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Auswirkungen von akutem Stress auf Placeboeffekte in der Behandlung akuter Übelkeit. eine experimentelle Studie
Auswirkungen von akutem Stress auf Placeboeffekte in der Behandlung akuter Übelkeit. eine experimentelle Studie
Hintergrund Nausea ist ein weitverbreitetes Symptom und Nebenwirkung vieler Therapien. Es ist eine Vielzahl verschiedener Antiemetika verfügbar; allerdings lindern diese in erster Linie Emesis, nicht jedoch Nausea. In der Literatur ist die Rolle von Lernvorgängen und (mal-)adaptiven Prozessen in der Entstehung von Nausea in beiderlei Richtung vielfach beschrieben: Einerseits zeigt das Beispiel der antizipatorischen Übelkeit in der Chemotherapie, wie Lernvorgänge Symptome verstärken können. Anderseits zeigen Metaanalysen einen signifikanten Placeboeffekt in der Behandlung von Nausea, der auf die Existenz potenter adaptiver Prozesse in Nauseentstehung und -verarbeitung hindeutet. Ein tieferes Verständnis dieser neurobiologischen Vorgänge ist elementar um die Therapieoptionen für dieses häufige Symptom zu verbessern. In der vorliegenden Untersuchung werden diese in einem Placebomodell in Zusammenhang mit akutem Stress genauer betrachtet. Methodik 92 Frauen zwischen 18 und 35 Jahren, die zu Reiseübelkeit neigen, wurden in die Studie eingeschlossen und in einem 2x3 Design in „Stress/Nonstress“ (N=46/46) und in „Placebo/Verum/Kontrolle“ (N=40/12/40) randomisiert. Die Verumgruppen wurden lediglich für Verblindungszwecke eingeführt, da die Probanden so wahrheitsgemäß darüber informiert werden konnten, sie würden entweder eine etablierte Behandlung oder eine Placebobehandlung bekommen. In der Analyse wurden die Verumgruppen nicht betrachtet, sodass letztlich die Daten von 80 Probanden in einem 2x2 Design ausgewertet wurden. Für die Stressinduktion wurde der „Maastricht Acute Stress Test” bzw. seine Kontrollversion verwendet (MAST, Smeets et al., 2012). Die Verumbehandlung bestand aus Transkutaner Elektrischer Nervenstimulation (TENS) am P6 Akkupunkturpunkt. In der Placebogruppe wurde TENS an einem Dummy-Punkt appliziert. Nausea wurde mit einem Vektionsreiz induziert. Eine Projektion von schwarzen und weißen vertikalen Streifen auf eine semizylindrische, semitransparente eine Rotationsillusion, die bei suszeptiblen Personen zu Übelkeit führt. Es wurden physiologische (Elektrogastrogramm, Cortisolspiegel, Herzfrequenzvariabilität) und behaviorale Daten (u.a. Symptomratings mittels numerischer Ratingskala; validierte Fragebögen wie „PANAS“ (Watson et al., 1988) und „STAI State“ (Spielberger, 2010)) erhoben. Primäre Endpunkte waren subjektive Übelkeit auf einer Numerischen Ratingskala und myoelektrische gastrische Aktivität (Normo-To-Tachy Ratio). Weitere Daten wurden in explorativen Analysen ausgewertet. Ergebnisse Die Placebointervention reduzierte subjektive Übelkeit signifikant (F(2,79)=35.73, p<.001, η²=.323). Dieser Effekt wurde nicht durch akuten Stress beeinträchtigt (Vergleichsanalysen zwischen Placebo/Stress und Placebo/Nonstress-Bedingung nicht signifikant). Analyse der myoelektrischen gastrischen Aktivität zeigte dagegen eine signifikante Interaktion zwischen den Faktoren „Stress“ und „Placebo“ (F(2,79)=4.68, p<.05, η²=.059). Ein Effekt der Placebointervention auf myoelektrische gastrische Aktivität ließ sich nur in der Kontroll- (=Nonstress-), nicht der Stressbedingung beobachten. Fazit Die Placebointervention hatte einen starken Einfluss auf subjektive Übelkeit, der gegenüber der akuten Stressintervention resistent war. Physiologische Parameter dagegen zeigten nur in der Kontrollbedingung (=Nonstressbedingung) einen messbaren Placeboeffekt. Dies deutet darauf hin, dass akuter Stress die Entstehung von Placeboeffekten zumindest auf physiologischer Ebene beeinträchtigen könnte.
Not available
Jacob, Carmen
2022
German
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Jacob, Carmen (2022): Auswirkungen von akutem Stress auf Placeboeffekte in der Behandlung akuter Übelkeit: eine experimentelle Studie. Dissertation, LMU München: Faculty of Medicine
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Abstract

Hintergrund Nausea ist ein weitverbreitetes Symptom und Nebenwirkung vieler Therapien. Es ist eine Vielzahl verschiedener Antiemetika verfügbar; allerdings lindern diese in erster Linie Emesis, nicht jedoch Nausea. In der Literatur ist die Rolle von Lernvorgängen und (mal-)adaptiven Prozessen in der Entstehung von Nausea in beiderlei Richtung vielfach beschrieben: Einerseits zeigt das Beispiel der antizipatorischen Übelkeit in der Chemotherapie, wie Lernvorgänge Symptome verstärken können. Anderseits zeigen Metaanalysen einen signifikanten Placeboeffekt in der Behandlung von Nausea, der auf die Existenz potenter adaptiver Prozesse in Nauseentstehung und -verarbeitung hindeutet. Ein tieferes Verständnis dieser neurobiologischen Vorgänge ist elementar um die Therapieoptionen für dieses häufige Symptom zu verbessern. In der vorliegenden Untersuchung werden diese in einem Placebomodell in Zusammenhang mit akutem Stress genauer betrachtet. Methodik 92 Frauen zwischen 18 und 35 Jahren, die zu Reiseübelkeit neigen, wurden in die Studie eingeschlossen und in einem 2x3 Design in „Stress/Nonstress“ (N=46/46) und in „Placebo/Verum/Kontrolle“ (N=40/12/40) randomisiert. Die Verumgruppen wurden lediglich für Verblindungszwecke eingeführt, da die Probanden so wahrheitsgemäß darüber informiert werden konnten, sie würden entweder eine etablierte Behandlung oder eine Placebobehandlung bekommen. In der Analyse wurden die Verumgruppen nicht betrachtet, sodass letztlich die Daten von 80 Probanden in einem 2x2 Design ausgewertet wurden. Für die Stressinduktion wurde der „Maastricht Acute Stress Test” bzw. seine Kontrollversion verwendet (MAST, Smeets et al., 2012). Die Verumbehandlung bestand aus Transkutaner Elektrischer Nervenstimulation (TENS) am P6 Akkupunkturpunkt. In der Placebogruppe wurde TENS an einem Dummy-Punkt appliziert. Nausea wurde mit einem Vektionsreiz induziert. Eine Projektion von schwarzen und weißen vertikalen Streifen auf eine semizylindrische, semitransparente eine Rotationsillusion, die bei suszeptiblen Personen zu Übelkeit führt. Es wurden physiologische (Elektrogastrogramm, Cortisolspiegel, Herzfrequenzvariabilität) und behaviorale Daten (u.a. Symptomratings mittels numerischer Ratingskala; validierte Fragebögen wie „PANAS“ (Watson et al., 1988) und „STAI State“ (Spielberger, 2010)) erhoben. Primäre Endpunkte waren subjektive Übelkeit auf einer Numerischen Ratingskala und myoelektrische gastrische Aktivität (Normo-To-Tachy Ratio). Weitere Daten wurden in explorativen Analysen ausgewertet. Ergebnisse Die Placebointervention reduzierte subjektive Übelkeit signifikant (F(2,79)=35.73, p<.001, η²=.323). Dieser Effekt wurde nicht durch akuten Stress beeinträchtigt (Vergleichsanalysen zwischen Placebo/Stress und Placebo/Nonstress-Bedingung nicht signifikant). Analyse der myoelektrischen gastrischen Aktivität zeigte dagegen eine signifikante Interaktion zwischen den Faktoren „Stress“ und „Placebo“ (F(2,79)=4.68, p<.05, η²=.059). Ein Effekt der Placebointervention auf myoelektrische gastrische Aktivität ließ sich nur in der Kontroll- (=Nonstress-), nicht der Stressbedingung beobachten. Fazit Die Placebointervention hatte einen starken Einfluss auf subjektive Übelkeit, der gegenüber der akuten Stressintervention resistent war. Physiologische Parameter dagegen zeigten nur in der Kontrollbedingung (=Nonstressbedingung) einen messbaren Placeboeffekt. Dies deutet darauf hin, dass akuter Stress die Entstehung von Placeboeffekten zumindest auf physiologischer Ebene beeinträchtigen könnte.