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Auswirkungen von Tabakkonsum auf die Spermien-Eileiter-Interaktion und die männliche Fertilität
Auswirkungen von Tabakkonsum auf die Spermien-Eileiter-Interaktion und die männliche Fertilität
Nach Daten der WHO ist jede sechste Partnerschaft in Europa ungewollt kinderlos. In der Hälfte der Fälle liegt eine Fertilitätsstörung beim Mann zugrunde, bei über einem Drittel der Patienten kann keine eindeutige Ursache für die Infertilität gefunden werden (idiopathische Infertilität). In diesem Zusammenhang ist Zigarettenrauchen ein häufig diskutierter Faktor mit umstrittenen Auswirkungen auf die Fertilität. Während der Passage des weiblichen Reproduktionstrakts muss es zu einer Speicherung der Spermien im sogenannten Spermienreser- voir kommen, die es ermöglicht, die Fähigkeit zur Fertilisierung aufrecht zu erhalten. Aus Tierversuchen gibt es Belege, dass Kohlenhydratreste auf dem Eileiterepithel und Lektine auf der Spermienmembran eine Bindung eingehen können. In dieser Arbeit wurde die Bindungsfähigkeit verschiedener Kohlenhydratreste an Spermatozoen evaluiert und insbesondere zwischen Rauchern und Nichtrauchern verglichen sowie mögliche Bindungspartner analysiert und dargestellt. Untersucht wurden frische humane Ejakulate von 102 Patienten, die zur Ejakulatabgabe in der Andrologischen Ambulanz der LMU München vorstellig wurden. Die Ejakulatproben wurden aufbereitet, mit FITC-konjugierten Kohlenhydratresten Sialinsäure (SA), Mannose (MA), Fu- cose (FU) und Galactose (GA) markiert, anschließend konfokalmikroskopisch ausgewertet und der Anteil der Spermien mit Kohlenhydratbindung ausgezählt. Zusätzlich erfolgten Untersuchungen mittels Durchflusszytometrie (FACS). Western- und Immunoblots wurden zur Identifizierung Kohlenhydrat-bindender Proteine durchgeführt. Insgesamt konnten 86 Nichtraucher und 16 Raucher eingeschlossen werden. Ein Großteil der Patienten war kinderlos (80,4%) und hatte einen aktuellen Kinderwunsch (83,9%). Mittels Fluoreszenzmikroskopie wurde nachgewiesen, dass auf der Spermienplasmamembran Strukturen existieren, die die untersuchten Kohlenhydratreste erkennen und binden. Die Auswertung zeigte zwischen Nichtrauchern und Rauchern für MA (p = 0,007) und FU (p < 0,001) eine signifikante, für SA (p = 0,120) und GA (p = 0,426) eine nicht-signifikante Verringerung der Kohlenhydratbindungskapazität. Zwischen den Nie-Rauchern und den Ex-Rauchern war kein signifikanter Unterschied nachweisbar. Eine verringerte Expression Kohlenhydrat-bindender Strukturen auf der Plasmamembran könnte trotz normaler Spermiogrammparameter zu einer verminderten Fertilität führen. Unsere Studie legt nahe, dass Rauchen hierfür ein wesentlicher Risikofaktor sein könnte, wobei eine Re- versibilität dieses Effekts ein Jahr nach Beenden des Tabakkonsums gezeigt werden konnte und mit der stetigen Spermatogenese zu erklären ist. Bei der händischen Auszählung der Spermien können Fehlen auftreten. Als Alternativmethode wurde in der Arbeit daher die Durchflusszytometrie vorgestellt, die auch für eine Diagnostik im klinischen Alltag praktikabel sein könnte. Wir konnten erstmals auf humanen Spermatozoen das Lektin VIP36 (36 kDa vesicular integral protein) nachweisen, das fähig wäre Mannosereste zu erkennen und an sie zu binden. Das Bilden eines Spermienreservoirs scheint ein wichtiger Baustein für die Paarfertilität zu sein. Ein Fehlen von Faktoren, die das Binden und Halten der Spermatozoen in diesem Reservoir er- möglichen, könnte zu einer, bisher als idiopathisch eingeordneten, Reproduktionsstörung füh- ren. Tabakrauchen kann daher die funktionelle Spermienqualiät herabsetzen. Die vorliegenden Daten unterstützen bei der Kinderwunschberatung und sind neben den weiteren negativen Aus- wirkungen ein Grund, Männer zu ermutigen mit dem Rauchen aufzuhören. Marker zur funktionellen Spermienqualität sind im Fokus aktuellster reproduktionsmedizinischer Forschung und werden in der Diagnostik Schritt um Schritt die klassischen Spermiogrammparameter ergänzen.
Not available
Paschold, Rick
2022
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Paschold, Rick (2022): Auswirkungen von Tabakkonsum auf die Spermien-Eileiter-Interaktion und die männliche Fertilität. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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11MB

Abstract

Nach Daten der WHO ist jede sechste Partnerschaft in Europa ungewollt kinderlos. In der Hälfte der Fälle liegt eine Fertilitätsstörung beim Mann zugrunde, bei über einem Drittel der Patienten kann keine eindeutige Ursache für die Infertilität gefunden werden (idiopathische Infertilität). In diesem Zusammenhang ist Zigarettenrauchen ein häufig diskutierter Faktor mit umstrittenen Auswirkungen auf die Fertilität. Während der Passage des weiblichen Reproduktionstrakts muss es zu einer Speicherung der Spermien im sogenannten Spermienreser- voir kommen, die es ermöglicht, die Fähigkeit zur Fertilisierung aufrecht zu erhalten. Aus Tierversuchen gibt es Belege, dass Kohlenhydratreste auf dem Eileiterepithel und Lektine auf der Spermienmembran eine Bindung eingehen können. In dieser Arbeit wurde die Bindungsfähigkeit verschiedener Kohlenhydratreste an Spermatozoen evaluiert und insbesondere zwischen Rauchern und Nichtrauchern verglichen sowie mögliche Bindungspartner analysiert und dargestellt. Untersucht wurden frische humane Ejakulate von 102 Patienten, die zur Ejakulatabgabe in der Andrologischen Ambulanz der LMU München vorstellig wurden. Die Ejakulatproben wurden aufbereitet, mit FITC-konjugierten Kohlenhydratresten Sialinsäure (SA), Mannose (MA), Fu- cose (FU) und Galactose (GA) markiert, anschließend konfokalmikroskopisch ausgewertet und der Anteil der Spermien mit Kohlenhydratbindung ausgezählt. Zusätzlich erfolgten Untersuchungen mittels Durchflusszytometrie (FACS). Western- und Immunoblots wurden zur Identifizierung Kohlenhydrat-bindender Proteine durchgeführt. Insgesamt konnten 86 Nichtraucher und 16 Raucher eingeschlossen werden. Ein Großteil der Patienten war kinderlos (80,4%) und hatte einen aktuellen Kinderwunsch (83,9%). Mittels Fluoreszenzmikroskopie wurde nachgewiesen, dass auf der Spermienplasmamembran Strukturen existieren, die die untersuchten Kohlenhydratreste erkennen und binden. Die Auswertung zeigte zwischen Nichtrauchern und Rauchern für MA (p = 0,007) und FU (p < 0,001) eine signifikante, für SA (p = 0,120) und GA (p = 0,426) eine nicht-signifikante Verringerung der Kohlenhydratbindungskapazität. Zwischen den Nie-Rauchern und den Ex-Rauchern war kein signifikanter Unterschied nachweisbar. Eine verringerte Expression Kohlenhydrat-bindender Strukturen auf der Plasmamembran könnte trotz normaler Spermiogrammparameter zu einer verminderten Fertilität führen. Unsere Studie legt nahe, dass Rauchen hierfür ein wesentlicher Risikofaktor sein könnte, wobei eine Re- versibilität dieses Effekts ein Jahr nach Beenden des Tabakkonsums gezeigt werden konnte und mit der stetigen Spermatogenese zu erklären ist. Bei der händischen Auszählung der Spermien können Fehlen auftreten. Als Alternativmethode wurde in der Arbeit daher die Durchflusszytometrie vorgestellt, die auch für eine Diagnostik im klinischen Alltag praktikabel sein könnte. Wir konnten erstmals auf humanen Spermatozoen das Lektin VIP36 (36 kDa vesicular integral protein) nachweisen, das fähig wäre Mannosereste zu erkennen und an sie zu binden. Das Bilden eines Spermienreservoirs scheint ein wichtiger Baustein für die Paarfertilität zu sein. Ein Fehlen von Faktoren, die das Binden und Halten der Spermatozoen in diesem Reservoir er- möglichen, könnte zu einer, bisher als idiopathisch eingeordneten, Reproduktionsstörung füh- ren. Tabakrauchen kann daher die funktionelle Spermienqualiät herabsetzen. Die vorliegenden Daten unterstützen bei der Kinderwunschberatung und sind neben den weiteren negativen Aus- wirkungen ein Grund, Männer zu ermutigen mit dem Rauchen aufzuhören. Marker zur funktionellen Spermienqualität sind im Fokus aktuellster reproduktionsmedizinischer Forschung und werden in der Diagnostik Schritt um Schritt die klassischen Spermiogrammparameter ergänzen.