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Untersuchungen zur Degradation von DNA in Knochen und deren Anwendbarkeit für die Liegezeitbestimmung von Skelettfunden
Untersuchungen zur Degradation von DNA in Knochen und deren Anwendbarkeit für die Liegezeitbestimmung von Skelettfunden
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Publikationen zur Identifikation und Geschlechtsbestimmung von menschlichen Leichen und Knochenfunden an Hand von DNA-Analysen veröffentlicht. Entsprechende Ansätze zur Liegezeitbestimmung existieren hingegen nur sehr wenige. Dies mag seine Ursachen darin haben, dass über den Zerfall der DNA nach dem Tode (Degradation) nur sehr wenig bekannt ist. In der vorliegenden Arbeit wurden 14 Proben aus menschlichen Oberschenkelknochen mit bekannter Liegedauer zwischen 1 und 200-600 Jahren untersucht. Diese stammen mit Ausnahme der ältesten Knochen allesamt aus Umbettungen bzw. Exhumierungen von lokalen Münchner Friedhöfen, sodass die dort vorherrschenden Liegebedingungen bezüglich Witterungseinflüsse und Bodenart auf Grund ihrer engen geographischen Beziehung als vergleichbar betrachtet werden können. Aus jedem der langen Röhrenknochen wurde exakt aus der Mitte der Diaphyse ein ca. 2 cm breites Stück herausgesägt. Die dadurch entstandenen Knochenquerschnitte wurden wiederum in drei etwa gleich breite Bereiche zersägt: einen inneren, dem Knochenmark zugewandten Bereich, eine mittlere Zone sowie ein äußeres Areal mit Kontakt zur Knochen-Umgebung (Weichteile, Sarg, Erde etc.). Aus jeder dieser Zonen wurde die DNA extrahiert; anfangs mit der Methode nach Boom et al. (1990) und Haas et al. (2000b), später mit Hilfe des First-DNA Kits von GEN-IAL. Im direkten Vergleich der beiden Extraktionsmethoden erwies sich die letztgenannte als wesentlich effektiver, sowohl im Hinblick auf die Quantität als auch auf die Qualität der DNA. Die Quantität der extrahierten DNA wurde mit einem RNA/DNA-Calculator photometrisch bestimmt. Dabei zeigte sich, dass die äußeren Knochenabschnitte tendenziell die höchsten (Mittelwert 180,4 ng/µl), die mittleren Abschnitte die niedrigsten (Mittelwert 121,6 ng/µl) Konzentrationen an DNA aufwiesen. Ein Zusammenhang zwischen dem Liegealter der Knochen und der gemessenen DNA-Menge konnte nicht verifiziert werden. Um den Erhaltungszustand der extrahierten DNA beurteilen zu können, wurden verschiedene Polymerase-Ketten-Reaktionen (Produktlängen: 150, 200, 507, 763 bp) durchgeführt. Hierfür wurden Primer aus dem humanspezifischen ß-Actin-Gen verwendet, wodurch eine Verfälschung der Ergebnisse durch bakterielle DNA bereits ausgeschlossen werden konnte. Bevor mit der extrahierten aDNA gearbeitet werden konnte, mussten zunächst die PCR-Bedingungen, d.h. die Hybridisierungstemperatur, die MgCl2-Konzentration und die einzusetzende DNA-Menge (Template) optimiert werden. Mit Hilfe des optimierten Protokolls wurden dann die eigentlichen Untersuchungen vorgenommen. Im Gegensatz zur quantitativen DNA-Bestimmung ließ sich feststellen, dass im mittleren Knochenabschnitt wesentlich häufiger spezifische Amplikons nachweisbar sind als im inneren und äußeren Drittel. Dies spricht dafür, dass die DNA im mittleren Bereich des Knochens zwar in geringerer Menge vorliegt, aber von besserem Erhaltungszustand ist. Dies weist zudem darauf hin, dass aus dem äußeren Knochendrittel zwar die größte Menge an DNA extrahiert werden kann, doch ist diese entweder besonders stark degradiert oder sie ist mit einer großen Menge an Fremd-DNA (v.a. bakterieller DNA) vermischt. Somit scheint die DNA-Degradationsrate in den zentralen Knochenanteilen am geringsten zu sein, bedingt durch den besten Schutz vor Umwelteinflüssen und bakterieller Besiedelung. Die Untersuchungen zur Fragmentlänge der aDNA ergaben einen Zusammenhang zwischen Fragmentgröße und Liegealter. So konnte festgestellt werden, dass „große“ Fragmente der aDNA (763 bp) lediglich innerhalb der ersten 8 Jahre post mortem nachweisbar sind, während etwas kleinere Fragmente mit einer Größe bis 507 bp überwiegend bis rund 15 Jahren nachweisbar sind. Kleine Fragmente von 150 bp Größe (ebenso wie in die in den zusätzlichen „Kontrolluntersuchungen“ erfassten Amplifikate von 200 bp Größe) sind auch in erheblich älterem Material nachweisbar. So fanden sich diese kleine Fragmente in dem bis 34 Jahre post mortem reichenden Material, wie auch in historischem Material eines Gebeinhauses, das – trotz anderen Lagerungs-bedingungen als bei dem rein bodengelagerten Material – mindestens 200 Jahre (bis 600 Jahre) alt war. Darüber hinaus ließ sich in einem Fall mit Liegealter von 34 Jahren ein spezifisches Amplifikationsprodukt von 507 bp Größe feststellen. Somit können auch „größere“ aDNA-Fragmente über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben. Diese Tatsache schränkt den prinzipiellen Wert der Analyse für die forensische Diagnostik ein, da der Nachweis von größeren aDNA-Fragmenten demnach keine sichere Zuordnung zu bestimmten Bereichen des Liegealters erlaubt. In der forensischen Praxis kann jedoch eine Untersuchung, wie hier vorgestellt, im Einzelfall durchaus relevante Informationen liefern und zu einer möglicherweise genaueren Aussage führen. Zweifellos sind weitere Untersuchungen unter Einbeziehung zusätzlicher technischer Entwicklungen notwendig, um die Aussagefähigkeit noch zu verbessern.
Rechtsmedizin, DNA, Degradation, Liegezeitbestimmung, Knochen
Kaiser, Christina
2005
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Kaiser, Christina (2005): Untersuchungen zur Degradation von DNA in Knochen und deren Anwendbarkeit für die Liegezeitbestimmung von Skelettfunden. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Publikationen zur Identifikation und Geschlechtsbestimmung von menschlichen Leichen und Knochenfunden an Hand von DNA-Analysen veröffentlicht. Entsprechende Ansätze zur Liegezeitbestimmung existieren hingegen nur sehr wenige. Dies mag seine Ursachen darin haben, dass über den Zerfall der DNA nach dem Tode (Degradation) nur sehr wenig bekannt ist. In der vorliegenden Arbeit wurden 14 Proben aus menschlichen Oberschenkelknochen mit bekannter Liegedauer zwischen 1 und 200-600 Jahren untersucht. Diese stammen mit Ausnahme der ältesten Knochen allesamt aus Umbettungen bzw. Exhumierungen von lokalen Münchner Friedhöfen, sodass die dort vorherrschenden Liegebedingungen bezüglich Witterungseinflüsse und Bodenart auf Grund ihrer engen geographischen Beziehung als vergleichbar betrachtet werden können. Aus jedem der langen Röhrenknochen wurde exakt aus der Mitte der Diaphyse ein ca. 2 cm breites Stück herausgesägt. Die dadurch entstandenen Knochenquerschnitte wurden wiederum in drei etwa gleich breite Bereiche zersägt: einen inneren, dem Knochenmark zugewandten Bereich, eine mittlere Zone sowie ein äußeres Areal mit Kontakt zur Knochen-Umgebung (Weichteile, Sarg, Erde etc.). Aus jeder dieser Zonen wurde die DNA extrahiert; anfangs mit der Methode nach Boom et al. (1990) und Haas et al. (2000b), später mit Hilfe des First-DNA Kits von GEN-IAL. Im direkten Vergleich der beiden Extraktionsmethoden erwies sich die letztgenannte als wesentlich effektiver, sowohl im Hinblick auf die Quantität als auch auf die Qualität der DNA. Die Quantität der extrahierten DNA wurde mit einem RNA/DNA-Calculator photometrisch bestimmt. Dabei zeigte sich, dass die äußeren Knochenabschnitte tendenziell die höchsten (Mittelwert 180,4 ng/µl), die mittleren Abschnitte die niedrigsten (Mittelwert 121,6 ng/µl) Konzentrationen an DNA aufwiesen. Ein Zusammenhang zwischen dem Liegealter der Knochen und der gemessenen DNA-Menge konnte nicht verifiziert werden. Um den Erhaltungszustand der extrahierten DNA beurteilen zu können, wurden verschiedene Polymerase-Ketten-Reaktionen (Produktlängen: 150, 200, 507, 763 bp) durchgeführt. Hierfür wurden Primer aus dem humanspezifischen ß-Actin-Gen verwendet, wodurch eine Verfälschung der Ergebnisse durch bakterielle DNA bereits ausgeschlossen werden konnte. Bevor mit der extrahierten aDNA gearbeitet werden konnte, mussten zunächst die PCR-Bedingungen, d.h. die Hybridisierungstemperatur, die MgCl2-Konzentration und die einzusetzende DNA-Menge (Template) optimiert werden. Mit Hilfe des optimierten Protokolls wurden dann die eigentlichen Untersuchungen vorgenommen. Im Gegensatz zur quantitativen DNA-Bestimmung ließ sich feststellen, dass im mittleren Knochenabschnitt wesentlich häufiger spezifische Amplikons nachweisbar sind als im inneren und äußeren Drittel. Dies spricht dafür, dass die DNA im mittleren Bereich des Knochens zwar in geringerer Menge vorliegt, aber von besserem Erhaltungszustand ist. Dies weist zudem darauf hin, dass aus dem äußeren Knochendrittel zwar die größte Menge an DNA extrahiert werden kann, doch ist diese entweder besonders stark degradiert oder sie ist mit einer großen Menge an Fremd-DNA (v.a. bakterieller DNA) vermischt. Somit scheint die DNA-Degradationsrate in den zentralen Knochenanteilen am geringsten zu sein, bedingt durch den besten Schutz vor Umwelteinflüssen und bakterieller Besiedelung. Die Untersuchungen zur Fragmentlänge der aDNA ergaben einen Zusammenhang zwischen Fragmentgröße und Liegealter. So konnte festgestellt werden, dass „große“ Fragmente der aDNA (763 bp) lediglich innerhalb der ersten 8 Jahre post mortem nachweisbar sind, während etwas kleinere Fragmente mit einer Größe bis 507 bp überwiegend bis rund 15 Jahren nachweisbar sind. Kleine Fragmente von 150 bp Größe (ebenso wie in die in den zusätzlichen „Kontrolluntersuchungen“ erfassten Amplifikate von 200 bp Größe) sind auch in erheblich älterem Material nachweisbar. So fanden sich diese kleine Fragmente in dem bis 34 Jahre post mortem reichenden Material, wie auch in historischem Material eines Gebeinhauses, das – trotz anderen Lagerungs-bedingungen als bei dem rein bodengelagerten Material – mindestens 200 Jahre (bis 600 Jahre) alt war. Darüber hinaus ließ sich in einem Fall mit Liegealter von 34 Jahren ein spezifisches Amplifikationsprodukt von 507 bp Größe feststellen. Somit können auch „größere“ aDNA-Fragmente über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben. Diese Tatsache schränkt den prinzipiellen Wert der Analyse für die forensische Diagnostik ein, da der Nachweis von größeren aDNA-Fragmenten demnach keine sichere Zuordnung zu bestimmten Bereichen des Liegealters erlaubt. In der forensischen Praxis kann jedoch eine Untersuchung, wie hier vorgestellt, im Einzelfall durchaus relevante Informationen liefern und zu einer möglicherweise genaueren Aussage führen. Zweifellos sind weitere Untersuchungen unter Einbeziehung zusätzlicher technischer Entwicklungen notwendig, um die Aussagefähigkeit noch zu verbessern.