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Psychische Belastungen in der Orthopädie: Sichtweisen von Orthopäden, Belastung ihrer Patienten und Besonderheiten der Arzt-Patienten-Interaktion. eine explorative Mixed Methods Studie
Psychische Belastungen in der Orthopädie: Sichtweisen von Orthopäden, Belastung ihrer Patienten und Besonderheiten der Arzt-Patienten-Interaktion. eine explorative Mixed Methods Studie
Hintergrund Psychosomatik ist ein weit gefasster Begriff, der psychische Faktoren, psychische Komorbidität sowie funktionelle, somatoforme Störungen miteinschließen kann. Psychische Faktoren und Komorbiditäten können u.a. einen Einfluss haben auf die Schmerzwahrnehmung, das Operationsergebnis und die Patientenzufriedenheit, während funktionelle und somatoforme Störungen Orthopäden vor verschiedenen diagnostischen, kommunikativen und therapeutischen Herausforderungen stellen. Diese explorative mixed methods Studie erforscht die Ansichten und Strategien von orthopädischen Ärzten im Umgang mit psychischen Belastungen ihrer Patienten sowie die Zusammenhänge zwischen der psychischen Belastung der Patienten und der Wahrnehmung und Dauer der Arzt-Patienten-Interaktion. Methoden Im Rahmen des qualitativen Teils dieser Studie (Teil I) wurden neun Ärzte aus der orthopädischen Abteilung einer universitären Klinik leitfadenbasiert interviewt. Die Interviews wurden transkribiert und computerunterstützt durch das Programm MAXQDA basierend auf der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse ausgewertet. Die quantitative Untersuchung (Teil II) befasste sich mit den ambulanten Patienten aus der Poliklinik derselben Abteilung: Im Zeitraum von 20 Wochen wurde der Fragebogen jedem Patienten angeboten, der die Poliklinik betrat und die Einschlusskriterien erfüllte. Es wurden 635 ausgefüllte Fragebögen erhalten. Diese enthielten die standardisierten Fragebögen HADS-D (Hospital Anxiety and Depression Scale, Deutsche Version) und P.A.INT (Patienten-Arzt-Interaktion) sowie demographische und gesundheitsbezogene Fragen. Die Patienten sollten auch angeben, wie lange das Gespräch mit dem Arzt gedauert hatte. Die erhaltenen Daten wurden mit SPSS deskriptiv und inferenzstatistisch ausgewertet. Ergebnisse Die Ergebnisse der Interviewauswertung wurden kategorienbasiert aufgeführt. Aus der Fragestellung ergaben sich folgende Hauptkategorien: Die Herausforderungen im Zusammenhang mit psychischer Belastung, der Umgang der Ärzte mit aufgewühlten Patienten, die Strategien der Ärzte bezüglich Erkennung, Ansprechen und weiterer Diagnostik und Behandlung von Patienten mit psychischen Belastungen, sowie die Hürden, wenn sie solche Aspekte adressieren wollen. Basierend auf der Kategorie der weiteren Diagnostik und Behandlung wurden drei Interviews ausgesucht und darüber eine Fallzusammenfassung verfasst. Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass die Patienten der Poliklinik stärker durch Angst und Depression belastet waren als die Allgemeinbevölkerung. Angst und Depression zeigten darüber hinaus einen hochsignifikanten Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Arzt-Patienten-Interaktion (p=0) sowie mit der Dauer der Interaktion (p= 0 bzw. 0,003). Diskussion Die Analyse der Interviews ergab, dass die Ärzte in verschiedenen Bereichen ihrer täglichen Arbeit Herausforderungen erleben aufgrund von psychischen Belastungen von Patienten, u.a. in der Kommunikation, Diagnostik und Behandlung. Das Verständnis von Psychosomatik der Ärzte sowie ihre Strategien bezüglich Diagnostik und Behandlung waren sehr heterogen. Sie beschrieben verschiedene Hürden, die es ihnen schwer machen, psychische Belastungen ihrer Patienten in ihrer täglichen Arbeit zu berücksichtigen, u.a. der Zeitmangel, eine mangelnde Expertise, die Angst der Patienten vor Stigmatisierung und Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit anderen Experten. Die erhöhte Belastung der orthopädischen Patienten durch Angst und Depression entspricht den Angaben in der Literatur. Der Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und der Arzt-Patienten-Interaktion wurde im orthopädischen Bereich noch nicht untersucht und ist in unserer Studie hochsignifikant. Die Gespräche mit Patienten, die durch Angst und Depression belastet waren, waren signifikant länger, dennoch waren die Patienten weniger zufrieden mit der Interaktion als psychisch unbelastete Patienten. Fazit Orthopädische Ärzte werden in der Behandlung von Patienten mit psychosozialen Belastungen mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert: Aufgabenstellung, Zeitmangel, Stigmatisierung, eigenes Unwissen, Mangel an Strukturen oder Kollegen, die sie in solchen Situationen unterstützen können. Dennoch erscheint es unablässig, Patienten mit psychosozialen Belastungen, die gerade in der Orthopädie häufig sind, adäquat zu behandeln. Aufgrund der Ergebnisse wird der Einsatz von Screeninginstrumenten empfohlen, um psychisch belastete Patienten schnell zu erkennen und ihnen eine weitere, parallele Diagnostik und Behandlung durch Experten anbieten zu können. Auch erscheint es sinnvoll und empfehlenswert, gezielte Fortbildungen für Orthopäden anzubieten, in denen sie sowohl Techniken der Arzt-Patienten-Kommunikation als auch wichtige Inhalte zu Diagnostik und Behandlung der für ihr Fach relevantesten psychischen Aspekten und somatoformen Störungen erlernen können.
Not available
Durand, Maria Giovanna Chiara
2022
German
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Durand, Maria Giovanna Chiara (2022): Psychische Belastungen in der Orthopädie: Sichtweisen von Orthopäden, Belastung ihrer Patienten und Besonderheiten der Arzt-Patienten-Interaktion: eine explorative Mixed Methods Studie. Dissertation, LMU München: Faculty of Medicine
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2MB

Abstract

Hintergrund Psychosomatik ist ein weit gefasster Begriff, der psychische Faktoren, psychische Komorbidität sowie funktionelle, somatoforme Störungen miteinschließen kann. Psychische Faktoren und Komorbiditäten können u.a. einen Einfluss haben auf die Schmerzwahrnehmung, das Operationsergebnis und die Patientenzufriedenheit, während funktionelle und somatoforme Störungen Orthopäden vor verschiedenen diagnostischen, kommunikativen und therapeutischen Herausforderungen stellen. Diese explorative mixed methods Studie erforscht die Ansichten und Strategien von orthopädischen Ärzten im Umgang mit psychischen Belastungen ihrer Patienten sowie die Zusammenhänge zwischen der psychischen Belastung der Patienten und der Wahrnehmung und Dauer der Arzt-Patienten-Interaktion. Methoden Im Rahmen des qualitativen Teils dieser Studie (Teil I) wurden neun Ärzte aus der orthopädischen Abteilung einer universitären Klinik leitfadenbasiert interviewt. Die Interviews wurden transkribiert und computerunterstützt durch das Programm MAXQDA basierend auf der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse ausgewertet. Die quantitative Untersuchung (Teil II) befasste sich mit den ambulanten Patienten aus der Poliklinik derselben Abteilung: Im Zeitraum von 20 Wochen wurde der Fragebogen jedem Patienten angeboten, der die Poliklinik betrat und die Einschlusskriterien erfüllte. Es wurden 635 ausgefüllte Fragebögen erhalten. Diese enthielten die standardisierten Fragebögen HADS-D (Hospital Anxiety and Depression Scale, Deutsche Version) und P.A.INT (Patienten-Arzt-Interaktion) sowie demographische und gesundheitsbezogene Fragen. Die Patienten sollten auch angeben, wie lange das Gespräch mit dem Arzt gedauert hatte. Die erhaltenen Daten wurden mit SPSS deskriptiv und inferenzstatistisch ausgewertet. Ergebnisse Die Ergebnisse der Interviewauswertung wurden kategorienbasiert aufgeführt. Aus der Fragestellung ergaben sich folgende Hauptkategorien: Die Herausforderungen im Zusammenhang mit psychischer Belastung, der Umgang der Ärzte mit aufgewühlten Patienten, die Strategien der Ärzte bezüglich Erkennung, Ansprechen und weiterer Diagnostik und Behandlung von Patienten mit psychischen Belastungen, sowie die Hürden, wenn sie solche Aspekte adressieren wollen. Basierend auf der Kategorie der weiteren Diagnostik und Behandlung wurden drei Interviews ausgesucht und darüber eine Fallzusammenfassung verfasst. Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass die Patienten der Poliklinik stärker durch Angst und Depression belastet waren als die Allgemeinbevölkerung. Angst und Depression zeigten darüber hinaus einen hochsignifikanten Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Arzt-Patienten-Interaktion (p=0) sowie mit der Dauer der Interaktion (p= 0 bzw. 0,003). Diskussion Die Analyse der Interviews ergab, dass die Ärzte in verschiedenen Bereichen ihrer täglichen Arbeit Herausforderungen erleben aufgrund von psychischen Belastungen von Patienten, u.a. in der Kommunikation, Diagnostik und Behandlung. Das Verständnis von Psychosomatik der Ärzte sowie ihre Strategien bezüglich Diagnostik und Behandlung waren sehr heterogen. Sie beschrieben verschiedene Hürden, die es ihnen schwer machen, psychische Belastungen ihrer Patienten in ihrer täglichen Arbeit zu berücksichtigen, u.a. der Zeitmangel, eine mangelnde Expertise, die Angst der Patienten vor Stigmatisierung und Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit anderen Experten. Die erhöhte Belastung der orthopädischen Patienten durch Angst und Depression entspricht den Angaben in der Literatur. Der Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und der Arzt-Patienten-Interaktion wurde im orthopädischen Bereich noch nicht untersucht und ist in unserer Studie hochsignifikant. Die Gespräche mit Patienten, die durch Angst und Depression belastet waren, waren signifikant länger, dennoch waren die Patienten weniger zufrieden mit der Interaktion als psychisch unbelastete Patienten. Fazit Orthopädische Ärzte werden in der Behandlung von Patienten mit psychosozialen Belastungen mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert: Aufgabenstellung, Zeitmangel, Stigmatisierung, eigenes Unwissen, Mangel an Strukturen oder Kollegen, die sie in solchen Situationen unterstützen können. Dennoch erscheint es unablässig, Patienten mit psychosozialen Belastungen, die gerade in der Orthopädie häufig sind, adäquat zu behandeln. Aufgrund der Ergebnisse wird der Einsatz von Screeninginstrumenten empfohlen, um psychisch belastete Patienten schnell zu erkennen und ihnen eine weitere, parallele Diagnostik und Behandlung durch Experten anbieten zu können. Auch erscheint es sinnvoll und empfehlenswert, gezielte Fortbildungen für Orthopäden anzubieten, in denen sie sowohl Techniken der Arzt-Patienten-Kommunikation als auch wichtige Inhalte zu Diagnostik und Behandlung der für ihr Fach relevantesten psychischen Aspekten und somatoformen Störungen erlernen können.