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Impfstatuserhebung von Asylsuchenden in München. Evaluierung und Bedarfsanalyse für eine flächendeckende und effektive Impfprävention
Impfstatuserhebung von Asylsuchenden in München. Evaluierung und Bedarfsanalyse für eine flächendeckende und effektive Impfprävention
In den letzten Jahren rückten Sorgen vor möglichen Epidemien in den Fokus, sei es die befürchtete Poliomyelitis-Einschleppung 2013 durch syrische Flüchtlinge oder der durch Flüchtlinge verursachten Masernausbruch in Berlin 2014. Unstrittig ist, dass Ausbrüche von Infektionskrankheiten durch Impfungen effektiv vermieden werden können. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden alle von der STIKO empfohlenen Impfungen bei Kindern und Erwachsenen erstattet, egal ob im Rahmen der Erstaufnahme oder nach erfolgter Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften geimpft wird. Auch zu besserer Planung personeller und budgetärer Ressourcen stellte sich die Frage: Welchen Impfstatus haben Asylsuchende tatsächlich und bei welcher Personengruppe muss man mit einem erhöhten Aufwand rechnen? Diese Untersuchung in Flüchtlingsunterkünften wurde 2014 in München durchgeführt, weil Daten zum Beispiel über ein zentrales Impfregister fehlen. Wegen begrenzter personeller Ressourcen wurden Einschlusskriterien, wie Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Mindestgröße der Unterkunft, festgelegt. So wurden Bewohner von 10 geeigneten Unterkünften auf freiwilliger Basis mit Hilfe von Dolmetschern nach Impfdaten befragt und ihre soziodemographischen Daten anonym erfasst. Für die Beurteilung des Impfstatus und der Impflücken wurden die aktuellen Empfehlungen der STIKO vom 25.08.2014 (EpidBull 34/2014) zu Grunde gelegt. Von 1.044 Bewohnern konnten 354 erreicht werden (34 %). Davon hatten nur zwei Erwachsene (1,0 %) einen vollständigen Impfstatus. Im Gegensatz dazu war bei 67 Kindern (43,8 %) der Impfstatus komplett, die Lücken betrafen in gleichem Maße Varizellen, Masern-Mumps-Röteln und DTap-Polio-Hib-HepB. Obwohl Erwachsene prinzipiell in gleichem Maße wie Kinder ärztlich versorgt sind, weisen sie erheblich größere Impflücken auf. Unklar ist, ob in der hausärztlichen Betreuung von Asylsuchenden Impffragen ausreichend thematisiert werden. Da die Erhebung nur in Gemeinschaftsunterkünften durchgeführt wurde, ist sie nicht repräsentativ für Flüchtlinge bei deren Ankunft. Dort sind noch größere Impflücken zu befürchten. Auch die Tatsache, dass nur 34 % der Bewohner erreicht wurden, schränkt die Aussagekraft ein. Die erhobenen Daten sind dennoch valide, da Sprachbarrieren durch Dolmetscher überwunden werden konnten. Der Schutz vor impfpräventablen Infektionskrankheiten ist bei Asylsuchenden ungenügend. Der Öffentliche Gesundheitsdienst sollte seine Impfstrategie für Asylanten überdenken. Der Zugang zu Impfungen muss erleichtert und systematisiert werden. Bei der medizinischen Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen müssen Impflücken gemeinsam mit dem lokalen öffentlichen Gesundheitsdienst gezielt geschlossen werden. Nur so sind unkontrollierte Infektionsausbrüche wie in Berlin zu vermeiden., Possible local epidemics caused by refugees came into focus in the past years either due to fears concerning the re-introduction of poliomyelitis 2013 to Germany by Syrian refugees or by the Berlin measles outbreak associated with refugees in 2014. Vaccinations can effectively prevent infection outbreaks. All vaccinations for refugees recommended by the Standing Committee on Vaccination (STIKO) are funded by the Asylum Seekers Benefits Act regardless of where or when the vaccine is administered, being either the first site of registration or a later asylum shelter. In light of future planning and current circumstances the foremost question is: what is the rate of immunization amongst refugees? Since data were not available, we conducted this study in refugee shelters in Munich 2014. To answer this question, we developed and employed the following method: All shelters for asylum seekers in the city of Munich were assessed in terms of accessibility and size. Then a total number of 10 shelters were selected, the results were analyzed with the help of interpreters. The collection of sociodemographic data and data concerning vaccination rates was conducted on a strictly voluntary and anonymous basis. To assess immunization rates and vaccination gaps we applied the current STIKO recommendations from 25.08.2014 (EpidBull 34/2014). We obtained data from a total of 354 out of 1.044 inhabitants (34%). The key results revealed that only 2 adults (1.0 %) showed a complete vaccination status, as opposed to 67 children (43.8 %) with a complete vaccination status. Remaining gaps concerned varicella, measles-mumps-rubella and DTap-Polio-Hib-HepB equally. Although adults have the same access to medical support as children in theory, they have more vaccination gaps. It is unclear how much the family doctors support care for immunization in the adult refugees. Since only data from stationary shelters was collected, our findings cannot be applied to refugees on arrival in Germany. In these groups we expected to find more and wider immunization gaps. Furthermore, our findings are compromised by the fact that we reached only 34% of the shelter inhabitants. Nevertheless, the collected data are valid being assessed with interpreters. Refugees have an inadequate protection against vaccination preventable diseases. The immunization strategy of Public Health for refugees needs to be reconsidered. Access to vaccination should be simple and systematic. The medical support for all refugees should close the immunization gaps immediately in cooperation with the local public health. That will avoid uncontrolled infection outbreaks such as recently in Berlin.
Impfung, Asylsuchende, Impfstatus
Groffik, Christian
2018
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Groffik, Christian (2018): Impfstatuserhebung von Asylsuchenden in München: Evaluierung und Bedarfsanalyse für eine flächendeckende und effektive Impfprävention. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

In den letzten Jahren rückten Sorgen vor möglichen Epidemien in den Fokus, sei es die befürchtete Poliomyelitis-Einschleppung 2013 durch syrische Flüchtlinge oder der durch Flüchtlinge verursachten Masernausbruch in Berlin 2014. Unstrittig ist, dass Ausbrüche von Infektionskrankheiten durch Impfungen effektiv vermieden werden können. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden alle von der STIKO empfohlenen Impfungen bei Kindern und Erwachsenen erstattet, egal ob im Rahmen der Erstaufnahme oder nach erfolgter Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften geimpft wird. Auch zu besserer Planung personeller und budgetärer Ressourcen stellte sich die Frage: Welchen Impfstatus haben Asylsuchende tatsächlich und bei welcher Personengruppe muss man mit einem erhöhten Aufwand rechnen? Diese Untersuchung in Flüchtlingsunterkünften wurde 2014 in München durchgeführt, weil Daten zum Beispiel über ein zentrales Impfregister fehlen. Wegen begrenzter personeller Ressourcen wurden Einschlusskriterien, wie Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Mindestgröße der Unterkunft, festgelegt. So wurden Bewohner von 10 geeigneten Unterkünften auf freiwilliger Basis mit Hilfe von Dolmetschern nach Impfdaten befragt und ihre soziodemographischen Daten anonym erfasst. Für die Beurteilung des Impfstatus und der Impflücken wurden die aktuellen Empfehlungen der STIKO vom 25.08.2014 (EpidBull 34/2014) zu Grunde gelegt. Von 1.044 Bewohnern konnten 354 erreicht werden (34 %). Davon hatten nur zwei Erwachsene (1,0 %) einen vollständigen Impfstatus. Im Gegensatz dazu war bei 67 Kindern (43,8 %) der Impfstatus komplett, die Lücken betrafen in gleichem Maße Varizellen, Masern-Mumps-Röteln und DTap-Polio-Hib-HepB. Obwohl Erwachsene prinzipiell in gleichem Maße wie Kinder ärztlich versorgt sind, weisen sie erheblich größere Impflücken auf. Unklar ist, ob in der hausärztlichen Betreuung von Asylsuchenden Impffragen ausreichend thematisiert werden. Da die Erhebung nur in Gemeinschaftsunterkünften durchgeführt wurde, ist sie nicht repräsentativ für Flüchtlinge bei deren Ankunft. Dort sind noch größere Impflücken zu befürchten. Auch die Tatsache, dass nur 34 % der Bewohner erreicht wurden, schränkt die Aussagekraft ein. Die erhobenen Daten sind dennoch valide, da Sprachbarrieren durch Dolmetscher überwunden werden konnten. Der Schutz vor impfpräventablen Infektionskrankheiten ist bei Asylsuchenden ungenügend. Der Öffentliche Gesundheitsdienst sollte seine Impfstrategie für Asylanten überdenken. Der Zugang zu Impfungen muss erleichtert und systematisiert werden. Bei der medizinischen Betreuung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen müssen Impflücken gemeinsam mit dem lokalen öffentlichen Gesundheitsdienst gezielt geschlossen werden. Nur so sind unkontrollierte Infektionsausbrüche wie in Berlin zu vermeiden.

Abstract

Possible local epidemics caused by refugees came into focus in the past years either due to fears concerning the re-introduction of poliomyelitis 2013 to Germany by Syrian refugees or by the Berlin measles outbreak associated with refugees in 2014. Vaccinations can effectively prevent infection outbreaks. All vaccinations for refugees recommended by the Standing Committee on Vaccination (STIKO) are funded by the Asylum Seekers Benefits Act regardless of where or when the vaccine is administered, being either the first site of registration or a later asylum shelter. In light of future planning and current circumstances the foremost question is: what is the rate of immunization amongst refugees? Since data were not available, we conducted this study in refugee shelters in Munich 2014. To answer this question, we developed and employed the following method: All shelters for asylum seekers in the city of Munich were assessed in terms of accessibility and size. Then a total number of 10 shelters were selected, the results were analyzed with the help of interpreters. The collection of sociodemographic data and data concerning vaccination rates was conducted on a strictly voluntary and anonymous basis. To assess immunization rates and vaccination gaps we applied the current STIKO recommendations from 25.08.2014 (EpidBull 34/2014). We obtained data from a total of 354 out of 1.044 inhabitants (34%). The key results revealed that only 2 adults (1.0 %) showed a complete vaccination status, as opposed to 67 children (43.8 %) with a complete vaccination status. Remaining gaps concerned varicella, measles-mumps-rubella and DTap-Polio-Hib-HepB equally. Although adults have the same access to medical support as children in theory, they have more vaccination gaps. It is unclear how much the family doctors support care for immunization in the adult refugees. Since only data from stationary shelters was collected, our findings cannot be applied to refugees on arrival in Germany. In these groups we expected to find more and wider immunization gaps. Furthermore, our findings are compromised by the fact that we reached only 34% of the shelter inhabitants. Nevertheless, the collected data are valid being assessed with interpreters. Refugees have an inadequate protection against vaccination preventable diseases. The immunization strategy of Public Health for refugees needs to be reconsidered. Access to vaccination should be simple and systematic. The medical support for all refugees should close the immunization gaps immediately in cooperation with the local public health. That will avoid uncontrolled infection outbreaks such as recently in Berlin.