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Advance Care Planning in der Kinderpalliativmedizin. die Sicht der Fachkräfte und Eltern
Advance Care Planning in der Kinderpalliativmedizin. die Sicht der Fachkräfte und Eltern
Entscheidungen über Therapiebegrenzungen bei schwerkranken Kindern stellen eine große Herausforderung für Fachkräfte und Eltern dar und sind mit vielen Unsicherheiten verbunden. Seltene und variable Krankheitsbilder erschweren die Einschätzung der Prognose, viele Kinder konnten nie für sich selbst entscheiden, die Eltern sind emotional meist sehr belastet und es kann zu Konflikten zwischen ihnen und mit den Fachkräften kommen. Advance Care Planning (ACP) bietet einen Ansatz, wichtige Entscheidungen in einem dialogischen Prozess mit den Beteiligten umfassend vorzubereiten und zuverlässig umzusetzen. Dadurch könnten Unsicherheiten reduziert, Übertherapien verhindert und die Beachtung von Patienten- bzw. Elternwünschen sichergestellt werden. Bei Erwachsenen wird ACP erfolgreich angewandt. Die Konzepte können jedoch nicht uneingeschränkt auf das pädiatrische Setting übertragen werden. Obwohl ACP auch für schwerkranke Kinder empfohlen wird, gibt es nur wenige Studien zu den spezifischen Anforderungen und Herausforderungen bei diesen Patienten. Die Perspektive der Fachkräfte und Bedürfnisse der Eltern wurden bislang kaum untersucht. In zwei qualitativen empirischen Studien, einer Interviewstudie mit 17 multiprofessionellen Fachexperten und einer Interviewstudie mit 10 Eltern, wurden die Sichtweisen und Bedürfnisse der Befragten in Bezug auf ACP in der Pädiatrie (pACP) ermittelt. Ziel der Studien war die Erfassung des Bedarfs, der Anforderungen und möglicher Hindernisse für pACP. Wichtige Bestandteile aus Sicht der Befragten waren eine hauptverantwortliche Fachkraft, offene und zeitige Gespräche über Therapieziel und -maßnahmen, schriftliche Notfallanordnungen sowie Standards und Schulungen zur erfolgreichen Implementierung von pACP. Für die Fachkräfte waren schriftliche Vorausverfügungen wichtig, auch wenn Unsicherheiten in Bezug auf deren Gültigkeit bestanden. Für die Eltern stand der Kommunikationsprozess, begleitet durch eine fachliche Vertrauensperson, im Vordergrund. Eltern und ambulante Fachkräfte betonten die Bedeutung von Hoffnung und einer umfassenden, über das Medizinische hinausgehenden Planung der letzten Lebensphase. Als Barrieren wurden die prognostische Unsicherheit, Ängste und Vorbehalte von Ärzten und Eltern gegenüber pACP, fehlende Strukturen für pACP sowie die schwierige Koordination der zahlreichen Versorgungspartner benannt. Die Studien liefern wichtige Anhaltspunkte für die Entwicklung einer pACP-Intervention. Sie legen nahe, dass pACP bei schwerkranken Kindern spezifisch geschulter Fachleute bedarf, die die Familien kontinuierlich begleiten und die beteiligten Fachdienste koordinieren. Kinderpalliativteams könnten dafür geeignet sein. Zudem sollte pACP neben der konkreten medizinischen Behandlungsplanung darüberhinausgehende Wünsche, Sorgen und Hoffnungen der Familien einbeziehen. Unsicherheiten bei pACP könnten durch öffentliche Informationsverbreitung, Schulungen für medizinische und nicht-medizinische Fachkräfte sowie einheitliche Verfahren und Formulare reduziert werden., Treatment limitation decisions for severely ill children present a major challenge for professionals and parents and are associated with many uncertainties. Rare and variable disease patterns make prognostication difficult, many children were never able to decide for themselves, parents are usually under great emotional strain and conflicts may arise between them and with the health care professionals. Advance Care Planning (ACP) provides an approach to carefully prepare critical decisions in a dialogic process with the people involved and to reliably implement them. This might reduce uncertainties, prevent overtreatment and assure the respect of patient or parent wishes. For adults, ACP is being practiced successfully. However, the concepts cannot be applied to the pediatric setting without restrictions. Although ACP is also recommended for severely ill children, there are only few studies on the specific requirements and challenges in these patients. The perspective of the professionals and the needs of parents have merely been investigated. In two qualitative empirical studies, an interview study with 17 multiprofessional experts and an interview study with 10 parents, the interviewees‘ views and needs relating to pediatric ACP (pACP) were examined. The aim was to investigate the need, the requirements and possible barriers for pACP. Important elements from the interviewees’ perspective were a key person in charge, open and timely discussions about the treatment goal and measures, written emergency orders as well as standards and training for the successful implementation of pACP. For the professionals, written advance directives were important, although uncertainties about their validity existed. Parents focused on the communication process, facilitated by a care professional they trust. Parents and outpatient care providers emphasized the importance of hope and of planning the final phase of life comprehensively, going beyond medical issues. Mentioned Barriers included the prognostic uncertainty, fears and reservations of physicians and parents regarding pACP, lacking structures for pACP as well as the difficult coordination of the numerous care partners. The studies provide important evidence for the development of a pACP intervention. They indicate that pACP for severely ill children requires specifically trained professionals who continuously support the families and coordinate the involved professional services. Pediatric palliative care teams could be suitable for this. Besides the medical treatment planning itself, pACP should also address further needs, concerns and hopes of families. Uncertainties with pACP may be reduced by public dissemination of information, education for medical and non-medical health care professionals as well as standard procedures and forms.
Advance Care Planning, Pädiatrie, Kinderpalliativmedizin, Patientenverfügung, Therapiebegrenzungen
Gramm, Julia
2020
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Gramm, Julia (2020): Advance Care Planning in der Kinderpalliativmedizin: die Sicht der Fachkräfte und Eltern. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Entscheidungen über Therapiebegrenzungen bei schwerkranken Kindern stellen eine große Herausforderung für Fachkräfte und Eltern dar und sind mit vielen Unsicherheiten verbunden. Seltene und variable Krankheitsbilder erschweren die Einschätzung der Prognose, viele Kinder konnten nie für sich selbst entscheiden, die Eltern sind emotional meist sehr belastet und es kann zu Konflikten zwischen ihnen und mit den Fachkräften kommen. Advance Care Planning (ACP) bietet einen Ansatz, wichtige Entscheidungen in einem dialogischen Prozess mit den Beteiligten umfassend vorzubereiten und zuverlässig umzusetzen. Dadurch könnten Unsicherheiten reduziert, Übertherapien verhindert und die Beachtung von Patienten- bzw. Elternwünschen sichergestellt werden. Bei Erwachsenen wird ACP erfolgreich angewandt. Die Konzepte können jedoch nicht uneingeschränkt auf das pädiatrische Setting übertragen werden. Obwohl ACP auch für schwerkranke Kinder empfohlen wird, gibt es nur wenige Studien zu den spezifischen Anforderungen und Herausforderungen bei diesen Patienten. Die Perspektive der Fachkräfte und Bedürfnisse der Eltern wurden bislang kaum untersucht. In zwei qualitativen empirischen Studien, einer Interviewstudie mit 17 multiprofessionellen Fachexperten und einer Interviewstudie mit 10 Eltern, wurden die Sichtweisen und Bedürfnisse der Befragten in Bezug auf ACP in der Pädiatrie (pACP) ermittelt. Ziel der Studien war die Erfassung des Bedarfs, der Anforderungen und möglicher Hindernisse für pACP. Wichtige Bestandteile aus Sicht der Befragten waren eine hauptverantwortliche Fachkraft, offene und zeitige Gespräche über Therapieziel und -maßnahmen, schriftliche Notfallanordnungen sowie Standards und Schulungen zur erfolgreichen Implementierung von pACP. Für die Fachkräfte waren schriftliche Vorausverfügungen wichtig, auch wenn Unsicherheiten in Bezug auf deren Gültigkeit bestanden. Für die Eltern stand der Kommunikationsprozess, begleitet durch eine fachliche Vertrauensperson, im Vordergrund. Eltern und ambulante Fachkräfte betonten die Bedeutung von Hoffnung und einer umfassenden, über das Medizinische hinausgehenden Planung der letzten Lebensphase. Als Barrieren wurden die prognostische Unsicherheit, Ängste und Vorbehalte von Ärzten und Eltern gegenüber pACP, fehlende Strukturen für pACP sowie die schwierige Koordination der zahlreichen Versorgungspartner benannt. Die Studien liefern wichtige Anhaltspunkte für die Entwicklung einer pACP-Intervention. Sie legen nahe, dass pACP bei schwerkranken Kindern spezifisch geschulter Fachleute bedarf, die die Familien kontinuierlich begleiten und die beteiligten Fachdienste koordinieren. Kinderpalliativteams könnten dafür geeignet sein. Zudem sollte pACP neben der konkreten medizinischen Behandlungsplanung darüberhinausgehende Wünsche, Sorgen und Hoffnungen der Familien einbeziehen. Unsicherheiten bei pACP könnten durch öffentliche Informationsverbreitung, Schulungen für medizinische und nicht-medizinische Fachkräfte sowie einheitliche Verfahren und Formulare reduziert werden.

Abstract

Treatment limitation decisions for severely ill children present a major challenge for professionals and parents and are associated with many uncertainties. Rare and variable disease patterns make prognostication difficult, many children were never able to decide for themselves, parents are usually under great emotional strain and conflicts may arise between them and with the health care professionals. Advance Care Planning (ACP) provides an approach to carefully prepare critical decisions in a dialogic process with the people involved and to reliably implement them. This might reduce uncertainties, prevent overtreatment and assure the respect of patient or parent wishes. For adults, ACP is being practiced successfully. However, the concepts cannot be applied to the pediatric setting without restrictions. Although ACP is also recommended for severely ill children, there are only few studies on the specific requirements and challenges in these patients. The perspective of the professionals and the needs of parents have merely been investigated. In two qualitative empirical studies, an interview study with 17 multiprofessional experts and an interview study with 10 parents, the interviewees‘ views and needs relating to pediatric ACP (pACP) were examined. The aim was to investigate the need, the requirements and possible barriers for pACP. Important elements from the interviewees’ perspective were a key person in charge, open and timely discussions about the treatment goal and measures, written emergency orders as well as standards and training for the successful implementation of pACP. For the professionals, written advance directives were important, although uncertainties about their validity existed. Parents focused on the communication process, facilitated by a care professional they trust. Parents and outpatient care providers emphasized the importance of hope and of planning the final phase of life comprehensively, going beyond medical issues. Mentioned Barriers included the prognostic uncertainty, fears and reservations of physicians and parents regarding pACP, lacking structures for pACP as well as the difficult coordination of the numerous care partners. The studies provide important evidence for the development of a pACP intervention. They indicate that pACP for severely ill children requires specifically trained professionals who continuously support the families and coordinate the involved professional services. Pediatric palliative care teams could be suitable for this. Besides the medical treatment planning itself, pACP should also address further needs, concerns and hopes of families. Uncertainties with pACP may be reduced by public dissemination of information, education for medical and non-medical health care professionals as well as standard procedures and forms.