zur Beurteilung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, eine numerische Schmerzskala, die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) zur Beurteilung von Angst und Depression sowie jeweils ein Fragebogen zu Komorbiditäten und zur Soziodemographie. Das Therapieprogramm haben insgesamt 127 Patienten durchlaufen. Davon haben 113 Personen schriftlich ihr Einverständnis zur Teilnahme an dieser Studie und der Verarbeitung ihrer anonymisierten Daten abgegeben. Von 81 Patienten standen analysierbare periinterventionelle Daten zur Verfügung. Die Nachbeobachtungsrate betrug nach einem Jahr 79%. Da bereits eine Erhebung zu einem Assessment vor Therapiebeginn erfolgte, war es möglich, die Veränderung des Gesundheitsstatus während der Wartezeit, entsprechend dem natürlichen Verlauf von chronischen Nackenschmerzen, mit der Veränderung zwischen Beginn der Therapie und dem ersten Follow-up intraindividuell zu vergleichen. Veränderungen wurden mittels Effektstärkenberechnungen quantifiziert. Diese Effektstärke ergibt sich aus der durchschnittlichen Veränderung zwischen dem Behandlungsbeginn (T1) und dem Nachbeobachtungszeitpunkt (T2) geteilt durch die Standardabweichung der Ausgangswerte (T0). Es wurden zunächst grobe Veränderungswerte zwischen T1 und T2 sowie Effektstärken für T2 berechnet. Dann kontrollierten wir die Änderungswerte mithilfe von korrigierten Wartezeitänderungen, um die Auswirkungen zu erhalten, die auf das Rehabilitationsprogramm zurückzuführen sind. Als Ergebnis konnte gezeigt werden, dass Patienten direkt nach der Intervention in Bezug auf den primären Endpunkt Schmerz und Behinderung des NASS-Fragebogens signifikant profitierten. Auch die sekundären Endpunkte wie neurologische Symptome, allgemeine Gesundheit und depressive Symptome zeigten eine signifikante Verbesserung. Weiterhin konnte belegt werden, dass diese Verbesserungen auch bis zu einem Jahr nach der Intervention anhielten. Folglich konnte demonstriert werden, dass dies ein effektives multidisziplinäres Therapieprogramm für Patienten mit chronischen Nackenschmerzen in Bezug auf Schmerz und Behinderung ist. Im zweiten Artikel wurden prognostische Faktoren eines besseren Outcomes des o.g. multidisziplinären Therapieprogramms in Bezug auf Schmerz und Behinderung untersucht. Hierfür wurden zu den eben genannten Daten der Patientenfragebögen auch Ergebnisse eines standardisierten Testes der Halswirbelsäulenbeweglichkeit mit einem validen Messgerät (CROM-Messgerät) inkludiert. Zunächst konnte dargestellt werden, dass sich Patienten in Bezug auf die gesamte Beweglichkeit der HWS nach der Intevention signifikant verbesserten. Mittels multivariater linearer Regression wurden anschließend verschiedene potentielle Faktoren untersucht. Hier wurde die Verbesserung im Vergleich zu den Ausgangswerten von Schmerz und Behinderung der NASS Scala als abhängige Variable zum Zeitpunkt des Endes der Therapie und nach 6 Monaten festgelegt. Unabhängige Variablen wurden anhand von bekannten prognostischen und Risikofaktoren aus vorangegangener Forschung und aus der klinischen Erfahrung ausgewählt. Es konnten folgende prognostische Faktoren direkt nach dem Therapieende nachgewiesen werden: Schlechtere Werte von Schmerz und Behinderung vor Behandlungsbeginn, höheres Alter, stärkere Verbesserung in der allgemeinen psychischen Gesundheit, bessere Baseline-Halswirbelsäulenbeweglichkeit und stärkere Verbesserung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit. Für das Follow-up nach 6 Monaten zeigten sich bis auf das höhere Alter die gleichen Faktoren als prognostisch für Verbesserung von Schmerz und Behinderung. Zukünftige prognostische Modelle für das Behandlungsergebnis von chronischen Nackenschmerzen sollten demnach die Halswirbelsäulenbeweglichkeit und den psychischen Gesundheitsstatus berücksichtigen. Kenntnisse über prognostische Faktoren tragen dazu bei, Programminhalte für Patienten mit wahrscheinlich nur geringfügigem klinischem Ansprechen individuell anpassen zu können.
Chronische Nackenschmerzen, multidisziplinär, Rehabilitation, prognostische Fraktoren, physikalische Medizin
Letzel, Josefine
2023
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Letzel, Josefine (2023): Multidisziplinäre biopsychosoziale Therapie bei Patienten mit chronischen Nackenschmerzen in einer Tagesklinik: Ergebnisse einer prospektiven 1-jährigen Verlaufsstudie und prognostische Faktoren für größere Therapieeffekte. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Ziel dieser naturalistischen, prospektiven Kohortenstudie war es, die Therapieeffekte eines 3-wöchigen multidisziplinären ganztägig ambulanten Therapieprogramms für Patienten mit chronischen Nackenschmerzen und prognostische Faktoren für ein besseres Therapieergebnis in Bezug auf Schmerz und Behinderung zu identifizieren. Dieses Therapieprogramm wurde in der Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Ludwig-Maximilians-Universität München, Standort Großhadern durchgeführt. Es erfolgte die Auswertung von Daten des Behandlungsschwerpunktes „Halswirbelsäule“ der Jahre 2005 bis 2012. Bei multimodalen Rehabilitationsprogrammen steht der biopsychosoziale Aspekt im Mittelpunkt mit dem Ziel der funktionalen Wiederherstellung und Schmerzlinderung. Dieses soll mithilfe von somatischen, physikalischen, psychologischen oder psychotherapeutischen Therapieformen sowie von Patientenschulung erreicht werden. In der ersten Veröffentlichung wurden zum einen die kurzfristigen Effekte des eingangs beschriebenen Programmes direkt nach Therapieende und zum anderen die Ergebnisse nach 12 Monaten untersucht. Grundlage hierfür waren international validierte Gesundheitsfragebögen, die von den Patienten ausgefüllt wurden. Diese beinhalteten den krankheitsspezifischen Fragebogen der North American Spine Society (NASS) zur Beurteilung von Schmerz, Funktion und neurologischen Symptomen, den Short Form-36 zur Beurteilung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, eine numerische Schmerzskala, die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) zur Beurteilung von Angst und Depression sowie jeweils ein Fragebogen zu Komorbiditäten und zur Soziodemographie. Das Therapieprogramm haben insgesamt 127 Patienten durchlaufen. Davon haben 113 Personen schriftlich ihr Einverständnis zur Teilnahme an dieser Studie und der Verarbeitung ihrer anonymisierten Daten abgegeben. Von 81 Patienten standen analysierbare periinterventionelle Daten zur Verfügung. Die Nachbeobachtungsrate betrug nach einem Jahr 79%. Da bereits eine Erhebung zu einem Assessment vor Therapiebeginn erfolgte, war es möglich, die Veränderung des Gesundheitsstatus während der Wartezeit, entsprechend dem natürlichen Verlauf von chronischen Nackenschmerzen, mit der Veränderung zwischen Beginn der Therapie und dem ersten Follow-up intraindividuell zu vergleichen. Veränderungen wurden mittels Effektstärkenberechnungen quantifiziert. Diese Effektstärke ergibt sich aus der durchschnittlichen Veränderung zwischen dem Behandlungsbeginn (T1) und dem Nachbeobachtungszeitpunkt (T2) geteilt durch die Standardabweichung der Ausgangswerte (T0). Es wurden zunächst grobe Veränderungswerte zwischen T1 und T2 sowie Effektstärken für T2 berechnet. Dann kontrollierten wir die Änderungswerte mithilfe von korrigierten Wartezeitänderungen, um die Auswirkungen zu erhalten, die auf das Rehabilitationsprogramm zurückzuführen sind. Als Ergebnis konnte gezeigt werden, dass Patienten direkt nach der Intervention in Bezug auf den primären Endpunkt Schmerz und Behinderung des NASS-Fragebogens signifikant profitierten. Auch die sekundären Endpunkte wie neurologische Symptome, allgemeine Gesundheit und depressive Symptome zeigten eine signifikante Verbesserung. Weiterhin konnte belegt werden, dass diese Verbesserungen auch bis zu einem Jahr nach der Intervention anhielten. Folglich konnte demonstriert werden, dass dies ein effektives multidisziplinäres Therapieprogramm für Patienten mit chronischen Nackenschmerzen in Bezug auf Schmerz und Behinderung ist. Im zweiten Artikel wurden prognostische Faktoren eines besseren Outcomes des o.g. multidisziplinären Therapieprogramms in Bezug auf Schmerz und Behinderung untersucht. Hierfür wurden zu den eben genannten Daten der Patientenfragebögen auch Ergebnisse eines standardisierten Testes der Halswirbelsäulenbeweglichkeit mit einem validen Messgerät (CROM-Messgerät) inkludiert. Zunächst konnte dargestellt werden, dass sich Patienten in Bezug auf die gesamte Beweglichkeit der HWS nach der Intevention signifikant verbesserten. Mittels multivariater linearer Regression wurden anschließend verschiedene potentielle Faktoren untersucht. Hier wurde die Verbesserung im Vergleich zu den Ausgangswerten von Schmerz und Behinderung der NASS Scala als abhängige Variable zum Zeitpunkt des Endes der Therapie und nach 6 Monaten festgelegt. Unabhängige Variablen wurden anhand von bekannten prognostischen und Risikofaktoren aus vorangegangener Forschung und aus der klinischen Erfahrung ausgewählt. Es konnten folgende prognostische Faktoren direkt nach dem Therapieende nachgewiesen werden: Schlechtere Werte von Schmerz und Behinderung vor Behandlungsbeginn, höheres Alter, stärkere Verbesserung in der allgemeinen psychischen Gesundheit, bessere Baseline-Halswirbelsäulenbeweglichkeit und stärkere Verbesserung der Halswirbelsäulenbeweglichkeit. Für das Follow-up nach 6 Monaten zeigten sich bis auf das höhere Alter die gleichen Faktoren als prognostisch für Verbesserung von Schmerz und Behinderung. Zukünftige prognostische Modelle für das Behandlungsergebnis von chronischen Nackenschmerzen sollten demnach die Halswirbelsäulenbeweglichkeit und den psychischen Gesundheitsstatus berücksichtigen. Kenntnisse über prognostische Faktoren tragen dazu bei, Programminhalte für Patienten mit wahrscheinlich nur geringfügigem klinischem Ansprechen individuell anpassen zu können.