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Das „Schmerz-hemmt-Schmerz“ Paradigma: Hat die Schmerzintensität des konditionierenden Reizes Einfluss auf die Aktivierung der absteigenden Schmerzhemmung?
Das „Schmerz-hemmt-Schmerz“ Paradigma: Hat die Schmerzintensität des konditionierenden Reizes Einfluss auf die Aktivierung der absteigenden Schmerzhemmung?
Chronische Schmerzen sind eine häufige Erkrankung mit großem Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen und nicht zu unterschätzenden sozioökonomischen Folgen (Breivik et al., 2006; Gustavsson et al., 2012; James et al., 2018). Der Veränderung endogener schmerzmodulierender Vorgänge wird eine Rolle in der Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen zugesprochen, insbesondere der absteigenden Schmerzmodulation (Ossipov et al., 2014). Dabei handelt es sich um schmerzmodulierende Bahnen, die ihren Ursprung in Kerngebieten des Hirnstamms haben und die Nozizeption auf spinaler Ebene hemmen oder verstärken können (Heinricher et al., 2009). Der inhibierende Effekt eines schmerzhaften konditionierenden Stimulus auf die Schmerzintensität eines Teststimulus beim Menschen wird „Conditioned Pain Modulation“ genannt und ist eine häufig genutzte Möglichkeit die endogene Schmerzmodulation zu messen (Pud et al., 2009; Yarnitsky et al., 2010). In Ratten wurde das „Diffuse Noxious Inhibitory Controls“ (DNIC) Phänomen beschrieben (Le Bars et al., 1979a). Die durch C-Faserstimulation hervorgerufene Aktivität konvergenter Neurone des Rückenmarks wird dabei durch einen heterotopen ebenfalls nozizeptiven Stimulus gehemmt (Le Bars et al., 1979a). Es konnte gezeigt werden, dass dieser Mechanismus auf der Aktivierung absteigender schmerzmodulierender Bahnen beruht (Le Bars et al., 1979b). Analog zu DNIC in Tieren geht man davon aus, dass die Conditioned Pain Modulation durch die absteigende Schmerzmodulation vermittelt wird (Yarnitsky, 2015). Diese Annahme wird durch Studien gestützt, die bei gesunden menschlichen Probanden eine Inhibierung des nozizeptiven Flexorreflexes durch heterotope nozizeptive konditionierende Stimulation zeigen (Willer et al., 1984; Willer et al., 1989; Rustamov et al., 2016). Allerdings gibt es auch einige Studien, die diese Ergebnisse nicht replizieren konnten (Piché et al., 2009; Jurth et al., 2014; Lie et al., 2019). Da das Ausmaß des DNIC Effektes im Tierversuch abhängig war von der Intensität des konditionierenden Reizes (Le Bars, Chitour, & Clot, 1981), ist eine mögliche Erklärung für die Diskrepanz der Studienergebnisse, dass der psychophysische CPM Effekt beim Menschen vorrangig supraspinal vermittelt wird und erst bei starken konditionierenden Reizen ein Effekt durch absteigende schmerzmodulierende Bahnen hinzukommt. Diese Hypothese untersuchte die vorliegende Studie mittels eines balancierten, randomisierten, einfach verblindeten Cross-Over-Designs an gesunden Probanden. Es wurde getestet, inwiefern sich die Applikation unterschiedlich schmerzhafter konditionierender Reize (Kaltwassertest mit einer Schmerzintensität von 3, 5, und 7 auf der numerischen Ratingskala [1-10]) auf die Intensität des Testreizes und den RIII-Reflex als Korrelat der spinalen Nozizeption auswirkt. Zudem wurde der Einfluss auf späte somatosensibel evozierte Potentiale als Korrelat supraspinaler reizbezogener nozizeptiver Aktivität gemessen. Bei 16 gesunden Probanden konnte eine Reduktion der subjektiven Schmerzintensität des Testreizes während der heterotopen nozizeptiven konditionierenden Stimulation festgestellt werden, deren Ausmaß abhängig war von der Schmerzintensität des konditionierenden Reizes, aber – entgegen der Hypothese – kein Effekt auf den RIII-Reflex als Maß der spinalen Nozizeption. Bei den SEPs kam es zu einer Reduktion später, schmerzbezogener Potentiale, ohne Einfluss der Schmerzintensität des konditionierenden Reizes auf die Größe des Effekts. Diese Ergebnisse werden durch die Ergebnisse einer Intersubjektanalyse mit 14 weiteren Probanden mit 1-2 validen Experimenten gestützt. Sie legen nahe, dass die Diskrepanz der bisherigen Studien zum Einfluss der CPM auf den RIII-Reflex nicht durch unterschiedlich intensive konditionierende Reize erklärt werden kann. Mögliche Erklärungsansätze sind unter anderem, dass der CPM Effekt beim Menschen rein supraspinal vermittelt wird, oder aber durch absteigende Bahnen, die sich nicht in einer Veränderung des RIII-Reflexes niederschlagen. In beiden Fällen könnte eine Veränderung des RIII-Reflexes durch gleichzeitige psychologische Faktoren, wie zum Beispiel Erwartungen hervorgerufen werden. Die vorliegende Studie schließt eine Lücke zum mechanistischen Verständnis einer Methode zur Quantifizierung der endogener Schmerzmodulation im Menschen, die sowohl in der Forschung als auch in der Patientenversorgung vielfach angewendet wird und trägt so zu einer verbesserten Interpretation der aus dieser Methode gewonnenen Information bei.
Not available
Wach, Katharina
2021
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Wach, Katharina (2021): Das „Schmerz-hemmt-Schmerz“ Paradigma: Hat die Schmerzintensität des konditionierenden Reizes Einfluss auf die Aktivierung der absteigenden Schmerzhemmung?. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Chronische Schmerzen sind eine häufige Erkrankung mit großem Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen und nicht zu unterschätzenden sozioökonomischen Folgen (Breivik et al., 2006; Gustavsson et al., 2012; James et al., 2018). Der Veränderung endogener schmerzmodulierender Vorgänge wird eine Rolle in der Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen zugesprochen, insbesondere der absteigenden Schmerzmodulation (Ossipov et al., 2014). Dabei handelt es sich um schmerzmodulierende Bahnen, die ihren Ursprung in Kerngebieten des Hirnstamms haben und die Nozizeption auf spinaler Ebene hemmen oder verstärken können (Heinricher et al., 2009). Der inhibierende Effekt eines schmerzhaften konditionierenden Stimulus auf die Schmerzintensität eines Teststimulus beim Menschen wird „Conditioned Pain Modulation“ genannt und ist eine häufig genutzte Möglichkeit die endogene Schmerzmodulation zu messen (Pud et al., 2009; Yarnitsky et al., 2010). In Ratten wurde das „Diffuse Noxious Inhibitory Controls“ (DNIC) Phänomen beschrieben (Le Bars et al., 1979a). Die durch C-Faserstimulation hervorgerufene Aktivität konvergenter Neurone des Rückenmarks wird dabei durch einen heterotopen ebenfalls nozizeptiven Stimulus gehemmt (Le Bars et al., 1979a). Es konnte gezeigt werden, dass dieser Mechanismus auf der Aktivierung absteigender schmerzmodulierender Bahnen beruht (Le Bars et al., 1979b). Analog zu DNIC in Tieren geht man davon aus, dass die Conditioned Pain Modulation durch die absteigende Schmerzmodulation vermittelt wird (Yarnitsky, 2015). Diese Annahme wird durch Studien gestützt, die bei gesunden menschlichen Probanden eine Inhibierung des nozizeptiven Flexorreflexes durch heterotope nozizeptive konditionierende Stimulation zeigen (Willer et al., 1984; Willer et al., 1989; Rustamov et al., 2016). Allerdings gibt es auch einige Studien, die diese Ergebnisse nicht replizieren konnten (Piché et al., 2009; Jurth et al., 2014; Lie et al., 2019). Da das Ausmaß des DNIC Effektes im Tierversuch abhängig war von der Intensität des konditionierenden Reizes (Le Bars, Chitour, & Clot, 1981), ist eine mögliche Erklärung für die Diskrepanz der Studienergebnisse, dass der psychophysische CPM Effekt beim Menschen vorrangig supraspinal vermittelt wird und erst bei starken konditionierenden Reizen ein Effekt durch absteigende schmerzmodulierende Bahnen hinzukommt. Diese Hypothese untersuchte die vorliegende Studie mittels eines balancierten, randomisierten, einfach verblindeten Cross-Over-Designs an gesunden Probanden. Es wurde getestet, inwiefern sich die Applikation unterschiedlich schmerzhafter konditionierender Reize (Kaltwassertest mit einer Schmerzintensität von 3, 5, und 7 auf der numerischen Ratingskala [1-10]) auf die Intensität des Testreizes und den RIII-Reflex als Korrelat der spinalen Nozizeption auswirkt. Zudem wurde der Einfluss auf späte somatosensibel evozierte Potentiale als Korrelat supraspinaler reizbezogener nozizeptiver Aktivität gemessen. Bei 16 gesunden Probanden konnte eine Reduktion der subjektiven Schmerzintensität des Testreizes während der heterotopen nozizeptiven konditionierenden Stimulation festgestellt werden, deren Ausmaß abhängig war von der Schmerzintensität des konditionierenden Reizes, aber – entgegen der Hypothese – kein Effekt auf den RIII-Reflex als Maß der spinalen Nozizeption. Bei den SEPs kam es zu einer Reduktion später, schmerzbezogener Potentiale, ohne Einfluss der Schmerzintensität des konditionierenden Reizes auf die Größe des Effekts. Diese Ergebnisse werden durch die Ergebnisse einer Intersubjektanalyse mit 14 weiteren Probanden mit 1-2 validen Experimenten gestützt. Sie legen nahe, dass die Diskrepanz der bisherigen Studien zum Einfluss der CPM auf den RIII-Reflex nicht durch unterschiedlich intensive konditionierende Reize erklärt werden kann. Mögliche Erklärungsansätze sind unter anderem, dass der CPM Effekt beim Menschen rein supraspinal vermittelt wird, oder aber durch absteigende Bahnen, die sich nicht in einer Veränderung des RIII-Reflexes niederschlagen. In beiden Fällen könnte eine Veränderung des RIII-Reflexes durch gleichzeitige psychologische Faktoren, wie zum Beispiel Erwartungen hervorgerufen werden. Die vorliegende Studie schließt eine Lücke zum mechanistischen Verständnis einer Methode zur Quantifizierung der endogener Schmerzmodulation im Menschen, die sowohl in der Forschung als auch in der Patientenversorgung vielfach angewendet wird und trägt so zu einer verbesserten Interpretation der aus dieser Methode gewonnenen Information bei.