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In vivo Mechanismen des axonalen Kalziumeinstroms im Tiermodell der Multiplen Sklerose
In vivo Mechanismen des axonalen Kalziumeinstroms im Tiermodell der Multiplen Sklerose
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die in Deutschland eine Prävalenz von knapp 300 pro 100.000 Einwohner aufweist und am häufigsten Frauen im Alter von 20-40 Jahren betrifft. Lange Zeit wurde die Demyelinisierung als wichtigster Faktor der Pathophysiologie der MS erachtet. Allerdings haben Forschungsarbeiten in den vergangenen Jahren immer deutlicher gezeigt, dass die irreversible Schädigung von Axonen von entscheidender Bedeutung für das Ausmaß der dauerhaften Behinderung von MS-Patienten ist. Trotz intensiver Bemühungen sind die Prozesse, die zum Verlust von Axonen führen, bislang nur unzureichend verstanden. Besonders in der chronisch progredienten Phase der Erkrankung, die sich bei der Mehrheit der Patienten im Krankheitsverlauf entwickelt, stehen die neurodegenerativen Aspekte im Vordergrund. Während in den vergangenen Jahren mehrere, in erster Linie immunmodulatorisch wirksame Medikamente zur Behandlung der schubförmigen MS zugelassen wurden, sind die Behandlungsmöglichkeiten der chronisch progredienten MS immer noch stark limitiert. Es ist daher von hoher Relevanz, die der axonalen Schädigung zugrundeliegenden Abläufe möglichst detailliert zu verstehen, um daraus in der Zukunft erfolgversprechende neuroprotektive Therapieansätze ableiten zu können. Die Experimentelle Autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) ist das am weitesten verbreitete Tiermodell der MS in Ratten und Mäusen und hat trotz aller Limitationen wertvolle Erkenntnisse zur Pathogenese der MS geliefert. Aus diesem Modell wurde eine Vielzahl an Hypothesen zur Pathophysiologie der axonalen Degeneration im Kontext autoimmunentzündlicher ZNS-Erkrankungen abgeleitet. In unserem Labor konnte vor einigen Jahren der Prozess der axonalen Schädigung im Rahmen der EAE mittels in-vivo Mikroskopie in Echtzeit im intakten Gewebe untersucht werden. Dieser Prozess der sogenannten fokalen axonalen Degeneration (FAD) lässt sich auch durch exogene reaktive Sauerstoff- (ROS) und Stickstoffspezies (RNS) induzieren und ähnliche Veränderungen finden sich ebenfalls in Hirnautopsien von MS-Patienten. In Vorarbeiten zu der hier vorliegenden Arbeit konnte mittels in-vivo 2-Photonen-Kalziummikroskopie weiterhin gezeigt werden, dass Axone in akuten EAE-Läsionen oftmals eine erhöhte intrazelluläre Kalzium (Ca2+)-Konzentration aufweisen und dass diese Störung der Ca2+-Homöostase ein wichtiger Indikator dafür ist, ob ein Axon im weiteren zeitlichen Verlauf einen irreversiblen Degenerationsprozess durchläuft oder ob es der entzündlichen Schädigung widerstehen kann. Zur in-vivo 2-Photonen-Ca2+-Mikroskopie werden bei uns im Labor transgene Mäuse verwendet, die unter Kontrolle des neuronenspezifischen Promoters Thy-1 einen FRET-basierten, ratiometrischen Ca2+-Sensor exprimieren. Nachdem aber bislang kein Auslöser dieser pathophysiologisch relevanten Erhöhung der intraaxonalen Ca2+-Konzentration identifiziert werden konnte, befasste ich mich in der hier vorliegenden Arbeit mit der Frage, ob es im Rahmen der akuten Entzündungsreaktion durch die Produktion von ROS/RNS zu einer oxidativen Schädigung der axonalen Zellmembran kommt und ob diese zu einer nachweisbaren Störung der Membranintegrität führt. Hierzu entwickelte ich einen neuartigen Versuchsaufbau, bei dem ich verschiedene Fluoreszenzfarbstoffe intrathekal bei gesunden und akut an EAE erkrankten Mäusen injizierte. Dadurch gelang es mir zu zeigen, dass es im Rahmen der akuten EAE zu einer axonalen Aufnahme von Fluoreszenzfarbstoffen als Hinweis auf Membranläsionen kommt und dass diese mit dem Ausmaß der morphologischen Schädigung zusammenhängt, aber nicht zwangsläufig eine Demyelinisierung voraussetzt. Durch die Kombination von in-vivo 2-Photonen-Ca2+-Mikroskopie und intrathekaler Farbstoffinjektion konnte ich nachweisen, dass Axone mit einer erhöhten Ca2+-Konzentration signifikant häufiger farbstoffpositiv sind als Axone mit einer physiologisch niedrigen Ca2+-Konzentration. Es liegt also der Schluss nahe, dass die Membranläsionen eine mögliche Ursache für die Störung der axonalen Ca2+-Homöostase sein könnten.
Not available
Bewersdorf, Jan Philipp
2018
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Bewersdorf, Jan Philipp (2018): In vivo Mechanismen des axonalen Kalziumeinstroms im Tiermodell der Multiplen Sklerose. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die in Deutschland eine Prävalenz von knapp 300 pro 100.000 Einwohner aufweist und am häufigsten Frauen im Alter von 20-40 Jahren betrifft. Lange Zeit wurde die Demyelinisierung als wichtigster Faktor der Pathophysiologie der MS erachtet. Allerdings haben Forschungsarbeiten in den vergangenen Jahren immer deutlicher gezeigt, dass die irreversible Schädigung von Axonen von entscheidender Bedeutung für das Ausmaß der dauerhaften Behinderung von MS-Patienten ist. Trotz intensiver Bemühungen sind die Prozesse, die zum Verlust von Axonen führen, bislang nur unzureichend verstanden. Besonders in der chronisch progredienten Phase der Erkrankung, die sich bei der Mehrheit der Patienten im Krankheitsverlauf entwickelt, stehen die neurodegenerativen Aspekte im Vordergrund. Während in den vergangenen Jahren mehrere, in erster Linie immunmodulatorisch wirksame Medikamente zur Behandlung der schubförmigen MS zugelassen wurden, sind die Behandlungsmöglichkeiten der chronisch progredienten MS immer noch stark limitiert. Es ist daher von hoher Relevanz, die der axonalen Schädigung zugrundeliegenden Abläufe möglichst detailliert zu verstehen, um daraus in der Zukunft erfolgversprechende neuroprotektive Therapieansätze ableiten zu können. Die Experimentelle Autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) ist das am weitesten verbreitete Tiermodell der MS in Ratten und Mäusen und hat trotz aller Limitationen wertvolle Erkenntnisse zur Pathogenese der MS geliefert. Aus diesem Modell wurde eine Vielzahl an Hypothesen zur Pathophysiologie der axonalen Degeneration im Kontext autoimmunentzündlicher ZNS-Erkrankungen abgeleitet. In unserem Labor konnte vor einigen Jahren der Prozess der axonalen Schädigung im Rahmen der EAE mittels in-vivo Mikroskopie in Echtzeit im intakten Gewebe untersucht werden. Dieser Prozess der sogenannten fokalen axonalen Degeneration (FAD) lässt sich auch durch exogene reaktive Sauerstoff- (ROS) und Stickstoffspezies (RNS) induzieren und ähnliche Veränderungen finden sich ebenfalls in Hirnautopsien von MS-Patienten. In Vorarbeiten zu der hier vorliegenden Arbeit konnte mittels in-vivo 2-Photonen-Kalziummikroskopie weiterhin gezeigt werden, dass Axone in akuten EAE-Läsionen oftmals eine erhöhte intrazelluläre Kalzium (Ca2+)-Konzentration aufweisen und dass diese Störung der Ca2+-Homöostase ein wichtiger Indikator dafür ist, ob ein Axon im weiteren zeitlichen Verlauf einen irreversiblen Degenerationsprozess durchläuft oder ob es der entzündlichen Schädigung widerstehen kann. Zur in-vivo 2-Photonen-Ca2+-Mikroskopie werden bei uns im Labor transgene Mäuse verwendet, die unter Kontrolle des neuronenspezifischen Promoters Thy-1 einen FRET-basierten, ratiometrischen Ca2+-Sensor exprimieren. Nachdem aber bislang kein Auslöser dieser pathophysiologisch relevanten Erhöhung der intraaxonalen Ca2+-Konzentration identifiziert werden konnte, befasste ich mich in der hier vorliegenden Arbeit mit der Frage, ob es im Rahmen der akuten Entzündungsreaktion durch die Produktion von ROS/RNS zu einer oxidativen Schädigung der axonalen Zellmembran kommt und ob diese zu einer nachweisbaren Störung der Membranintegrität führt. Hierzu entwickelte ich einen neuartigen Versuchsaufbau, bei dem ich verschiedene Fluoreszenzfarbstoffe intrathekal bei gesunden und akut an EAE erkrankten Mäusen injizierte. Dadurch gelang es mir zu zeigen, dass es im Rahmen der akuten EAE zu einer axonalen Aufnahme von Fluoreszenzfarbstoffen als Hinweis auf Membranläsionen kommt und dass diese mit dem Ausmaß der morphologischen Schädigung zusammenhängt, aber nicht zwangsläufig eine Demyelinisierung voraussetzt. Durch die Kombination von in-vivo 2-Photonen-Ca2+-Mikroskopie und intrathekaler Farbstoffinjektion konnte ich nachweisen, dass Axone mit einer erhöhten Ca2+-Konzentration signifikant häufiger farbstoffpositiv sind als Axone mit einer physiologisch niedrigen Ca2+-Konzentration. Es liegt also der Schluss nahe, dass die Membranläsionen eine mögliche Ursache für die Störung der axonalen Ca2+-Homöostase sein könnten.