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Therapie des Volumenmangelschocks nach Polytrauma. Welche Bedeutung hat die HES- (Tetrastärke-) Dosis für Mortalität und Morbidität?
Therapie des Volumenmangelschocks nach Polytrauma. Welche Bedeutung hat die HES- (Tetrastärke-) Dosis für Mortalität und Morbidität?
Hintergrund: Bei der Therapie von Polytraumapatienten im Volumenmangelschock gibt es zahlreiche Verfechter aber auch Gegner einer Verabreichnung von Tetrastärke. Tetrastärke wird vorgeworfen, die Sterblichkeit bzw. die Häufigkeit eines akuten Nierenversagens zu erhöhen. Alle aktuell zum Thema vorliegenden Studien leiden an zahllosen Limitierungen speziell im Hinblick auf die Einschlusskriterien, die Grunderkrankungen, die Art der verwendeten Stärkelösung, sowie die Dauer des Follow-up. Aufgrund dieser Limitierungen und der begrenzten Anzahl an größeren, aussagekräftigen Metaanalysen kann aktuell weder eine uneingeschränkte Empfehlung für, noch gegen die Therapie mit Tetrastärke (HES) ausgesprochen werden. Die Probleme bei der aktuellen Studienlage zur Verwendung von Tetrastärke spiegeln sich wieder in den Problemen hinsichtlich der Zulassungen bzw. Zulassungsbeschränkung dieses Produktes. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, anhand der Datenbank des TraumaRegister DGU® (TRDGU) die Menge der Tetrastärke genauer zu analysieren, welche zur präklinischen und akuten innerklinischen Therapie des traumainduziertem Kreislaufschocks zugeführt worden war. Dabei sollte speziell untersucht werden, ob eine unabhängig Assoziation bestand zwischen den relativen bzw. absoluten Tetastärke-Volumina und der 90-Tage Überlebenszeit, bzw. der Häufigkeit des Auftretens einer schweren akuten Niereninsuffizienz. Material und Methoden: In einer retrospektiven Beobachtungsstudie wurden 543 Patienten aus dem TraumaRegisterDGU® (TR-DGU) gescreent, die nach schwerem stumpfen Polytrauma zwischen 2005 und 2011 (vor der öffentlichen Kritisierung der HES-Anwendung) in zwei überregionalen Traumazentren (Klinikum der Universität München, Campus Großhadern und Campus Innenstadt) mehr als zwei Tage intensivmedizinisch behandelt worden waren. Dabei war bereits zu dieser Zeit auf die Anwendung von HES im intensivmedizinischen Kontext verzichtet worden. Bei 271 Patienten (Alter > 18 Jahre) fand sich eine vollständige Dokumentation der Daten, der interessierenden Behandlungsvariablen, und der abhängigen Ziel-Variablen. 272 Patienten konnten nicht ausgewertet werden, da die Datensätze nicht vollständig waren (n = 194), oder da bereits vor dem Trauma ein schweres Nierenversagen vorlag (n = 20), oder da ein Teil der Patienten nach der Krankenhausentlassung nicht kontaktiert werden konnte (n = 58). Die 90-Tages Überlebenszeit nach Trauma wurde durch den direkten Patientenkontakt oder durch Anfrage bei der für den Patienten zuständigen Meldebehörde bestimmt. Ein akutes Nierenversagen wurde angenommen bei einem Nieren-SOFA-Score >2 Punkte und / oder beim Einsatz einer Nierenersatztherapie (kontinuierliche veno-venöse Hämofiltration). Als wesentliche Konfounder wurde dieRivised Injury Severity Classification (RISC), die Zahl der in der präklinischen und akuten innerklinischen Phase verbreichten Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate, und die Menge an balancierter kristalloider Flüssigkeit berücksichtigt. Aus der Summe der applizierten Kristalloid- und Tetrastärke-Mengen berechneten wir den relativen Anteil von Tetrastärke an der infundierten Gesamtflüssigkeit (% Tetrastärke). Unabhängige Assoziationen der interessierenden Variablen (Kolloidmenge und % Kolloid) mit der 90-Tages Überlebenszeit wurden mit Cox-ähnlichen-Risikomodellen und mit der Inzidenz eines akuten Nierenversagens mittels logistischer Regressionsanalyse untersucht. Ergebnisse: Die 28-Tage- und 90-Tage-Mortalität betrug 9,6% bzw. 11,1%. Ein akutes Nierenversagen trat bei 7,8% der Patienten auf. Hauptergebnis war eine U-fömige Assoziation zwischen der absoluten und relativen Tetrastärke-Dosis und der Überlebenszeit bzw. Morbidität. Die längste Überlebenszeit wurde beobachtet, wenn etwa 2000-2500 ml Tetrastärke (etwa 20-30% der Gesamtflüssigkeitsmenge, Kristalloid/Kolloid-Verhältnis 2,5-4,0) gegeben worden waren. Die niedrigste Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines akuten Nierenversagens zeigte sich unter Zufuhr von etwa 1000-2000 ml Tetrastärke (5-15% des gesamten Flüssigkeitsvolumens). Die U-fömigen Assoziationen hatten auch nach Adjustierung an Konfounder Bestand. Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse zeigen, dass schädliche Wirkungen von Tetrastärke differenziert betrachtet werden müssen und sehr wahrscheinlich von der Dosis, aber auch vom Verhältnis zur gleichzeitigen Kistalloidmenge abhängen. Dabei kann sowohl zu viel wie auch zu wenig Tertrastärke von Nachteil sein. Gegenwärtig empfohlene Tertrastärke-Obergrenzen scheinen jedoch zu hoch zu sein.
Tetrastärke, Nierenversagen, HES, Volumenmangelschock, Polytrauma
Beyer, Felix Tassilo
2020
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Beyer, Felix Tassilo (2020): Therapie des Volumenmangelschocks nach Polytrauma: Welche Bedeutung hat die HES- (Tetrastärke-) Dosis für Mortalität und Morbidität?. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Hintergrund: Bei der Therapie von Polytraumapatienten im Volumenmangelschock gibt es zahlreiche Verfechter aber auch Gegner einer Verabreichnung von Tetrastärke. Tetrastärke wird vorgeworfen, die Sterblichkeit bzw. die Häufigkeit eines akuten Nierenversagens zu erhöhen. Alle aktuell zum Thema vorliegenden Studien leiden an zahllosen Limitierungen speziell im Hinblick auf die Einschlusskriterien, die Grunderkrankungen, die Art der verwendeten Stärkelösung, sowie die Dauer des Follow-up. Aufgrund dieser Limitierungen und der begrenzten Anzahl an größeren, aussagekräftigen Metaanalysen kann aktuell weder eine uneingeschränkte Empfehlung für, noch gegen die Therapie mit Tetrastärke (HES) ausgesprochen werden. Die Probleme bei der aktuellen Studienlage zur Verwendung von Tetrastärke spiegeln sich wieder in den Problemen hinsichtlich der Zulassungen bzw. Zulassungsbeschränkung dieses Produktes. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, anhand der Datenbank des TraumaRegister DGU® (TRDGU) die Menge der Tetrastärke genauer zu analysieren, welche zur präklinischen und akuten innerklinischen Therapie des traumainduziertem Kreislaufschocks zugeführt worden war. Dabei sollte speziell untersucht werden, ob eine unabhängig Assoziation bestand zwischen den relativen bzw. absoluten Tetastärke-Volumina und der 90-Tage Überlebenszeit, bzw. der Häufigkeit des Auftretens einer schweren akuten Niereninsuffizienz. Material und Methoden: In einer retrospektiven Beobachtungsstudie wurden 543 Patienten aus dem TraumaRegisterDGU® (TR-DGU) gescreent, die nach schwerem stumpfen Polytrauma zwischen 2005 und 2011 (vor der öffentlichen Kritisierung der HES-Anwendung) in zwei überregionalen Traumazentren (Klinikum der Universität München, Campus Großhadern und Campus Innenstadt) mehr als zwei Tage intensivmedizinisch behandelt worden waren. Dabei war bereits zu dieser Zeit auf die Anwendung von HES im intensivmedizinischen Kontext verzichtet worden. Bei 271 Patienten (Alter > 18 Jahre) fand sich eine vollständige Dokumentation der Daten, der interessierenden Behandlungsvariablen, und der abhängigen Ziel-Variablen. 272 Patienten konnten nicht ausgewertet werden, da die Datensätze nicht vollständig waren (n = 194), oder da bereits vor dem Trauma ein schweres Nierenversagen vorlag (n = 20), oder da ein Teil der Patienten nach der Krankenhausentlassung nicht kontaktiert werden konnte (n = 58). Die 90-Tages Überlebenszeit nach Trauma wurde durch den direkten Patientenkontakt oder durch Anfrage bei der für den Patienten zuständigen Meldebehörde bestimmt. Ein akutes Nierenversagen wurde angenommen bei einem Nieren-SOFA-Score >2 Punkte und / oder beim Einsatz einer Nierenersatztherapie (kontinuierliche veno-venöse Hämofiltration). Als wesentliche Konfounder wurde dieRivised Injury Severity Classification (RISC), die Zahl der in der präklinischen und akuten innerklinischen Phase verbreichten Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate, und die Menge an balancierter kristalloider Flüssigkeit berücksichtigt. Aus der Summe der applizierten Kristalloid- und Tetrastärke-Mengen berechneten wir den relativen Anteil von Tetrastärke an der infundierten Gesamtflüssigkeit (% Tetrastärke). Unabhängige Assoziationen der interessierenden Variablen (Kolloidmenge und % Kolloid) mit der 90-Tages Überlebenszeit wurden mit Cox-ähnlichen-Risikomodellen und mit der Inzidenz eines akuten Nierenversagens mittels logistischer Regressionsanalyse untersucht. Ergebnisse: Die 28-Tage- und 90-Tage-Mortalität betrug 9,6% bzw. 11,1%. Ein akutes Nierenversagen trat bei 7,8% der Patienten auf. Hauptergebnis war eine U-fömige Assoziation zwischen der absoluten und relativen Tetrastärke-Dosis und der Überlebenszeit bzw. Morbidität. Die längste Überlebenszeit wurde beobachtet, wenn etwa 2000-2500 ml Tetrastärke (etwa 20-30% der Gesamtflüssigkeitsmenge, Kristalloid/Kolloid-Verhältnis 2,5-4,0) gegeben worden waren. Die niedrigste Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines akuten Nierenversagens zeigte sich unter Zufuhr von etwa 1000-2000 ml Tetrastärke (5-15% des gesamten Flüssigkeitsvolumens). Die U-fömigen Assoziationen hatten auch nach Adjustierung an Konfounder Bestand. Schlussfolgerung: Unsere Ergebnisse zeigen, dass schädliche Wirkungen von Tetrastärke differenziert betrachtet werden müssen und sehr wahrscheinlich von der Dosis, aber auch vom Verhältnis zur gleichzeitigen Kistalloidmenge abhängen. Dabei kann sowohl zu viel wie auch zu wenig Tertrastärke von Nachteil sein. Gegenwärtig empfohlene Tertrastärke-Obergrenzen scheinen jedoch zu hoch zu sein.