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Prognostisch relevante Faktoren bei Jugendlichen mit Anorexia nervosa: eine Ein-Jahres-Katamnesestudie
Prognostisch relevante Faktoren bei Jugendlichen mit Anorexia nervosa: eine Ein-Jahres-Katamnesestudie
Die Anorexia nervosa (AN) ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung, die durch Angst vor einer Gewichtszunahme und verzehrte Körperwahrnehmung mit selbstherbeigeführtem Untergewicht charakterisiert ist. Trotz geringen Lebenszeitprävalenzen von 0,9 bis 1,9 % bei Frauen und 0,2 bis 0,3 % bei Männern ist die AN für einen sehr hohen morbiditäts- und mortalitätsbedingten Verlust von Lebensjahren verantwortlich. Eine AN im Kinder- und Jugendalter kann Wachstum und Entwicklung irreversibel beeinträchtigen und das Erkrankungsalter hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Die Identifikation von Faktoren die das Ansprechen auf die Behandlung vorhersagen ist für die Erkennung von Hochrisikopatientinnen und die entsprechende Anpassung der Therapie relevant, die diesbezügliche verfügbare Datenlage ist aber ungenügend. In dieser Studie wurden 142 weibliche Jugendliche mit AN zur Aufnahme in die stationäre Behandlung und bei Entlassung untersucht. Von diesen Patientinnen nahmen 121 (85,2 %) an einer Katamneseuntersuchung 12 Monate später teil. Körpergewicht und -größe sowie Fragebögen zur Essstörungspsychopathologie (Eating Disorder Examination-Questionnaire, EDE-Q), zu depressiver Symptomatik (Beck-Depressions-Inventar revidierte Version, BDI-II) und zu Lebenszufriedenheit (Satisfaction With Life Scale, SWLS) wurden zu den drei Zeitpunkten erfasst. Ein möglicher Zusammenhang zwischen dem zeitlichen Verlauf dieser Zielgrößen, zuzüglich der Rehospitalisierungsrate, und potenziellen Prädiktoren wurde statistisch analysiert. Als mögliche Verlaufsprädiktoren wurden Alter bei Aufnahme, Alter bei Krankheitsbeginn, Subtyp der AN, Vorbehandlungen, psychische Komorbidität, Aufenthaltsdauer, stattgefundene Elemente der stationären Therapie, Psychopharmakotherapie, stattgefundene poststationäre Therapie und Prognostizierung des eigenen poststationären Gewichtsverlaufs durch die Patientin untersucht. Das Körpergewicht (gemessen an dem Body-Mass-Index-Perzentil), das EDE-Q, das BDI-II und die SWLS besserten sich während des stationären Aufenthalts und blieben im ersten Jahr nach Entlassung stabil. Bei Katamnese berichteten 29 Patientinnen (24,0 %) über eine Rehospitalisierung im vorherigen Jahr. Mit einem besseren stationären Verlauf hing lediglich das Patientinnenalter zusammen. Eine AN vom Purging-Subtyp und fehlende stationäre Voraufenthalte hingen mit einem höheren Gewicht bei Katamnese zusammen. Die Abwesenheit früherer stationärer Behandlungen war außerdem mit einer seltenen Rehospitalisierung verbunden. Das Stattfinden einer Ernährungsberatung während der stationären Behandlung hing mit einer höheren Essstörungspsychopathologie bei Aufnahme und bei Entlassung, aber nicht bei Katamnese, zusammen. Eine Teilnahme an der stationären Gruppentherapie „Aufbau gesunden Bewegungsverhaltens“ ging mit einer geringeren Lebenszufriedenheit bei Aufnahme und Entlassung, aber nicht bei Katamnese, einher. Der von den Patientinnen bei Entlassung prognostizierte poststationäre Gewichtverlauf korrelierte qualitativ sowie quantitativ mit dem tatsächlichem Gewichtsverlauf im ersten Jahr nach Entlassung. Diese Studie zeigte, dass eine stationäre Behandlung von Jugendlichen mit AN neben einer Gewichtszunahme eine Reduktion der Essstörungspsychopathologie und der depressiven Symptomatik sowie eine Steigerung der Lebenszufriedenheit und eine Stabilisierung dieser im folgenden Jahr bewirkt. Zur Prädiktorenforschung trägt diese Studie Informationen bei, die entweder neue Erkenntnisse darstellen, wie die Prognostizierung des Gewichtsverlaufs durch die Patientinnen, die der Mehrheit der bisherigen Studien widerspricht, wie der günstigere Verlauf bei einem Purging-Subtyp, oder die die bestehende Literatur befürwortet, wie das bessere Behandlungsergebnis jüngerer Patientinnen., Anorexia nervosa (AN) is a severe mental illness that is characterized by a fear of gaining weight and a distorted body perception with self-inflicted underweight. Despite the low lifetime prevalence of 0.9 to 1.9% in women and 0.2 to 0.3% in men, AN is responsible for a very high loss of years of life due to morbidity and mortality. AN in children and adolescents can irreversibly impair growth and development and it's age of onset has decreased in the last decades. Determining factors that predict response to treatment is relevant for the identification of high-risk patients and for the accordingly adaptation of therapy, but the pertinent available data is insufficient. In this study, 142 female adolescents with AN were examined at admission to inpatient treatment and upon discharge. Of these patients, 121 (85.2%) took part in a follow-up examination 12 months after discharge. Body weight and height, as well as questionnaires on eating disorder psychopathology (Eating Disorder Examination-Questionnaire, EDE-Q), depressive symptoms (revised Beck Depression Inventory, BDI-II) and life satisfaction (Satisfaction With Life Scale, SWLS) were assessed at these three points in time. The re-hospitalization rate was also determined. A possible relationship between the course of these clinical variables during inpatient treatment and in the following year and potential predictors was statistically analyzed. The potential predictors examined were age at admission, age at onset of illness, subtype of AN, previous treatments, psychological comorbidities, length of stay, therapeutic components of inpatient treatment, psychopharmacotherapy, post-discharge therapy and the patient’s prediction of their own weight course after discharge. The body weight (measured as the percentile of the body mass index), the EDE-Q, the BDI-II and the SWLS improved during the inpatient treatment and remained stable in the first year after discharge. At the 12-month follow-up 29 patients (24.0%) reported a re-hospitalization in the past year. The only variable that showed a correlation with improved outcome of the inpatient treatment was age at admission. A purging subtype of AN and a lack of previous inpatient treatments were correlated to a higher weight at follow-up. The absence of previous inpatient treatment was also associated with a lower risk of readmission. Patients that received nutrition counseling during the inpatient treatment showed higher eating disorder psychopathology at admission and at discharge, but not at follow-up. Participation in the inpatient group therapy “establishing healthy exercise behavior” was associated with lower life satisfaction on admission and discharge, but not on follow-up. The own weight course in the first year after inpatient treatment could be successfully predicted by the patients at discharge, qualitatively as well as quantitatively. This study showed that inpatient treatment for adolescents with AN improves body weight, eating disorder psychopathology, depressive symptoms and quality of life with a stabilization of those parameters in the first year after discharge. It‘s contribution to predictors research consists of new findings, such as the prognosis of the weight course by the patients, of information that contradicts the majority of previous studies, such as a more favorable course for the purging subtype of AN, or that supports the available literature, such as a better treatment outcome in younger patients.
Anorexia nervosa, Jugendliche, Prognose, Verlauf, Stationäre Behandlung
Furst Loredo, Artur
2022
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Furst Loredo, Artur (2022): Prognostisch relevante Faktoren bei Jugendlichen mit Anorexia nervosa: eine Ein-Jahres-Katamnesestudie. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Die Anorexia nervosa (AN) ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung, die durch Angst vor einer Gewichtszunahme und verzehrte Körperwahrnehmung mit selbstherbeigeführtem Untergewicht charakterisiert ist. Trotz geringen Lebenszeitprävalenzen von 0,9 bis 1,9 % bei Frauen und 0,2 bis 0,3 % bei Männern ist die AN für einen sehr hohen morbiditäts- und mortalitätsbedingten Verlust von Lebensjahren verantwortlich. Eine AN im Kinder- und Jugendalter kann Wachstum und Entwicklung irreversibel beeinträchtigen und das Erkrankungsalter hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Die Identifikation von Faktoren die das Ansprechen auf die Behandlung vorhersagen ist für die Erkennung von Hochrisikopatientinnen und die entsprechende Anpassung der Therapie relevant, die diesbezügliche verfügbare Datenlage ist aber ungenügend. In dieser Studie wurden 142 weibliche Jugendliche mit AN zur Aufnahme in die stationäre Behandlung und bei Entlassung untersucht. Von diesen Patientinnen nahmen 121 (85,2 %) an einer Katamneseuntersuchung 12 Monate später teil. Körpergewicht und -größe sowie Fragebögen zur Essstörungspsychopathologie (Eating Disorder Examination-Questionnaire, EDE-Q), zu depressiver Symptomatik (Beck-Depressions-Inventar revidierte Version, BDI-II) und zu Lebenszufriedenheit (Satisfaction With Life Scale, SWLS) wurden zu den drei Zeitpunkten erfasst. Ein möglicher Zusammenhang zwischen dem zeitlichen Verlauf dieser Zielgrößen, zuzüglich der Rehospitalisierungsrate, und potenziellen Prädiktoren wurde statistisch analysiert. Als mögliche Verlaufsprädiktoren wurden Alter bei Aufnahme, Alter bei Krankheitsbeginn, Subtyp der AN, Vorbehandlungen, psychische Komorbidität, Aufenthaltsdauer, stattgefundene Elemente der stationären Therapie, Psychopharmakotherapie, stattgefundene poststationäre Therapie und Prognostizierung des eigenen poststationären Gewichtsverlaufs durch die Patientin untersucht. Das Körpergewicht (gemessen an dem Body-Mass-Index-Perzentil), das EDE-Q, das BDI-II und die SWLS besserten sich während des stationären Aufenthalts und blieben im ersten Jahr nach Entlassung stabil. Bei Katamnese berichteten 29 Patientinnen (24,0 %) über eine Rehospitalisierung im vorherigen Jahr. Mit einem besseren stationären Verlauf hing lediglich das Patientinnenalter zusammen. Eine AN vom Purging-Subtyp und fehlende stationäre Voraufenthalte hingen mit einem höheren Gewicht bei Katamnese zusammen. Die Abwesenheit früherer stationärer Behandlungen war außerdem mit einer seltenen Rehospitalisierung verbunden. Das Stattfinden einer Ernährungsberatung während der stationären Behandlung hing mit einer höheren Essstörungspsychopathologie bei Aufnahme und bei Entlassung, aber nicht bei Katamnese, zusammen. Eine Teilnahme an der stationären Gruppentherapie „Aufbau gesunden Bewegungsverhaltens“ ging mit einer geringeren Lebenszufriedenheit bei Aufnahme und Entlassung, aber nicht bei Katamnese, einher. Der von den Patientinnen bei Entlassung prognostizierte poststationäre Gewichtverlauf korrelierte qualitativ sowie quantitativ mit dem tatsächlichem Gewichtsverlauf im ersten Jahr nach Entlassung. Diese Studie zeigte, dass eine stationäre Behandlung von Jugendlichen mit AN neben einer Gewichtszunahme eine Reduktion der Essstörungspsychopathologie und der depressiven Symptomatik sowie eine Steigerung der Lebenszufriedenheit und eine Stabilisierung dieser im folgenden Jahr bewirkt. Zur Prädiktorenforschung trägt diese Studie Informationen bei, die entweder neue Erkenntnisse darstellen, wie die Prognostizierung des Gewichtsverlaufs durch die Patientinnen, die der Mehrheit der bisherigen Studien widerspricht, wie der günstigere Verlauf bei einem Purging-Subtyp, oder die die bestehende Literatur befürwortet, wie das bessere Behandlungsergebnis jüngerer Patientinnen.

Abstract

Anorexia nervosa (AN) is a severe mental illness that is characterized by a fear of gaining weight and a distorted body perception with self-inflicted underweight. Despite the low lifetime prevalence of 0.9 to 1.9% in women and 0.2 to 0.3% in men, AN is responsible for a very high loss of years of life due to morbidity and mortality. AN in children and adolescents can irreversibly impair growth and development and it's age of onset has decreased in the last decades. Determining factors that predict response to treatment is relevant for the identification of high-risk patients and for the accordingly adaptation of therapy, but the pertinent available data is insufficient. In this study, 142 female adolescents with AN were examined at admission to inpatient treatment and upon discharge. Of these patients, 121 (85.2%) took part in a follow-up examination 12 months after discharge. Body weight and height, as well as questionnaires on eating disorder psychopathology (Eating Disorder Examination-Questionnaire, EDE-Q), depressive symptoms (revised Beck Depression Inventory, BDI-II) and life satisfaction (Satisfaction With Life Scale, SWLS) were assessed at these three points in time. The re-hospitalization rate was also determined. A possible relationship between the course of these clinical variables during inpatient treatment and in the following year and potential predictors was statistically analyzed. The potential predictors examined were age at admission, age at onset of illness, subtype of AN, previous treatments, psychological comorbidities, length of stay, therapeutic components of inpatient treatment, psychopharmacotherapy, post-discharge therapy and the patient’s prediction of their own weight course after discharge. The body weight (measured as the percentile of the body mass index), the EDE-Q, the BDI-II and the SWLS improved during the inpatient treatment and remained stable in the first year after discharge. At the 12-month follow-up 29 patients (24.0%) reported a re-hospitalization in the past year. The only variable that showed a correlation with improved outcome of the inpatient treatment was age at admission. A purging subtype of AN and a lack of previous inpatient treatments were correlated to a higher weight at follow-up. The absence of previous inpatient treatment was also associated with a lower risk of readmission. Patients that received nutrition counseling during the inpatient treatment showed higher eating disorder psychopathology at admission and at discharge, but not at follow-up. Participation in the inpatient group therapy “establishing healthy exercise behavior” was associated with lower life satisfaction on admission and discharge, but not on follow-up. The own weight course in the first year after inpatient treatment could be successfully predicted by the patients at discharge, qualitatively as well as quantitatively. This study showed that inpatient treatment for adolescents with AN improves body weight, eating disorder psychopathology, depressive symptoms and quality of life with a stabilization of those parameters in the first year after discharge. It‘s contribution to predictors research consists of new findings, such as the prognosis of the weight course by the patients, of information that contradicts the majority of previous studies, such as a more favorable course for the purging subtype of AN, or that supports the available literature, such as a better treatment outcome in younger patients.