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Hegel und der philosophische Daoismus. ein Vergleich ihrer Gedanken
Hegel und der philosophische Daoismus. ein Vergleich ihrer Gedanken
In seiner Philosophie des Geistes vergleicht Hegel die „Entwicklungsmomente“ eines Subjekts mit dem natürlichen Verlauf der Lebensalter: Kind, Jüngling, Mann und Greis. Ein Zitat aus seinen Vorlesungen über die Philosophie der Religion lautet: „Was den Zustand der Kinder betrifft, so zeigen sich auch darin die Begierden, Selbstsucht und das Böse“. Für Hegel hebt der Geist diesen Zustand des Kindes auf, indem er sich vom Instinktiven und Tierischen unterscheidet. Ganz im Gegenteil ist das Bild des Kindes für Laozi eine Metapher für den innerlich suchenden „wahren Menschen“ (zhen ren). Ein Kind steht für ein Wesen unendlicher Potentialität, und diese Potentialität entspricht wiederum der realen Möglichkeit bei Hegel. Diese Aussagen zum Zustand des Kindes klingen sehr unterschiedlich, allerdings stimmen sie inhaltlich überein. Das Ziel dieser Arbeit ist nicht nur, die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen der Philosophie Hegels und der daoistischen Philosophie herauszuarbeiten, sondern auch die Dialektik Hegels und des Daoismus zu vergleichen. In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen. Wie sieht die Dialektik von Hegel aus und wie ist Dialektik des Daoismus möglich? Welche Zusammenhänge gibt es dazwischen? Die vorliegende Arbeit besteht über die Kap. 2-5 hinweg aus 4 Teilen. In Kapitel 2 ist der Ausgangspunkt Hegels Kritik an chinesischer Philosophie, Geschichte und Religion, besonders der daoistischen Philosophie. Hegels Hauptbemängelungen an chinesischer Philosophie, sowohl am Konfuzianismus als auch am Daoismus, bestehen darin, dass die Subjektivität in der chinesischen Philosophie fehle und insofern Konfuzianismus und Daoismus der natürlichen Religion zuzuordnen sind. Die beiden Begriffe Subjektivität und Natürlichkeit/Natur müssen daher genauer betrachtet werden. Im zweiten Teil, dem 3. Kapitel, behandle ich die grundlegenden Begriffe: Sein und Nichts, Leben und Tod, das Endliche und Unendliche, Freiheit, Natur und Wissen. Diese Begriffe machen die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Philosophien aus. Beispielsweise ist das Unendliche für Hegel nicht etwas für sich Fertiges des Endlichen, sondern das Umschlagen des Endlichen. Der Abschnitt über Freiheit beantwortet die Frage, was Hegel unter Subjektivität versteht, wie daher seine Kritik an chinesischer Philosophie gerechtfertigt werden könnte, und was die Unterscheidung zwischen substantieller Freiheit und subjektiver Freiheit diese Kritik ausmacht. Teil 3 behandelt den Begriff Zweckmäßigkeit. Es wird zuerst die Zweckmäßigkeit in Hegels Logik und Hegels Ästhetik untersucht. Anschließend wird Zweckmäßigkeit in Hegels Kritik anhand von Kant betrachtet. Besonders interessant ist, dass der Begriff Zweckmäßigkeit sich im Daoismus als wuwei (wörtl: Nicht-Handeln) wiederfindet. Diese Untersuchung dieses Begriffes fungiert als eine Verbindung zwischen den beiden Philosophien. Der 4. Teil behandelt ausführlich das vorher genannte konkrete Beispiel des Kindes. Warum Hegel den Zustand des Kindes negativ beurteilt, liegt daran, dass der Geist bei Hegel sich weiter entwickeln und nicht Kind bleiben soll. Für den Daoismus wird diese Entwicklung nur angedeutet, allerdings sieht nur der entwickelte Zustand so wie der Zustand des Kindes aus. Daher widersprechen sich die beiden Aussagen nicht. Zum Schluss habe ich die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Philosophien herausgefunden. Die dialektischen Methoden bei beiden werden durch das Beispiel des Kindes veranschaulicht: die Aufhebung in Hegels Dialektik entspricht dem daoistischen Begriff der Rückkehr. Das lässt eine neue Sichtweise auf die beiden Philosophien zu. Durch diese 4 Teile komme ich zu dem Ergebnis, dass Hegels Kritik an China berechtigt ist, und nicht nur negativ, sondern auch „positiv und negativ“, das heißt, „dialektisch“ ist. Zugleich hilft der Vergleich Hegels Dialektik mit der daoistischen Dialektik uns, den Daoismus erneut und insofern nicht als eine negative Philosophie zu verstehen.
Hegel, Daoismus, Dialektik, Laozi, Zweckmäßigkeit
Deng, Miao
2020
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Deng, Miao (2020): Hegel und der philosophische Daoismus: ein Vergleich ihrer Gedanken. Dissertation, LMU München: Fakultät für Philosophie, Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft
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Abstract

In seiner Philosophie des Geistes vergleicht Hegel die „Entwicklungsmomente“ eines Subjekts mit dem natürlichen Verlauf der Lebensalter: Kind, Jüngling, Mann und Greis. Ein Zitat aus seinen Vorlesungen über die Philosophie der Religion lautet: „Was den Zustand der Kinder betrifft, so zeigen sich auch darin die Begierden, Selbstsucht und das Böse“. Für Hegel hebt der Geist diesen Zustand des Kindes auf, indem er sich vom Instinktiven und Tierischen unterscheidet. Ganz im Gegenteil ist das Bild des Kindes für Laozi eine Metapher für den innerlich suchenden „wahren Menschen“ (zhen ren). Ein Kind steht für ein Wesen unendlicher Potentialität, und diese Potentialität entspricht wiederum der realen Möglichkeit bei Hegel. Diese Aussagen zum Zustand des Kindes klingen sehr unterschiedlich, allerdings stimmen sie inhaltlich überein. Das Ziel dieser Arbeit ist nicht nur, die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen der Philosophie Hegels und der daoistischen Philosophie herauszuarbeiten, sondern auch die Dialektik Hegels und des Daoismus zu vergleichen. In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen. Wie sieht die Dialektik von Hegel aus und wie ist Dialektik des Daoismus möglich? Welche Zusammenhänge gibt es dazwischen? Die vorliegende Arbeit besteht über die Kap. 2-5 hinweg aus 4 Teilen. In Kapitel 2 ist der Ausgangspunkt Hegels Kritik an chinesischer Philosophie, Geschichte und Religion, besonders der daoistischen Philosophie. Hegels Hauptbemängelungen an chinesischer Philosophie, sowohl am Konfuzianismus als auch am Daoismus, bestehen darin, dass die Subjektivität in der chinesischen Philosophie fehle und insofern Konfuzianismus und Daoismus der natürlichen Religion zuzuordnen sind. Die beiden Begriffe Subjektivität und Natürlichkeit/Natur müssen daher genauer betrachtet werden. Im zweiten Teil, dem 3. Kapitel, behandle ich die grundlegenden Begriffe: Sein und Nichts, Leben und Tod, das Endliche und Unendliche, Freiheit, Natur und Wissen. Diese Begriffe machen die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Philosophien aus. Beispielsweise ist das Unendliche für Hegel nicht etwas für sich Fertiges des Endlichen, sondern das Umschlagen des Endlichen. Der Abschnitt über Freiheit beantwortet die Frage, was Hegel unter Subjektivität versteht, wie daher seine Kritik an chinesischer Philosophie gerechtfertigt werden könnte, und was die Unterscheidung zwischen substantieller Freiheit und subjektiver Freiheit diese Kritik ausmacht. Teil 3 behandelt den Begriff Zweckmäßigkeit. Es wird zuerst die Zweckmäßigkeit in Hegels Logik und Hegels Ästhetik untersucht. Anschließend wird Zweckmäßigkeit in Hegels Kritik anhand von Kant betrachtet. Besonders interessant ist, dass der Begriff Zweckmäßigkeit sich im Daoismus als wuwei (wörtl: Nicht-Handeln) wiederfindet. Diese Untersuchung dieses Begriffes fungiert als eine Verbindung zwischen den beiden Philosophien. Der 4. Teil behandelt ausführlich das vorher genannte konkrete Beispiel des Kindes. Warum Hegel den Zustand des Kindes negativ beurteilt, liegt daran, dass der Geist bei Hegel sich weiter entwickeln und nicht Kind bleiben soll. Für den Daoismus wird diese Entwicklung nur angedeutet, allerdings sieht nur der entwickelte Zustand so wie der Zustand des Kindes aus. Daher widersprechen sich die beiden Aussagen nicht. Zum Schluss habe ich die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Philosophien herausgefunden. Die dialektischen Methoden bei beiden werden durch das Beispiel des Kindes veranschaulicht: die Aufhebung in Hegels Dialektik entspricht dem daoistischen Begriff der Rückkehr. Das lässt eine neue Sichtweise auf die beiden Philosophien zu. Durch diese 4 Teile komme ich zu dem Ergebnis, dass Hegels Kritik an China berechtigt ist, und nicht nur negativ, sondern auch „positiv und negativ“, das heißt, „dialektisch“ ist. Zugleich hilft der Vergleich Hegels Dialektik mit der daoistischen Dialektik uns, den Daoismus erneut und insofern nicht als eine negative Philosophie zu verstehen.