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Testung potenzieller Therapeutika zur Behandlung nach S-Lost-Exposition in Hautmodellen
Testung potenzieller Therapeutika zur Behandlung nach S-Lost-Exposition in Hautmodellen
Bei dem Hautkampfstoff Schwefellost (S-Lost) handelt es sich um einen chemischen Kampfstoff, der seit dem 1. Weltkrieg in verschiedenen militärischen Konflikten eingesetzt wurde. Trotz der Vereinbarungen durch die Chemiewaffenkonvention S-Lost nicht mehr einzusetzen und die Restbestände zu vernichten, besteht weiterhin die Gefahr einer Verwendung in asymmetrischen Konflikten oder Terrorszenarien. Gut dokumentierte Vergiftungsfälle aus dem Bürgerkrieg in Syrien verdeutlichen, wie wichtig eine intensive Forschung an Therapieoptionen auf diesem Gebiet ist. Die Symptomatik nach einer S-Lost-Exposition betrifft vor allem die Augen, Atemwege und die Haut. Typisch ist eine zeitliche Verzögerung bis zum Einsetzen der ersten Anzeichen einer Intoxikation. Durch eine anhaltende Entzündungsreaktion und Gewebsnekrosen verläuft der Heilungsprozess sehr langsam und es können irreversible Narben und Hautverfärbungen zurückbleiben. Bis heute konnte der molekulare Pathomechanismus von S-Lost nicht vollständig aufgeklärt werden und daher fehlt es an zielgerichteten Behandlungsoptionen. Die derzeitigen therapeutische Ansätze fokussieren sich ausschließlich auf die symptomatische Behandlung von S-Lost-Vergifteten. Im Bereich der Toxikologie sind in vitro Modelle ein wissenschaftlich etablierter Standard. Zur besseren Abbildung der physiologischen Bedingungen und zur Erhöhung der Aussagekraft für eine spätere in vivo Translation, wurde am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr eine Co-Kultur-Testbatterie etabliert. Hierbei handelt es sich um ein Hautmodell bestehend aus der Keratinozyten-Zelllinie HaCaT und der humanen Monozyten-Zelllinie THP-1. Ein standardisiertes Vergiftungsprotokoll mit anschließenden Assays zur Bestimmung der Apoptose und Nekrose sowie den Entzündungsmarkern IL-6 und IL-8 erlaubt eine experimentelle Evaluierung potenzieller S-Lost-Therapeutika. Der Naturstoff Berberin zeigte in einer Studie mit der Testbatterie anti-apoptotische und antientzündliche Eigenschaften. Für Berberin ist kein spezifischer Wirkmechanismus beschrieben, allerdings zeigte es in unterschiedlichen Versuchen eine Vielzahl pharmakologischer Effekte. Die Behandlung eine Stunde nach S-Lost-Exposition führte konzentrationsabhängig zu einer Reduktion der IL-6- und IL-8-Freisetzung sowie zu einer signifikanten Abnahme der Apoptose. Dieses Ergebnis zeigte, dass die pleiotropen Effekte von Berberin eine S-Lost-Intoxikation positiv modulieren können und es möglicherweise eine alternative therapeutische Option zu etablierten Entzündungshemmern darstellen kann. Eine zweite Substanz, die im Wirkstoffscreening zytoprotektive und antiinflammatorische Wirkung zeigte, war der Nekrose-Inhibitor Necrosulfonamid. Entgegen der Erwartung war die Zytoprotektivität nicht auf eine Reduktion der Nekrose zurückzuführen, sondern es kam zu einer Verminderung der Apoptose. Eine signifikante Absenkung der Entzündungsmarker IL-6 und IL-8 konnte in der mit 5 µM Necrosulfonamid behandelten Gruppe für allen Vergiftungsstufen gezeigt werden. Da Necrosulfonamid in erster Linie die über MLKL-induzierte Nekroptose inhibiert und deren Rolle am S-Lost vermittelten Zelltod noch unerforscht ist, zeigten die Untersuchungen, dass eine mechanistische Aufklärung der Nekroptose weitere grundlegende Erkenntnisse über die molekulare Toxizität von S-Lost liefern kann., Sulfur mustard is a chemical warfare agent that was used in various military conflicts since WWI. Despite a ban by the chemical weapons convention, considerable amounts of sulfur mustard are still in stock which results in a potential risk for future use particularly in scenarios of asymmetric warfare and terrorist attacks. Well documented cases from the war in Syria underline the importance of further studies on new therapeutic options in this area. Symptoms of a sulfur mustard exposure target above all the eyes, the respiratory system and the skin. One of the most typical indicators for an intoxication is the latency between exposure and the occurrence of the first symptoms. Due to a chronic inflammation and necrotic tissue damage the wound healing process is slow and eventually results in permanent scare tissue. A lack of therapeutic options is caused by the incomplete understanding of the pathomechanisms of sulfur mustard. Already existing therapies merely focus on symptomatic treatment with the goal to reduce inflammatory reactions. Since skin tissue is sufficient to trigger intoxication, skin models were established as an appropriate approach for testing potential therapeutics. In vitro models are an established scientific method in toxicology. A co-culture model consisting of HaCaT skin cells and the monocytic cell line THP-1 was introduced by the Bundeswehr Institute of Pharmacology and Toxicology as an in vitro test system. With its help, it is possible to mimic a more physiological environment as compared to a mono-culture, and the results are more promising for an in vivo translation. Standardized protocols and assays for necrosis, apoptosis and the inflammation markers IL-6 and IL-8 enable an evaluation of a wide range of potential therapeutics. In a study, Berberine, a naturally occurring substance, showed anti-apoptotic and anti-inflammatory effects. No specific mode of action was described for berberine so far, although, it showed a variety of pharmacological capacities in different studies. Post-treatment after sulfur mustard exposure resulted in a significant reduction of apoptosis and the inflammation markers IL-6 and IL-8. Obviously, Berberine offers an interesting therapeutic option to positively modulate a sulfur mustard intoxication. Another substance with cytoprotective and anti-inflammatory outcome was the necroptosis inhibitor Necrosulfonamide. Unexpectedly, Necrosulfonamide showed anti-apoptotic effects rather than reducing necrosis. Additionally, IL-6 and IL-8 levels were reduced significantly by 5 µM Necrosulfonamide post-treatment. Necrosulfonamide is defined as a MLKL-inhibitor and, thus, reduces necroptotic cell death. Since no research on necroptosis after sulfur mustard exposure exists, these results form a basis for further mechanistical understanding of sulfur mustard-induced cell damage.
Not available
Lang, Simon Rudolf
2020
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Lang, Simon Rudolf (2020): Testung potenzieller Therapeutika zur Behandlung nach S-Lost-Exposition in Hautmodellen = Examination of therapeutic agents for treatment after sulfur mustard exposure in skin models. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Bei dem Hautkampfstoff Schwefellost (S-Lost) handelt es sich um einen chemischen Kampfstoff, der seit dem 1. Weltkrieg in verschiedenen militärischen Konflikten eingesetzt wurde. Trotz der Vereinbarungen durch die Chemiewaffenkonvention S-Lost nicht mehr einzusetzen und die Restbestände zu vernichten, besteht weiterhin die Gefahr einer Verwendung in asymmetrischen Konflikten oder Terrorszenarien. Gut dokumentierte Vergiftungsfälle aus dem Bürgerkrieg in Syrien verdeutlichen, wie wichtig eine intensive Forschung an Therapieoptionen auf diesem Gebiet ist. Die Symptomatik nach einer S-Lost-Exposition betrifft vor allem die Augen, Atemwege und die Haut. Typisch ist eine zeitliche Verzögerung bis zum Einsetzen der ersten Anzeichen einer Intoxikation. Durch eine anhaltende Entzündungsreaktion und Gewebsnekrosen verläuft der Heilungsprozess sehr langsam und es können irreversible Narben und Hautverfärbungen zurückbleiben. Bis heute konnte der molekulare Pathomechanismus von S-Lost nicht vollständig aufgeklärt werden und daher fehlt es an zielgerichteten Behandlungsoptionen. Die derzeitigen therapeutische Ansätze fokussieren sich ausschließlich auf die symptomatische Behandlung von S-Lost-Vergifteten. Im Bereich der Toxikologie sind in vitro Modelle ein wissenschaftlich etablierter Standard. Zur besseren Abbildung der physiologischen Bedingungen und zur Erhöhung der Aussagekraft für eine spätere in vivo Translation, wurde am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr eine Co-Kultur-Testbatterie etabliert. Hierbei handelt es sich um ein Hautmodell bestehend aus der Keratinozyten-Zelllinie HaCaT und der humanen Monozyten-Zelllinie THP-1. Ein standardisiertes Vergiftungsprotokoll mit anschließenden Assays zur Bestimmung der Apoptose und Nekrose sowie den Entzündungsmarkern IL-6 und IL-8 erlaubt eine experimentelle Evaluierung potenzieller S-Lost-Therapeutika. Der Naturstoff Berberin zeigte in einer Studie mit der Testbatterie anti-apoptotische und antientzündliche Eigenschaften. Für Berberin ist kein spezifischer Wirkmechanismus beschrieben, allerdings zeigte es in unterschiedlichen Versuchen eine Vielzahl pharmakologischer Effekte. Die Behandlung eine Stunde nach S-Lost-Exposition führte konzentrationsabhängig zu einer Reduktion der IL-6- und IL-8-Freisetzung sowie zu einer signifikanten Abnahme der Apoptose. Dieses Ergebnis zeigte, dass die pleiotropen Effekte von Berberin eine S-Lost-Intoxikation positiv modulieren können und es möglicherweise eine alternative therapeutische Option zu etablierten Entzündungshemmern darstellen kann. Eine zweite Substanz, die im Wirkstoffscreening zytoprotektive und antiinflammatorische Wirkung zeigte, war der Nekrose-Inhibitor Necrosulfonamid. Entgegen der Erwartung war die Zytoprotektivität nicht auf eine Reduktion der Nekrose zurückzuführen, sondern es kam zu einer Verminderung der Apoptose. Eine signifikante Absenkung der Entzündungsmarker IL-6 und IL-8 konnte in der mit 5 µM Necrosulfonamid behandelten Gruppe für allen Vergiftungsstufen gezeigt werden. Da Necrosulfonamid in erster Linie die über MLKL-induzierte Nekroptose inhibiert und deren Rolle am S-Lost vermittelten Zelltod noch unerforscht ist, zeigten die Untersuchungen, dass eine mechanistische Aufklärung der Nekroptose weitere grundlegende Erkenntnisse über die molekulare Toxizität von S-Lost liefern kann.

Abstract

Sulfur mustard is a chemical warfare agent that was used in various military conflicts since WWI. Despite a ban by the chemical weapons convention, considerable amounts of sulfur mustard are still in stock which results in a potential risk for future use particularly in scenarios of asymmetric warfare and terrorist attacks. Well documented cases from the war in Syria underline the importance of further studies on new therapeutic options in this area. Symptoms of a sulfur mustard exposure target above all the eyes, the respiratory system and the skin. One of the most typical indicators for an intoxication is the latency between exposure and the occurrence of the first symptoms. Due to a chronic inflammation and necrotic tissue damage the wound healing process is slow and eventually results in permanent scare tissue. A lack of therapeutic options is caused by the incomplete understanding of the pathomechanisms of sulfur mustard. Already existing therapies merely focus on symptomatic treatment with the goal to reduce inflammatory reactions. Since skin tissue is sufficient to trigger intoxication, skin models were established as an appropriate approach for testing potential therapeutics. In vitro models are an established scientific method in toxicology. A co-culture model consisting of HaCaT skin cells and the monocytic cell line THP-1 was introduced by the Bundeswehr Institute of Pharmacology and Toxicology as an in vitro test system. With its help, it is possible to mimic a more physiological environment as compared to a mono-culture, and the results are more promising for an in vivo translation. Standardized protocols and assays for necrosis, apoptosis and the inflammation markers IL-6 and IL-8 enable an evaluation of a wide range of potential therapeutics. In a study, Berberine, a naturally occurring substance, showed anti-apoptotic and anti-inflammatory effects. No specific mode of action was described for berberine so far, although, it showed a variety of pharmacological capacities in different studies. Post-treatment after sulfur mustard exposure resulted in a significant reduction of apoptosis and the inflammation markers IL-6 and IL-8. Obviously, Berberine offers an interesting therapeutic option to positively modulate a sulfur mustard intoxication. Another substance with cytoprotective and anti-inflammatory outcome was the necroptosis inhibitor Necrosulfonamide. Unexpectedly, Necrosulfonamide showed anti-apoptotic effects rather than reducing necrosis. Additionally, IL-6 and IL-8 levels were reduced significantly by 5 µM Necrosulfonamide post-treatment. Necrosulfonamide is defined as a MLKL-inhibitor and, thus, reduces necroptotic cell death. Since no research on necroptosis after sulfur mustard exposure exists, these results form a basis for further mechanistical understanding of sulfur mustard-induced cell damage.