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Nicht-invasive Beatmung bei Frühgeborenen. Evaluation einer Score-basierten Weaningstrategie
Nicht-invasive Beatmung bei Frühgeborenen. Evaluation einer Score-basierten Weaningstrategie
Einleitung: Nicht-invasive Beatmung (NIV) wird bei der Mehrheit der ELBW und VLBW Frühgeborenen eingesetzt. Dennoch existieren bis dato keine Leitlinien zur Entwöhnung (Weaning), vielmehr unterliegt dieses häufig der subjektiven Einschätzung des Teams. Um die Beurteilung der Atemarbeit unter NIV zu standardisieren, wird seit 2017 auf unseren neonatologischen Intensivstationen routinemäßig der Silverman-Anderson-Score (SAS) während der Pflegerunden erhoben. Ziel der Studie war es zu untersuchen, welche Faktoren die Weaningentscheidungen beeinflussen und welche Rolle der SAS hierbei spielt. Methoden: Nach Einführung des SAS auf Station wurden über den Zeitraum von 16 Monaten prospektiv bei 33 Frühgeborenen ≤ 32+0 SSW täglich die Weaningentscheidungen, die NIV Parameter und Dauer sowie die Länge des Krankenhausaufenthaltes evaluiert. Zum Vergleich wurden retrospektive Daten von 33 nach Alter und Geschlecht angepassten Kindern, die vor 2017 betreut wurden, herangezogen. Um die Interater Reliabilität zu untersuchen, wurden SAS Scores, die von zwei verblindeten Untersuchern zu Videoaufnehmen vergeben wurden, mit entsprechenden Scores der Pflegekraft verglichen. Ergebnisse: Die Integration des SAS in unsere klinische Routine hatte geringen Einfluss auf die Weaningentscheidungen im Team. Entsprechend sahen wir keine Unterschiede in der NIV Dauer und der Länge des Krankenhausaufenthaltes im Vergleich zur Kontrollgruppe. An 30% der evaluierten Patiententage wurde die Beatmung nicht reduziert, trotz fehlender oder geringer Zeichen von Atemnot bzw. Atemarbeit (SAS ≤ 2). Hauptgrund für ein verzögertes Weaning waren Bradykardien (59% der Tage ohne Weaning), welche isoliert (40%) oder in Kombination mit anderen Faktoren, v.a. Desaturationen, auftraten. Darüber hinaus spielten aber auch sog. soft factors eine Rolle. Extreme Frühgeborene wurden bei vergleichbarem korrigierten Gestationsalter und niedrigem SAS zurückhaltender geweant als moderate Frühgeborene. Die Interrater Reliabilität war niedrig, unabhängig von der klinischen Erfahrung des Untersuchers (Fleiss' Kappa: 0.18). Diskussion: Der Weaningprozess wird von vielen Faktoren beeinflusst, wobei insbesondere das Auftreten von Bradykardien häufig zu einer Entscheidung gegen eine Reduktion der Beatmung führt trotz niedriger SAS-Werte. Während der SAS hilfreich ist, um die Notwendigkeit einer Atemunterstützung vorherzusagen, besitzt er bei der Beatmungsentwöhnung einen geringenprädiktiven Wert. Im Hinblick auf die möglichen negativen Konsequenzen einer unnötig langen Beatmung, muss die Relevanz isolierter Bradykardien für das Outcome infrage gestellt und näher untersucht werden. Die Integration weiterer Faktoren wie die Quantität und Qualität von Apnoen und Bradykardien in den Score könnte helfen, den Weaningprozess zu objektivieren und ggf. die NIV Dauer zu verkürzen. Entscheidend ist hierbei auch eine regelmäßige Schulung des Teams, um die Reliabilität des Scores zu verbessern.
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Lengauer, Maximilian
2022
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Lengauer, Maximilian (2022): Nicht-invasive Beatmung bei Frühgeborenen: Evaluation einer Score-basierten Weaningstrategie. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Einleitung: Nicht-invasive Beatmung (NIV) wird bei der Mehrheit der ELBW und VLBW Frühgeborenen eingesetzt. Dennoch existieren bis dato keine Leitlinien zur Entwöhnung (Weaning), vielmehr unterliegt dieses häufig der subjektiven Einschätzung des Teams. Um die Beurteilung der Atemarbeit unter NIV zu standardisieren, wird seit 2017 auf unseren neonatologischen Intensivstationen routinemäßig der Silverman-Anderson-Score (SAS) während der Pflegerunden erhoben. Ziel der Studie war es zu untersuchen, welche Faktoren die Weaningentscheidungen beeinflussen und welche Rolle der SAS hierbei spielt. Methoden: Nach Einführung des SAS auf Station wurden über den Zeitraum von 16 Monaten prospektiv bei 33 Frühgeborenen ≤ 32+0 SSW täglich die Weaningentscheidungen, die NIV Parameter und Dauer sowie die Länge des Krankenhausaufenthaltes evaluiert. Zum Vergleich wurden retrospektive Daten von 33 nach Alter und Geschlecht angepassten Kindern, die vor 2017 betreut wurden, herangezogen. Um die Interater Reliabilität zu untersuchen, wurden SAS Scores, die von zwei verblindeten Untersuchern zu Videoaufnehmen vergeben wurden, mit entsprechenden Scores der Pflegekraft verglichen. Ergebnisse: Die Integration des SAS in unsere klinische Routine hatte geringen Einfluss auf die Weaningentscheidungen im Team. Entsprechend sahen wir keine Unterschiede in der NIV Dauer und der Länge des Krankenhausaufenthaltes im Vergleich zur Kontrollgruppe. An 30% der evaluierten Patiententage wurde die Beatmung nicht reduziert, trotz fehlender oder geringer Zeichen von Atemnot bzw. Atemarbeit (SAS ≤ 2). Hauptgrund für ein verzögertes Weaning waren Bradykardien (59% der Tage ohne Weaning), welche isoliert (40%) oder in Kombination mit anderen Faktoren, v.a. Desaturationen, auftraten. Darüber hinaus spielten aber auch sog. soft factors eine Rolle. Extreme Frühgeborene wurden bei vergleichbarem korrigierten Gestationsalter und niedrigem SAS zurückhaltender geweant als moderate Frühgeborene. Die Interrater Reliabilität war niedrig, unabhängig von der klinischen Erfahrung des Untersuchers (Fleiss' Kappa: 0.18). Diskussion: Der Weaningprozess wird von vielen Faktoren beeinflusst, wobei insbesondere das Auftreten von Bradykardien häufig zu einer Entscheidung gegen eine Reduktion der Beatmung führt trotz niedriger SAS-Werte. Während der SAS hilfreich ist, um die Notwendigkeit einer Atemunterstützung vorherzusagen, besitzt er bei der Beatmungsentwöhnung einen geringenprädiktiven Wert. Im Hinblick auf die möglichen negativen Konsequenzen einer unnötig langen Beatmung, muss die Relevanz isolierter Bradykardien für das Outcome infrage gestellt und näher untersucht werden. Die Integration weiterer Faktoren wie die Quantität und Qualität von Apnoen und Bradykardien in den Score könnte helfen, den Weaningprozess zu objektivieren und ggf. die NIV Dauer zu verkürzen. Entscheidend ist hierbei auch eine regelmäßige Schulung des Teams, um die Reliabilität des Scores zu verbessern.