Ringwald, Jakob (2022): Relevanz und Prävalenz von Diagnosefehlern in der medizinischen Ausbildung aus Expertensicht verglichen mit einer studentischen Stichprobe. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät |
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Abstract
Confirming a diagnosis in medicine is a complex process in which diagnostic errors oc-cur frequently. Between 70 and 80 percent of these are due to cognitive errors. The small remaining part are non-cognitive errors related to the environment, system, technology, collaboration or patient itself. Various studies have already shown that the identification of relevant symptoms and clinical signs and the establishment of a plausible working di-agnosis are very difficult for young doctors in everyday clinical practice. In order to bet-ter understand the complex process of finding the right diagnosis, data from qualitative and quantitative studies were analysed using a mixed method approach. The mixed meth-od approach is still underrepresented in diagnostic error research. In the first step of this study, the prevalence and relevance of diagnostic errors were ascertained in the context of partially standardized expert interviews. For this purpose, a total of ten interviews with four experts of general medicine and six experts of internal medicine were evaluated, es-pecially in regard to predicted errors in confirming a diagnosis. On the basis of authentic patient cases for the clinical picture of arterial hypertension and hyperthyroidism relevant errors were recorded and explored in the context of diagnostics based on the medical his-tory, physical examination, laboratory and imaging. The errors identified by the experts were divided into an established, somewhat modified error taxonomy according to Gra-ber. Over 90 percent of the errors mentioned could be assigned to one of the four cogni-tive subcategories (1. Faulty knowledge, 2. Faulty data gathering, 3. Faulty synthesis, 4. Faulty verification). In addition, the expert interviews revealed that young medical pro-fessionals make fundamentally different mistakes than experienced (specialist) doctors. Differences and similarities with regard to the classification of errors could be shown be-tween the experts in general and internal medicine. Both groups of experts underlined the identification of relevant symptoms and clinical signs and the establishment of a plausi-ble working diagnosis as the main problem of the novice. The experts of general medi-cine emphasised the non-cognitive errors more frequently than their colleagues of inter-nal medicine. In this group the cognitive errors (in particular Faulty synthesis and Faulty verification) were the most significant error in confirming a diagnosis. In a second step, the cognitive errors predicted by the experts were examined in a subsequent cross-sectional study with a quantitative study design in a sample of medical students. The stu-dents were in the 4th or 5th year of their medical studies and worked on four different types of tasks in order to solve cases on the diseases of arterial hypertension and hyper-thyroidism in an online learning environment. Participants were divided into three groups with different learning conditions (problem solving tasks, multiple case examples, reflec-tion prompts). The aim of the cross-sectional study was to draw conclusions about the re-spective cognitive errors via the deficits in the various types of knowledge. The high im-portance of the cognitive error categories (in particular Faulty data gathering, Faulty syn-thesis and Faulty verification) forecasted by the experts were largely confirmed in the cross-sectional study. However, there was no significant difference in the results between the three learning conditions used. Derived from these two studies, suggestions for im-proving teaching in medical studies were developed, though the effectiveness of such learning interventions needs to be researched in further studies.
Abstract
Die Diagnosestellung in der Medizin ist ein komplexer Prozess, bei dem immer wieder Diagnosefehler auftreten. Zwischen 70 und 80 Prozent dieser sind auf kognitive Fehler zurückzuführen. Der kleine verbleibende Teil sind nicht-kognitive Fehler, die sich auf Umfeld, System, Technik, Zusammenarbeit oder den Patienten selbst beziehen. Diverse Studien konnten bereits zeigen, dass gerade die Identifizierung von relevanten Sympto-men und klinischen Zeichen und die Aufstellung einer plausiblen Arbeitsdiagnose jungen Medizinern im klinischen Alltag schwerfallen. Um den komplexen Prozess der richtigen Diagnosefindung besser verstehen zu können, wurden mittels eines Mixed-Method-Ansatzes Daten von qualitativen und quantitativen Untersuchungen analysiert. Der Mixed-Method-Ansatz ist innerhalb der Diagnosefehlerforschung noch unterrepräsen-tiert. In dieser Arbeit wurde in einem ersten Schritt die Prävalenz und Relevanz von Di-agnosefehlern im Rahmen von teilstandardisierten Experteninterviews erhoben. Hierzu wurden für diese Untersuchung insgesamt zehn Interviews mit vier Experten aus der All-gemeinmedizin und sechs Experten aus der Inneren Medizin ausgewertet. Anhand von au-thentischen Patientenfällen zu den Krankheitsbildern arterielle Hypertonie und Hyperthy-reose wurden anderweitig relevante Fehler im Rahmen der Diagnostik anhand der Anam-nese, körperlichen Untersuchung, Labor und Bildgebung erfasst und exploriert. Die von den Experten identifizierten und prognostizierten Fehler wurden in eine etablierte, etwas modifizierte Fehlertaxonomie nach Graber eingeteilt. Über 90 % der genannten Fehler konnten einer der dort definierten vier kognitiven Subkategorien zugeordnet werden. Au-ßerdem konnte aus den Experteninterviews herausgearbeitet werden, dass junge Medizi-ner fundamental andere Fehler begehen als erfahrene (Fach-)Ärzte/-innen. Zwischen den Experten der Allgemeinmedizin und der Inneren Medizin konnten Unterschiede und Ge-meinsamkeiten bzgl. der Fehlereinordnung aufgezeigt werden. Beide Expertengruppen sahen die Identifikation von relevanten Symptomen und klini-schen Zeichen und die Entwicklung einer plausiblen Arbeitsdiagnose als die Haupt-schwierigkeit der Novizen im Diagnosestellungsprozess. Die Allgemeinmediziner beto-nen etwas häufiger nicht-kognitive Fehler als ihre Kollegen der Inneren Medizin. In die-ser Gruppe waren die kognitiven Fehler (insbesondere Fehlerhafter Umgang mit Informa-tionen und fehlerhafte Verifizierung) die häufigsten Fehler bei der Diagnosestellung. In einem zweiten Schritt wurden die kognitiven Fehler, die von den Experten prognosti-ziert wurden, in einer Querschnittstudie mit einem quantitativen Ansatz an einer Studie-rendenstichprobe untersucht. Die Studierenden befanden sich im 4./5. Jahr des Medizin-studiums und bearbeiteten Fälle in einer onlinebasierten Lernumgebung mit vier ver-schiedene Aufgabentypen zu den Krankheitsbildern arterielle Hypertonie und Hyperthy-reose. Sie wurden dabei in drei Gruppen mit drei verschiedenen Lernbedingungen/ -interventionen (Lösungsbeispiel, Multiple Choice, Reflektion) eingeteilt. Ziel der Quer-schnittstudie war es, über die Defizite in den verschiedenen Wissensarten auf die jeweili-gen kognitiven Fehler rückzuschließen. Das Vorkommen und die hohe Bedeutung der sei-tens der Experten prognostizierten kognitiven Fehlerkategorien bestätigte sich in der Querschnittstudie weitestgehend. Jedoch zeigte sich, anders als initial vermutet, zwischen den drei eingesetzten Lernbedingungen kein signifikanter Unterschied in den Ergebnis-sen. Aus diesen zwei Untersuchungen konnten Vorschläge (wie z. B. ein fallbasiertes Fehlertraining für die Identifikation von Leitsymptomen und Aufstellung einer Arbeitsdi-agnose) zur Verbesserung der Lehre im Medizinstudium entwickelt werden. Die Wirk-samkeit solcher Lerninterventionen muss allerdings in weiteren Studien noch näher er-forscht werden.
Dokumententyp: | Dissertationen (Dissertation, LMU München) |
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Keywords: | Diagnosekompetenz, Prävalenz und Relevanz von Diagnosefehlern bei Novizen, Diagnosefehlern in der medizinischen Ausbildung, Diagnosefindung, Diagnoseerstellung, Diagnosestellungsprozess, kognitive Fehler, kognitiven Fehlerkategorien, modifizierte Fehlertaxonomie nach Graber, Lerninterventionen, Mixed-Method-Ansatz |
Themengebiete: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin und Gesundheit |
Fakultäten: | Medizinische Fakultät |
Sprache der Hochschulschrift: | Deutsch |
Datum der mündlichen Prüfung: | 30. Juni 2022 |
1. Berichterstatter:in: | Fischer, Martin |
MD5 Prüfsumme der PDF-Datei: | 1f5cf8f0059684bf6c91d97e2d1bc163 |
Signatur der gedruckten Ausgabe: | 0700/UMD 20546 |
ID Code: | 30215 |
Eingestellt am: | 29. Jul. 2022 09:19 |
Letzte Änderungen: | 29. Jul. 2022 12:14 |