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Einsamkeit im Kontext der persistierenden depressiven Störung und der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Einsamkeit im Kontext der persistierenden depressiven Störung und der Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die vorliegende Arbeit untersuchte Einsamkeit an einer Stichprobe von Patienten mit persistierender depressiver Störung (PDD) und Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPD) sowie gesunden Kontrollpersonen (HC). Vor dem Hintergrund bekannter Risikofaktoren der Einsamkeit und psychischer Erkrankungen wurde der Zusammenhang zwischen Einsamkeit und sozialen Netzwerkcharakteristika, traumatischen Kindheitserfahrungen und individueller Zurückweisungsempfindlichkeit untersucht. Insgesamt nahmen 70 Patienten der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München sowie 70 gesunde Kontrollpersonen an der Studie teil. Die Studienteilnehmer beantworteten Selbstbeurteilungsfragebögen zu den untersuchten Variablen (Einsamkeit: UCLA Loneliness Scale; soziale Netzwerkcharakteristika: Social Network Index; traumatische Kindheitserfahrungen: Childhood Trauma Questionnaire; Zurückweisungsempfindlichkeit: Rejection Sensitivity Questionnaire; depressive Symptomatik: Beck Depressions-Inventar; Borderline-Symptomatik: Borderline Symptomliste). Beide Patientengruppen gaben durchschnittlich mehr Einsamkeit an als die gesunden Kontrollpersonen. Die Schwere der selbstberichteten psychopathologischen Symptomatik korrelierte mit der Einsamkeit. Zudem hatten beide Patientengruppen im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen weniger soziale Kontakte. Dabei konnte für BPD-Patienten und die gesunden Kontrollpersonen, nicht aber für PDD, ein negativer Zusammenhang zwischen Einsamkeit und der Anzahl der sozialen Kontakte festgestellt werden. In allen Studiengruppen fand sich zudem eine relevante Assoziation zwischen Einsamkeit und der Angabe einer engen Vertrauensperson. So waren verheiratete Studienteilnehmer weniger einsam als nicht verheiratete Studienteilnehmer, dieser Zusammenhang war jedoch nicht signifikant. Einsamkeit korrelierte mit der Anzahl enger Freunde negativ. Weiterhin war Einsamkeit mit traumatischen Kindheitserfahrungen – insbesondere emotionaler Vernachlässigung und emotionalem Missbrauch – assoziiert. Vor dem Hintergrund etablierter soziokognitiver Entstehungsmodelle von Einsamkeit wurde in der vorliegenden Studie untersucht, ob dieser Zusammenhang durch eine erhöhte soziale Zurückweisungsempfindlichkeit erklärt werden könnte. Es konnte ein partieller Mediationseffekt von Zurückweisungsempfindlichkeit sowohl für die Patienten, als auch die gesunden Kontrollpersonen nachgewiesen werden. Die hohe Prävalenz von Einsamkeit in beiden Patientengruppen sowie die positive Korrelation mit der Symptomschwere der jeweiligen Erkrankung weist auf die klinische Bedeutung von Einsamkeit insbesondere im Kontext der PDD und der BPD hin. Insbesondere vor dem Hintergrund jüngerer Studien, die auf einen Einfluss von Einsamkeit auf den Verlauf psychischer Erkrankungen verweisen, sollte Einsamkeit im klinischen Kontext explizit erfragt werden. Obwohl aufgrund des Studiendesigns keine Kausalität abgeleitet werden kann, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Einsamkeit mit einer reduzierten Anzahl sozialer Kontakte – und insbesondere enger Vertrauenspersonen – einhergeht. Dies könnte einerseits einen potenziellen therapeutischen Ansatzpunkt darstellen, indem beispielsweise durch den therapeutischen Fokus auf die Verbesserung enger dyadischer Beziehungen ein positiver Effekt auf Einsamkeit erzielt werden könnte. Andererseits sollten insbesondere Patienten mit defizitären sozialen Netzwerken explizit nach Einsamkeitsgefühlen befragt werden, da Betroffene Einsamkeitsgefühle nur selten von sich aus ansprechen. Die beschriebenen Zusammenhänge zwischen traumatischen Kindheitserfahrungen, individueller Zurückweisungsempfindlichkeit und Einsamkeit verweisen auf die langfristigen Auswirkungen traumatischer Kindheitserfahrungen. Aufgrund des Studiendesigns war zwar keine kausale Schlussfolgerung möglich, dennoch deuten die Ergebnisse auf die besondere Relevanz emotionaler Vernachlässigung und emotionalen Missbrauchs in der Kindheit auf die Entwicklung psychischer Erkrankungen und von Einsamkeit hin. Behandler sollten daher in der Therapie von PDD- und BPD-Patienten insbesondere emotionale traumatische Erfahrungen berücksichtigen. Die erhöhte individuelle Zurückweisungsempfindlichkeit einsamer Personen könnte sich einerseits im Zuge traumatischer Kindheitserfahrungen entwickeln und andererseits interpersonelle Schwierigkeiten in der Gegenwart aufrechterhalten und zu Einsamkeit beitragen. Vor dem Hintergrund soziokognitiver Erklärungsmodelle der Einsamkeit sowie der im Kontext von PDD und BPD erhöhten Zurückweisungsempfindlichkeit könnte dies als möglicher Ansatzpunkt in der Entwicklung psychotherapeutischer Interventionen zur Behandlung von Einsamkeit genutzt werden.
Not available
Nenov-Matt, Tabea
2023
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Nenov-Matt, Tabea (2023): Einsamkeit im Kontext der persistierenden depressiven Störung und der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Die vorliegende Arbeit untersuchte Einsamkeit an einer Stichprobe von Patienten mit persistierender depressiver Störung (PDD) und Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPD) sowie gesunden Kontrollpersonen (HC). Vor dem Hintergrund bekannter Risikofaktoren der Einsamkeit und psychischer Erkrankungen wurde der Zusammenhang zwischen Einsamkeit und sozialen Netzwerkcharakteristika, traumatischen Kindheitserfahrungen und individueller Zurückweisungsempfindlichkeit untersucht. Insgesamt nahmen 70 Patienten der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität München sowie 70 gesunde Kontrollpersonen an der Studie teil. Die Studienteilnehmer beantworteten Selbstbeurteilungsfragebögen zu den untersuchten Variablen (Einsamkeit: UCLA Loneliness Scale; soziale Netzwerkcharakteristika: Social Network Index; traumatische Kindheitserfahrungen: Childhood Trauma Questionnaire; Zurückweisungsempfindlichkeit: Rejection Sensitivity Questionnaire; depressive Symptomatik: Beck Depressions-Inventar; Borderline-Symptomatik: Borderline Symptomliste). Beide Patientengruppen gaben durchschnittlich mehr Einsamkeit an als die gesunden Kontrollpersonen. Die Schwere der selbstberichteten psychopathologischen Symptomatik korrelierte mit der Einsamkeit. Zudem hatten beide Patientengruppen im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen weniger soziale Kontakte. Dabei konnte für BPD-Patienten und die gesunden Kontrollpersonen, nicht aber für PDD, ein negativer Zusammenhang zwischen Einsamkeit und der Anzahl der sozialen Kontakte festgestellt werden. In allen Studiengruppen fand sich zudem eine relevante Assoziation zwischen Einsamkeit und der Angabe einer engen Vertrauensperson. So waren verheiratete Studienteilnehmer weniger einsam als nicht verheiratete Studienteilnehmer, dieser Zusammenhang war jedoch nicht signifikant. Einsamkeit korrelierte mit der Anzahl enger Freunde negativ. Weiterhin war Einsamkeit mit traumatischen Kindheitserfahrungen – insbesondere emotionaler Vernachlässigung und emotionalem Missbrauch – assoziiert. Vor dem Hintergrund etablierter soziokognitiver Entstehungsmodelle von Einsamkeit wurde in der vorliegenden Studie untersucht, ob dieser Zusammenhang durch eine erhöhte soziale Zurückweisungsempfindlichkeit erklärt werden könnte. Es konnte ein partieller Mediationseffekt von Zurückweisungsempfindlichkeit sowohl für die Patienten, als auch die gesunden Kontrollpersonen nachgewiesen werden. Die hohe Prävalenz von Einsamkeit in beiden Patientengruppen sowie die positive Korrelation mit der Symptomschwere der jeweiligen Erkrankung weist auf die klinische Bedeutung von Einsamkeit insbesondere im Kontext der PDD und der BPD hin. Insbesondere vor dem Hintergrund jüngerer Studien, die auf einen Einfluss von Einsamkeit auf den Verlauf psychischer Erkrankungen verweisen, sollte Einsamkeit im klinischen Kontext explizit erfragt werden. Obwohl aufgrund des Studiendesigns keine Kausalität abgeleitet werden kann, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Einsamkeit mit einer reduzierten Anzahl sozialer Kontakte – und insbesondere enger Vertrauenspersonen – einhergeht. Dies könnte einerseits einen potenziellen therapeutischen Ansatzpunkt darstellen, indem beispielsweise durch den therapeutischen Fokus auf die Verbesserung enger dyadischer Beziehungen ein positiver Effekt auf Einsamkeit erzielt werden könnte. Andererseits sollten insbesondere Patienten mit defizitären sozialen Netzwerken explizit nach Einsamkeitsgefühlen befragt werden, da Betroffene Einsamkeitsgefühle nur selten von sich aus ansprechen. Die beschriebenen Zusammenhänge zwischen traumatischen Kindheitserfahrungen, individueller Zurückweisungsempfindlichkeit und Einsamkeit verweisen auf die langfristigen Auswirkungen traumatischer Kindheitserfahrungen. Aufgrund des Studiendesigns war zwar keine kausale Schlussfolgerung möglich, dennoch deuten die Ergebnisse auf die besondere Relevanz emotionaler Vernachlässigung und emotionalen Missbrauchs in der Kindheit auf die Entwicklung psychischer Erkrankungen und von Einsamkeit hin. Behandler sollten daher in der Therapie von PDD- und BPD-Patienten insbesondere emotionale traumatische Erfahrungen berücksichtigen. Die erhöhte individuelle Zurückweisungsempfindlichkeit einsamer Personen könnte sich einerseits im Zuge traumatischer Kindheitserfahrungen entwickeln und andererseits interpersonelle Schwierigkeiten in der Gegenwart aufrechterhalten und zu Einsamkeit beitragen. Vor dem Hintergrund soziokognitiver Erklärungsmodelle der Einsamkeit sowie der im Kontext von PDD und BPD erhöhten Zurückweisungsempfindlichkeit könnte dies als möglicher Ansatzpunkt in der Entwicklung psychotherapeutischer Interventionen zur Behandlung von Einsamkeit genutzt werden.