Logo Logo
Hilfe
Kontakt
Switch language to English
Ultrastrukturelle und funktionelle Pathologien bei metabolischer Oligodendrogliopathie: Relevanz für die Multiple Sklerose
Ultrastrukturelle und funktionelle Pathologien bei metabolischer Oligodendrogliopathie: Relevanz für die Multiple Sklerose
Bis heute ist die genaue Pathogenese der MS unbekannt; eine Krankheit, die der Hauptgrund für irreversible Behinderung im mittleren Alter darstellt. Nachdem man lange von einer primären Autoimmunerkrankung ausgegangen ist, mehrten sich in den letzten Jahren Hinweise und Theorien, dass ein initialer gehirnintrinsischer pathologischer Prozess eine sekundäre Autoimmunerkrankung hervorrufen könnte – die sogenannte „Inside-Out-Hypothese“. Wir untersuchten in der vorliegenden Arbeit oligodendrozytäre Veränderungen nach metabolischem Stress in vitro und in vivo für ein besseres Verständnis möglicher initialer gehirnintrinsischer pathologischer Prozesse bei der MS. In vivo nutzen wir das zytodegenerative MS-Mausmodell Cuprizone in C57BL/6 Mäusen und untersuchten die Gehirne immunhistochemisch (Tag 4, 7, 21 der Cuprizone-Intoxikation), mittels Transmissionselektronenmikroskopie (TEM, Tag 7), elektrophysiologisch (Tag 21) und mit der hochauflösenden seriellen Rasterelektronenmikroskopie (3D-EM, Tag 21). In vitro analysierten wir metabolisch gestresste OliNeu-Zellen mittels [engl.] live-cell imaging für 24 Stunden. Der metabolische Stress wurde durch eine temporäre Sodiumazid (SA)-Inkubation (Komplex IV-Inhibitor der Atmungskette für 60-, 90-, 120-, 150-, 180 Minuten und 24 Stunden) mit anschließendem Mediumwechsel induziert. In vivo bestätigen wir im Cuprizone-Modell, dass Oligodendrozyten primär gestresst sind bevor es zur Demyelinisierung kommt. Mittels 3D-EM identifizieren wir zu Beginn der Demyelinisierung (drei Wochen Cuprizone) eine neue Pathologie, sogenannte CoMyD (engl.: Compact Myelin Detachment). Hierbei kommt es nur in Cuprizone-Tieren zu multifokalen Abtrennungen der Myelinscheide vom Axon, teilweise mit rupturiertem Axolemm, vereinbar mit Folgen einer mechanischen Retraktion. Elektrophysiologisch werden diese morphologischen, frühen Veränderungen der Myelinscheide von einer Abnahme der schnellen (myelinisierten) Reizantwort und einer Zunahme der langsamen (nicht-myelinisierten) Reizantwort im Corpus callosum begleitet. Bereits nach einwöchiger Cuprizone-Gabe zeigen sich im TEM CoMyDs, wobei die Quantifizierung aufgrund der fehlenden Dreidimensionalität und der geringeren Ausprägung (in Häufigkeit und Größe im Vergleich zu drei Wochen) erschwert ist. In vitro zeigt sich durch induzierten metabolischen Stress eine dosisabhängige Retraktion oligodendrozytärer Fortsätze. Nach Wegnahme des SA ist dieser Prozess dosisabhängig reversibel, wobei die Gruppen mit der längsten Behandlungsdauer (150 bzw. 180 min) eine sehr geringe Regenerationsfähigkeit aufweisen. Diese Arbeit zeigt die ultrastrukturellen und funktionellen Folgen einer inflammationsunabhängigen primären metabolisch-induzierten Oligodendrogliopathie auf. Durch ein besseres Verstehen dieser initialen Pathologie werden mögliche Ansatzpunkte für neue MS-Medikamente aufgezeigt, die im Langzeitverlauf erfolgsversprechender sein können, als die bisherigen. Die genauen Mechanismen der oligodendrozytären Stressreaktion müssen jedoch noch tiefergehend untersucht werden.
Not available
Schweiger, Felix
2023
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Schweiger, Felix (2023): Ultrastrukturelle und funktionelle Pathologien bei metabolischer Oligodendrogliopathie: Relevanz für die Multiple Sklerose. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
[thumbnail of Schweiger_Felix.pdf] PDF
Schweiger_Felix.pdf

9MB

Abstract

Bis heute ist die genaue Pathogenese der MS unbekannt; eine Krankheit, die der Hauptgrund für irreversible Behinderung im mittleren Alter darstellt. Nachdem man lange von einer primären Autoimmunerkrankung ausgegangen ist, mehrten sich in den letzten Jahren Hinweise und Theorien, dass ein initialer gehirnintrinsischer pathologischer Prozess eine sekundäre Autoimmunerkrankung hervorrufen könnte – die sogenannte „Inside-Out-Hypothese“. Wir untersuchten in der vorliegenden Arbeit oligodendrozytäre Veränderungen nach metabolischem Stress in vitro und in vivo für ein besseres Verständnis möglicher initialer gehirnintrinsischer pathologischer Prozesse bei der MS. In vivo nutzen wir das zytodegenerative MS-Mausmodell Cuprizone in C57BL/6 Mäusen und untersuchten die Gehirne immunhistochemisch (Tag 4, 7, 21 der Cuprizone-Intoxikation), mittels Transmissionselektronenmikroskopie (TEM, Tag 7), elektrophysiologisch (Tag 21) und mit der hochauflösenden seriellen Rasterelektronenmikroskopie (3D-EM, Tag 21). In vitro analysierten wir metabolisch gestresste OliNeu-Zellen mittels [engl.] live-cell imaging für 24 Stunden. Der metabolische Stress wurde durch eine temporäre Sodiumazid (SA)-Inkubation (Komplex IV-Inhibitor der Atmungskette für 60-, 90-, 120-, 150-, 180 Minuten und 24 Stunden) mit anschließendem Mediumwechsel induziert. In vivo bestätigen wir im Cuprizone-Modell, dass Oligodendrozyten primär gestresst sind bevor es zur Demyelinisierung kommt. Mittels 3D-EM identifizieren wir zu Beginn der Demyelinisierung (drei Wochen Cuprizone) eine neue Pathologie, sogenannte CoMyD (engl.: Compact Myelin Detachment). Hierbei kommt es nur in Cuprizone-Tieren zu multifokalen Abtrennungen der Myelinscheide vom Axon, teilweise mit rupturiertem Axolemm, vereinbar mit Folgen einer mechanischen Retraktion. Elektrophysiologisch werden diese morphologischen, frühen Veränderungen der Myelinscheide von einer Abnahme der schnellen (myelinisierten) Reizantwort und einer Zunahme der langsamen (nicht-myelinisierten) Reizantwort im Corpus callosum begleitet. Bereits nach einwöchiger Cuprizone-Gabe zeigen sich im TEM CoMyDs, wobei die Quantifizierung aufgrund der fehlenden Dreidimensionalität und der geringeren Ausprägung (in Häufigkeit und Größe im Vergleich zu drei Wochen) erschwert ist. In vitro zeigt sich durch induzierten metabolischen Stress eine dosisabhängige Retraktion oligodendrozytärer Fortsätze. Nach Wegnahme des SA ist dieser Prozess dosisabhängig reversibel, wobei die Gruppen mit der längsten Behandlungsdauer (150 bzw. 180 min) eine sehr geringe Regenerationsfähigkeit aufweisen. Diese Arbeit zeigt die ultrastrukturellen und funktionellen Folgen einer inflammationsunabhängigen primären metabolisch-induzierten Oligodendrogliopathie auf. Durch ein besseres Verstehen dieser initialen Pathologie werden mögliche Ansatzpunkte für neue MS-Medikamente aufgezeigt, die im Langzeitverlauf erfolgsversprechender sein können, als die bisherigen. Die genauen Mechanismen der oligodendrozytären Stressreaktion müssen jedoch noch tiefergehend untersucht werden.