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Differentielle Behandlungsverläufe bei störungsspezifischer stationärer Psychotherapie komplexer Traumafolgestörungen
Differentielle Behandlungsverläufe bei störungsspezifischer stationärer Psychotherapie komplexer Traumafolgestörungen
Die Wirksamkeit traumaspezifischer Psychotherapie ist bei Patienten mit komplexen Traumafolgestörungen insbesondere in naturalistischen Settings unzureichend belegt. Darüber hinaus erscheint es bedeutsam, Prädiktoren für differentielle Verläufe zu identifizieren. In dieser retrospektiven Prä-Post-Untersuchung naturalistischer Therapieverläaufe von 139 stationär behandelten PatientInnen wird die Wirksamkeit eines spezifischen Therapieprogrammes anhand der PTBS–Symptomatik (gemessen mit IES-R) sowie anhand sekundärer Outcome–Maße wie Depression, somatoforme Beschwerden, Angst (jeweils gemessen mit ISR und HEALTH–49), interaktionelle Schwierigkeiten, Selbstwirksamkeit, psychisches Wohlbefinden (jeweils gemessen mit HEALTH–49), Dissoziation (gemessen mit DES–T) oder Achtsamkeit (gemessen mit FFA) überprüft. Darüber hinaus werden mittels finiter gemischter Modelle differentielle Klassen von Verläufen der PTBS-Symptomatik identifiziert. Über Classification and Regression Trees werden Prädiktoren für die Klassenzugehörigkeit identifiziert. Die Stichprobe erwies sich als durch Kindheitstraumatisierungen, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung und komorbide psychische Störungen in extremen Ausmaßen belastet. Dieser Umstand schlägt sich auch in häufigen stationären Vorbehandlungen, Suizidversuchen, polypharmazeutischen Medikationen und ausgeprägten sozialen Notlagen wider. Im Untersuchungszeitraum lag die Zahl abgebrochener Behandlungen bei 4.8% (sieben von 146 PatientInnen). Bei den PatientInnen, die die Behandlung regulär beendeten, war in nur einem Fall (0.7%) eine klinisch signifikante Verschlechterung der PTBS–Symptomatik zu beobachten. Es zeigt sich eine signifikante Reduktion der PTBS–Symptomatik im Therapieverlauf (Z = −8.5, p = .00). Für 41.7% der PatientInnen entspricht dieser Effekt einer klinisch signifikanten Verbesserung. Auch hinsichtlich der sekundären Outcome–Maße Depression, somatoforme Beschwerden, Angst, interaktionelle Schwierigkeiten, Selbstwirksamkeit und Achtsamkeit konnten signifikante Verbesserungen im Ausmaß mittlerer bis hoher Effekte nachgewiesen werden. Ebenso fand sich eine signifikante Reduktion der dissoziativen Symptomatik. 38% der PatientInnen konnten ihr psychisches Wohlbefinden klinisch signifikant verbessern, 29.2% klinisch signifikant ihre interaktionellen Schwierigkeiten reduzieren und 22.8% der PatientInnen gelang es, klinisch signifikant das Ausmaß ihrer Achtsamkeit zu verbessern. 71.9% der PatientInnen schilderten bei Entlassung im VEV–K hinsichtlich ihres Erlebens und Verhaltens eine signifikante Verbesserung. Anhand der Analyse der finiten gemischten Modelle konnten drei differentielle Klassen von Verläufen der PTBS-Symptomatik identifiziert werden (ΔBIC=23.5; Entropie .79). In allen drei Klassen konnte eine signifikante Verbesserung der PTBS–Symptomatik nachgewiesen werden (p = .00). Gleichzeitig zeigten sich deutlich unterschiedliche Verläufe. Während die Klassen 2 und 3 hinsichtlich der PTBS–Symptomatik in hohem Ausmaß von der Behandlung profitierten (N=51; dZ=1.3; 33% klinisch signifikante Verbesserung bzw. N=49; dZ=1.4; 78% klinisch signifikante Verbesserung), gelang dies einer dritten Klasse von PatientInnen (N=39; dZ=0.5; 8% klinisch signifikante Verbesserung) nur eingeschränkt. Das Klassifikationsmodell mit minimalem Kreuzvalidierungsfehler identifiziert Achtsamkeit, Dissoziation und interaktionelle Schwierigkeiten bei Aufnahme sowie das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der Kindheit (gemessen mit CTQ) als signifikante Prädiktoren der Klassenzugehörigkeit. Diese Ergebnisse zeigen, dass komplex traumatisierte und psychopathologisch schwer belastete PatientInnen stationär wirksam behandelt werden können. PatientInnen mit besonders hohen Belastungen durch sexuellen Missbrauch in der Kindheit, Dissoziation und interaktionelle Schwierigkeiten sowie mit geringer Achtsamkeit profitieren eingeschränkt. Methodische Schwächen dieser Untersuchung sowie Implikationen für Forschung und klinische Praxis werden diskutiert.
Not available
Kratzer, Leonhard
2019
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Kratzer, Leonhard (2019): Differentielle Behandlungsverläufe bei störungsspezifischer stationärer Psychotherapie komplexer Traumafolgestörungen. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Die Wirksamkeit traumaspezifischer Psychotherapie ist bei Patienten mit komplexen Traumafolgestörungen insbesondere in naturalistischen Settings unzureichend belegt. Darüber hinaus erscheint es bedeutsam, Prädiktoren für differentielle Verläufe zu identifizieren. In dieser retrospektiven Prä-Post-Untersuchung naturalistischer Therapieverläaufe von 139 stationär behandelten PatientInnen wird die Wirksamkeit eines spezifischen Therapieprogrammes anhand der PTBS–Symptomatik (gemessen mit IES-R) sowie anhand sekundärer Outcome–Maße wie Depression, somatoforme Beschwerden, Angst (jeweils gemessen mit ISR und HEALTH–49), interaktionelle Schwierigkeiten, Selbstwirksamkeit, psychisches Wohlbefinden (jeweils gemessen mit HEALTH–49), Dissoziation (gemessen mit DES–T) oder Achtsamkeit (gemessen mit FFA) überprüft. Darüber hinaus werden mittels finiter gemischter Modelle differentielle Klassen von Verläufen der PTBS-Symptomatik identifiziert. Über Classification and Regression Trees werden Prädiktoren für die Klassenzugehörigkeit identifiziert. Die Stichprobe erwies sich als durch Kindheitstraumatisierungen, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung und komorbide psychische Störungen in extremen Ausmaßen belastet. Dieser Umstand schlägt sich auch in häufigen stationären Vorbehandlungen, Suizidversuchen, polypharmazeutischen Medikationen und ausgeprägten sozialen Notlagen wider. Im Untersuchungszeitraum lag die Zahl abgebrochener Behandlungen bei 4.8% (sieben von 146 PatientInnen). Bei den PatientInnen, die die Behandlung regulär beendeten, war in nur einem Fall (0.7%) eine klinisch signifikante Verschlechterung der PTBS–Symptomatik zu beobachten. Es zeigt sich eine signifikante Reduktion der PTBS–Symptomatik im Therapieverlauf (Z = −8.5, p = .00). Für 41.7% der PatientInnen entspricht dieser Effekt einer klinisch signifikanten Verbesserung. Auch hinsichtlich der sekundären Outcome–Maße Depression, somatoforme Beschwerden, Angst, interaktionelle Schwierigkeiten, Selbstwirksamkeit und Achtsamkeit konnten signifikante Verbesserungen im Ausmaß mittlerer bis hoher Effekte nachgewiesen werden. Ebenso fand sich eine signifikante Reduktion der dissoziativen Symptomatik. 38% der PatientInnen konnten ihr psychisches Wohlbefinden klinisch signifikant verbessern, 29.2% klinisch signifikant ihre interaktionellen Schwierigkeiten reduzieren und 22.8% der PatientInnen gelang es, klinisch signifikant das Ausmaß ihrer Achtsamkeit zu verbessern. 71.9% der PatientInnen schilderten bei Entlassung im VEV–K hinsichtlich ihres Erlebens und Verhaltens eine signifikante Verbesserung. Anhand der Analyse der finiten gemischten Modelle konnten drei differentielle Klassen von Verläufen der PTBS-Symptomatik identifiziert werden (ΔBIC=23.5; Entropie .79). In allen drei Klassen konnte eine signifikante Verbesserung der PTBS–Symptomatik nachgewiesen werden (p = .00). Gleichzeitig zeigten sich deutlich unterschiedliche Verläufe. Während die Klassen 2 und 3 hinsichtlich der PTBS–Symptomatik in hohem Ausmaß von der Behandlung profitierten (N=51; dZ=1.3; 33% klinisch signifikante Verbesserung bzw. N=49; dZ=1.4; 78% klinisch signifikante Verbesserung), gelang dies einer dritten Klasse von PatientInnen (N=39; dZ=0.5; 8% klinisch signifikante Verbesserung) nur eingeschränkt. Das Klassifikationsmodell mit minimalem Kreuzvalidierungsfehler identifiziert Achtsamkeit, Dissoziation und interaktionelle Schwierigkeiten bei Aufnahme sowie das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der Kindheit (gemessen mit CTQ) als signifikante Prädiktoren der Klassenzugehörigkeit. Diese Ergebnisse zeigen, dass komplex traumatisierte und psychopathologisch schwer belastete PatientInnen stationär wirksam behandelt werden können. PatientInnen mit besonders hohen Belastungen durch sexuellen Missbrauch in der Kindheit, Dissoziation und interaktionelle Schwierigkeiten sowie mit geringer Achtsamkeit profitieren eingeschränkt. Methodische Schwächen dieser Untersuchung sowie Implikationen für Forschung und klinische Praxis werden diskutiert.