Mehlhase, Heike (2021): Orthografische Verarbeitung bei Kindern mit Lese- und/oder Rechtschreibstörung: Neurophysiologische Korrelate und Lernprozesse. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät |
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Abstract
Die Forschung zu den schulischen Lernstörung ging bisher von einem Störungskonzept, der Legasthenie, aus, mit dem die Probleme im Lesen und Rechtschreiben zusammengefasst wurden. Die aktuelle Forschung aber zeigte, dass sich drei Störungen schulischer Lernstö-rungen abgrenzen lassen, nämlich eine Lese-, eine Rechtschreib-, und eine Lese- und Recht-schreibstörung. Diese Unterteilung wurde sowohl in epidemiologischen Studien als auch in den Studien zu den Ursachen dieser Störungen bestätigt. Letztendlich unterscheidet auch das DSM-5 zwischen Lese- und Rechtschreibstörung. Unklar bisher aber ist, was sind die neu-rokognitiven und neurophysiologischen Korrelate, die diese Lernstörungsgruppen unter-scheiden. Es wird vermutet, dass die Probleme im Rechtschreiben (Rechtschreibstörung) und Lesen (Lesestörung) auf Unterschiede in der orthografischen Verarbeitung zurückzuführen sind. Um die Dissoziationen besser verstehen zu können, wurden Kinder mit isolierten Lese-, isolierten Rechtschreib- und kombinierten Lese- und Rechtschreibstörungen mit Kindern ohne Probleme im Schriftspracherwerb (Kontrollgruppe) sowohl in ihrer Leistung beim Ler-nen neuer Wörter (orthografisches Lernen) als auch hinsichtlich der neurophysiologischen Aktivierung bei der automatischen orthografischen Wortverarbeitung verglichen. Die Ergebnisse im Hinblick auf das orthografische Lernen zeigten, dass Kinder mit isolierter Lesestörung keine Schwierigkeiten im kurzzeitigen Merken und im Einspeichern orthografi-scher Repräsentationen im Langzeitgedächtnis hatten. Kinder mit Lesestörung zeigten aller-dings ein verlangsamtes Lesetempo, welches auf einen verzögerten Zugriff oder eine längere Verarbeitungsdauer der gespeicherten Repräsentationen zurückzuführen sein könnte. Kinder mit isolierter Rechtschreibstörung hingegen scheinen Probleme beim Einspeichern spezifi-scher Wortbilder inklusive der orthografischen Marker im Langzeitgedächtnis zu haben. Im Hinblick auf die automatische orthografische Verarbeitung von Wörtern zeigten die Kinder aller Gruppen den „word superiority effect“ (ein Buchstabe wird besser erkannt, wenn er zuvor in einem sehr kurz präsentierten Wort eingebettet ist im Vergleich zu einem Nichtwort) sowohl auf Verhaltens- als auch auf neurophysiologischer Ebene. Unterschiede zeigten sich bei der neurophysiologischen Aktivierung der N400-Amplitude (EKP-Komponente) hin-sichtlich der phonologischen Wortverarbeitung. Kinder mit isolierten Lesedefiziten zeigten keine Probleme in der phonologischen Wortverarbeitung (gleiche Aktivierungsunterschiede wie die Kontrollgruppe), während Kinder mit isolierten Rechtschreibdefiziten eine reduzierte Sensitivität bei der phonologischen Wortverarbeitung zeigten (keine Unterschiede in der N400-Aktivierung). Dissoziationen zwischen Lese- und Rechtschreibstörungen sind dem-nach mit Unterschieden sowohl im orthografischen Lernen als auch in der automatischen orthografischen Wortverarbeitung verbunden.
Abstract
Current research has shown that learning disorders can be distinguished between reading, spelling und combined reading and spelling disorders. Isolated reading and isolated spelling deficits are as frequent as combined reading and spelling disorders. It is unclear what underlying neurocognitive and neurophysiological deficits are likely to be associated with dissociations between reading and spelling. It is suggested that problems in spelling and reading are probably due to distinct deficits in orthographic word processing. To better understand these dissociations, children with isolated reading fluency deficits, isolated spelling deficits, and combined reading and spelling deficits were compared to children with age appropriate reading and spelling skills (controls), both in their performance in learning new words (orthographic learning) and in their neurophysiological activation of automatic orthographic word processing. The results in terms of orthographic learning showed that children with isolated deficits in reading had no problems in storing orthographic representations in long-term memory. The data suggest that the dysfluent reading of children with isolated reading fluency deficits is probably due to a disrupted or slowed down access to the stored intact representations. Children with isolated spelling deficits, on the other hand, seem to have problems in storing precise representations in long-term memory. With regard to automatic orthographic processing of words, the children of all groups showed a “word superiority effect” (a letter is better identified if it is embedded in a very briefly presented word in comparison to a nonword), both on the behavioral and the neuro-physiological level. Group differences occurred in the N400 activation regarding phono-logical processing. Children with isolated reading deficits showed no problems in phonological word processing (same differences in N400 activation as controls), while children with isolated spelling deficits seem to have a reduced sensitivity for phonological word processing (missing N400 activation differences). In sum, dissociations between reading and spelling problems are associated with differences, both in orthographic learning and automatic orthographic word processing.
Dokumententyp: | Dissertationen (Dissertation, LMU München) |
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Themengebiete: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin und Gesundheit |
Fakultäten: | Medizinische Fakultät |
Sprache der Hochschulschrift: | Deutsch |
Datum der mündlichen Prüfung: | 20. Dezember 2021 |
1. Berichterstatter:in: | Schulte-Körne, Gerd |
MD5 Prüfsumme der PDF-Datei: | 20d2c4c1d2c089f5c7c93fb8f0ff8cb2 |
Signatur der gedruckten Ausgabe: | 0700/UMD 20148 |
ID Code: | 29241 |
Eingestellt am: | 09. Feb. 2022 14:45 |
Letzte Änderungen: | 09. Feb. 2022 14:45 |