Logo Logo
Hilfe
Kontakt
Switch language to English
Medikamentöse Atemnottherapie von Kindern mit schwerer Spinaler Muskelatrophie Typ 1
Medikamentöse Atemnottherapie von Kindern mit schwerer Spinaler Muskelatrophie Typ 1
Hintergrund: Die proximale spinale Muskelatrophie Typ 1 (SMA1, Werdnig-Hoffman Disease) ist eine genetische Erkrankung, die sich im frühen Säuglingsalter manifestiert und unbehandelt durch progredientes Versagen der Atemmuskulatur innerhalb der ersten zwei Lebensjahre zum Tod führt. In der palliativen Versorgung dieser Kinder ist Atemnot das führende Symptom. Eine Atemnottherapie mit Morphin stellt hierbei den Goldstandard der pharmakologischen Symptomkontrolle dar. Fragestellung: Das Ziel dieser Arbeit ist die detaillierte Beschreibung der Praxis der Pharmakotherapie der Atemnot von Kindern mit SMA1 im Rahmen einer spezialisierten ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung (SAPPV) sowie die Evaluation der Effektivität und Durchführbarkeit dieser Therapie in der ambulanten Betreuung. Methoden: Retrospektive, deskriptive Analyse der Daten zur Atemnot und ihrer pharmakologischen Therapie aus den Akten von 13 PatientInnen mit SMA1, die zwischen 2008–2016 durch das SAPPV-Team des Kinderpalliativzentrums des Klinikums der Universität München betreut wurden. Ergebnisse: Alle 13 PatientInnen erhielten eine orale Atemnottherapie mit Morphin in unretardierter oder retardierter Form. Die initiale Dosierung von im Median 0,04 mg/kg KG wurde bei progredienter Symptomlast im Verlauf an den Bedarf angepasst. Aufgrund von Unterschieden hinsichtlich des Alters bei Therapiebeginn und der Krankheits- und Therapieverläufe konnten die PatientInnen drei Gruppen zugeordnet werden. PatientInnen, die bei Diagnosestellung und Aufnahme in die SAPPV jünger als 6 Monate waren, benötigten zur suffizienten Symptomkontrolle im Median höhere Morphindosierungen als PatientInnen, die später diagnostiziert und in die SAPPV aufgenommen wurden. Vorbehalte gegenüber einer Behandlung der Atemnot mit Morphin prägten bei der dritten Gruppe den überwiegend kurzen Verlauf. Die Verläufe der Morphintherapie wurden mit Hilfe mathematischer Modelle untersucht und anhand klinischer Fallvignetten veranschaulicht. Zusammenfassung: Die Behandlung der Atemnot war in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung von Kindern mit SMA1 wirksam und überwiegend gut durchführbar. Abhängig vom Zeitpunkt der Diagnosestellung zeigten sich Unterschiede in der Dynamik der Atemnot und dem resultierenden Bedarf an medikamentöser Therapie. Unterschiede zwischen den drei verschiedenen PatientInnengruppen basieren neben der Ausprägung der Symptomatik auch auf psychosozialen Faktoren, wie z.B. elterlichen Vorbehalten gegenüber einer Behandlung mit Morphin. Neue Entwicklungen in der kausalen Therapie der SMA1 und in der frühzeitigen Diagnosestellung im Rahmen des postnatalen Screenings verbessern die Prognose der Erkrankung erheblich, so dass eine signifikante Beeinträchtigung der Atemmuskulatur und damit die Notwendigkeit einer Atemnottherapie nur noch in seltenen Fällen eines bereits intrauterinen Beginns der Erkrankung (SMA0) oder bei Kindern mit stark verzögerter Diagnosestellung zu erwarten ist.
Not available
Chadid-Stetter, Amira
2022
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Chadid-Stetter, Amira (2022): Medikamentöse Atemnottherapie von Kindern mit schwerer Spinaler Muskelatrophie Typ 1. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
[thumbnail of Chadid-Stetter_Amira.pdf]
Vorschau
PDF
Chadid-Stetter_Amira.pdf

1MB

Abstract

Hintergrund: Die proximale spinale Muskelatrophie Typ 1 (SMA1, Werdnig-Hoffman Disease) ist eine genetische Erkrankung, die sich im frühen Säuglingsalter manifestiert und unbehandelt durch progredientes Versagen der Atemmuskulatur innerhalb der ersten zwei Lebensjahre zum Tod führt. In der palliativen Versorgung dieser Kinder ist Atemnot das führende Symptom. Eine Atemnottherapie mit Morphin stellt hierbei den Goldstandard der pharmakologischen Symptomkontrolle dar. Fragestellung: Das Ziel dieser Arbeit ist die detaillierte Beschreibung der Praxis der Pharmakotherapie der Atemnot von Kindern mit SMA1 im Rahmen einer spezialisierten ambulanten pädiatrischen Palliativversorgung (SAPPV) sowie die Evaluation der Effektivität und Durchführbarkeit dieser Therapie in der ambulanten Betreuung. Methoden: Retrospektive, deskriptive Analyse der Daten zur Atemnot und ihrer pharmakologischen Therapie aus den Akten von 13 PatientInnen mit SMA1, die zwischen 2008–2016 durch das SAPPV-Team des Kinderpalliativzentrums des Klinikums der Universität München betreut wurden. Ergebnisse: Alle 13 PatientInnen erhielten eine orale Atemnottherapie mit Morphin in unretardierter oder retardierter Form. Die initiale Dosierung von im Median 0,04 mg/kg KG wurde bei progredienter Symptomlast im Verlauf an den Bedarf angepasst. Aufgrund von Unterschieden hinsichtlich des Alters bei Therapiebeginn und der Krankheits- und Therapieverläufe konnten die PatientInnen drei Gruppen zugeordnet werden. PatientInnen, die bei Diagnosestellung und Aufnahme in die SAPPV jünger als 6 Monate waren, benötigten zur suffizienten Symptomkontrolle im Median höhere Morphindosierungen als PatientInnen, die später diagnostiziert und in die SAPPV aufgenommen wurden. Vorbehalte gegenüber einer Behandlung der Atemnot mit Morphin prägten bei der dritten Gruppe den überwiegend kurzen Verlauf. Die Verläufe der Morphintherapie wurden mit Hilfe mathematischer Modelle untersucht und anhand klinischer Fallvignetten veranschaulicht. Zusammenfassung: Die Behandlung der Atemnot war in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung von Kindern mit SMA1 wirksam und überwiegend gut durchführbar. Abhängig vom Zeitpunkt der Diagnosestellung zeigten sich Unterschiede in der Dynamik der Atemnot und dem resultierenden Bedarf an medikamentöser Therapie. Unterschiede zwischen den drei verschiedenen PatientInnengruppen basieren neben der Ausprägung der Symptomatik auch auf psychosozialen Faktoren, wie z.B. elterlichen Vorbehalten gegenüber einer Behandlung mit Morphin. Neue Entwicklungen in der kausalen Therapie der SMA1 und in der frühzeitigen Diagnosestellung im Rahmen des postnatalen Screenings verbessern die Prognose der Erkrankung erheblich, so dass eine signifikante Beeinträchtigung der Atemmuskulatur und damit die Notwendigkeit einer Atemnottherapie nur noch in seltenen Fällen eines bereits intrauterinen Beginns der Erkrankung (SMA0) oder bei Kindern mit stark verzögerter Diagnosestellung zu erwarten ist.