Neumann, Benjamin (2018): Automatische vs. Manuelle QTc-Zeit Messung bei Patienten mit Genetisch Gesichertem Long-QT-Syndrom. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät |
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Abstract
Einleitung: Das Long-QT-Syndrom (LQTS) ist eine genetische Herzerkrankung, die mit einer erhöhten Inzidenz lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen und der Gefahr eines plötzlichen Herztodes assoziiert ist. Goldstandard zur Bestimmung der QTc-Zeit ist die manuelle Messung durch die Tangenten-Methode. Automatische Messungen durch EKG-Geräte sind häufig falsch und können zu Fehldiagnosen führen. Ziel dieser Untersuchung ist die Evaluierung der Übereinstimmung von manueller und automatischer QTc-Zeit-Messung bei Patienten mit genetisch gesichertem LQTS und die Identifizierung eines sinnvollen QTc-Cut-Off-Wertes für das Screening nach LQTS Methoden: Im Rahmen dieser retrospektiven Kohortenstudie wurden Patienten der LQTS-Spezialambulanzen der Medizinischen Klinik und Poliklinik I der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Academic Medical Center – AMC eingeschlossen. Von allen Patienten der vier Studiengruppen (LQTS1, LQTS2, LQTS3, kein LQTS) wurde ein Index-EKG bei noch therapienaiven Patienten geschrieben und durch einen erfahrenen Untersucher mittels Tangenten-Methode und durch den automatischen Algorithmus des EKG-Gerätes vermessen. Es erfolgte mittels Bland-Altman-Plots eine Übereinstimmungsanalyse beider Messmethoden, eine gruppenspezifische Auswertung sowie eine Subgruppenanalyse nach Hersteller und Herzfrequenz. Statistisch befinden sich 95% der Wertepaardifferenzen zweier Messmethoden innerhalb der Limits of Agreement (LoA) der Bland-Altman-Plots. LoA >±15ms wurden als nicht hinreichend übereinstimmend bewertet. Um einen Bereich potentieller Fehldiagosen durch Messfehler zu identifizieren, wurden die LoA und der QTc Grenzwert für ein LQTS von 480ms addiert. Die tatsächliche Rate an Fehldiagnosen für ein LQTS durch die automatische Messung, wurde anhand der Reklassifikationen ermittelt Sofern die genetische Diagnose (LQTS ja/nein) mit der Diagnose anhand der manuell gemessenen QTc- Zeit identisch war (LQTS: QTc>480ms) und die automatische Messung eine gegenteilige Diagnose ergeben hätte, wurde dies als Reklassifikation definiert. Zur Identifizierung eines QTc-Cut-Off Wertes mit hoher Sensitivität und Spezifität für ein genetisches LQTS wurden unterschiedliche QTc-Schwellenwerte analysiert. Ergebnisse: Die Übereinstimmung zwischen manuell gemessener QTc-Zeit und automatisch berechneter QTc-Zeit war in der Gruppe der LQTS-Patienten (n=320) deutlich schlechter als in der Gruppe der Kontrollpatienten (n=360) (LoA: LQTS -59ms bis +60,9ms; Kontrollen -35,4ms bis +48,1ms), wobei die schlechteste Übereinstimmung bei Patienten mit LQTS 2 feststellbar war. Im Subkollektiv der mit GE-Geräten aufgezeichneten EKGs lagen die LoA bei LQTS Patienten (n=274) bei -61,1ms und +60,6ms sowie bei-35,3ms bis +48,4ms im Kontrollkollektiv (n=354). EKGs von GE ab dem Jahr 2003 erbrachten LoA im Kollektiv der LQTS-Patienten von -57,9ms bis 60,4ms und bei Kontrollpatienten von -28,4ms bis 45,9ms. In der herzfrequenzabhängigen Subanalyse zeigten sich die größten Differenzen beider Messmethoden bei normofrequenten EKGs der LQTS Patienten mit LoA von -68,3ms bis 60,3ms. Durch die manuelle QTc-Zeit-Messung wären mit einem Cut-Off bei 480ms 23,8% (N=76; 23,8% von 320) der Patienten korrekt als LQTS-Patienten, hinsichtlich ihrer genetischen Diagnose, identifiziert worden. Die automatische Messung hätte 34,2% (n=26) dieser korrekten Resultate falsch negativ gewertet, es hätte somit eine Reklassifikation stattgefunden. Bei manueller Messung ergab sich bei einem QTc-Cut-Off von 430ms eine Sensitivität von 74,1% mit einer Spezifität von 81,1%, bei 460ms und 480ms stieg die Spezifität auf 95% bzw. 98,6%, die Sensitivität fiel jedoch auf 40,3% bzw. 23,3%. Diskussion: Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden insgesamt 680 EKGs von Patienten mit und ohne genetisch verifiziertem Long-QT-Syndrom untersucht. Dabei konnten zwei wesentliche Fragestellungen beantwortet werden. Zum einen konnte die methodische Übereinstimmung zwischen manueller und automatischer QTc-Zeit-Messung überprüft und ein Bezug zu aktuellen Guidelines hergestellt werden. Zum anderen konnten, unabhängig von der Messmethode, QTc-Cut-Off-Werte mit optimalen Screening-Eigenschaften für LQTS-Patienten identifiziert werden. Die Übereinstimmung beider Messmethoden war bei an LQTS erkrankten Patienten relevant schlechter als bei Gesunden, die klinisch noch tolerablen Schwankungsgrenzen der Differenzen von ±15ms wurden in beiden Gruppen deutlich überschritten. Da jedoch Kontrollpatienten eine bessere Übereinstimmung zeigten, ist die wahrscheinlichste Ursache für die große Schwankungsbreite im Kollektiv der LQTS Patienten die zugrundeliegende Erkrankung der Patienten und damit die entsprechenden morphologischen EKG-Veränderungen. Eine Hersteller- und Frequenz-abhängige Subgruppenanalyse zeigte zudem, dass sich die Güte der Übereinstimmung beider Messmethoden nur geringfügig verbesserte, wenn EKGs des Geräteherstellers GE-Helathcare ausschließlich nach dem Jahr 2003 und damit nach der Einführung des aktualisierten 12 SL QT-Auswertealgorithmus beurteilt wurden. Ein Herstellervergleich war aufgrund der geringen Gruppengröße anderer Hersteller nur eingeschränkt möglich. Die frequenzabhängige Subgruppenanalyse ergab, dass insbesondere bei normofrequenten und tachykarden EKGs von Long-QT-Patienten eine größere Differenz zwischen manueller und automatischer Messung besteht. Zudem ergab sich aufgrund der festgestellten Messdifferenzen zwischen manueller und automatischer Methode ein Bereich zwischen 401ms und 528ms, in dem die Resultate der automatischen QTc-Messung im klinischen Alltag nochmals durch eine manuelle Kontrollmessung überprüft werden sollten, um falsch positive und falsch negative LQTS-Diagnosen zu verhindern. Von potentiellen Reklassifikationen aufgrund einer zu kurzen automatischen QTc-Messung sind insbesondere Patienten mit genetisch verifiziertem LQTS und einer automatisch errechneten QTc-Zeit knapp unter der Diagnoseschwelle von 480ms betroffen. Das Risiko für falsch positive Resultate bei Kontrollpatienten ist hingegen sehr gering. Hinsichtlich der Möglichkeit zum Screening nach Patienten mit LQTS ergab sich die sinnvollste Kombination aus Sensitivität (74,1%) und Spezifität (81,1%) bei einem Cut-Off der manuell gemessenen QTc-Zeit von 430ms. Die Identifizierung der entsprechenden Risikogruppen für methodische Fehldiagnosen (automatisch berechnete QTc-Zeit zwischen 401ms und 528ms) stellt im klinischen Alltag ein nützliches Werkzeug dar, um möglichst viele falsch positive oder falsch negative Resultate zu verhindern. Eine entsprechende Beachtung könnte dazu beitragen mehr Patienten mit genetischem Long-QT-Syndrom als solche zu identifizieren und sie in der Folge durch eine adäquate medikamentöse Therapie vor lebensbedrohlichen Komplikationen zu schützen.
Dokumententyp: | Dissertationen (Dissertation, LMU München) |
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Keywords: | Long-QT-Syndrom, QTc-Zeit, QT-Intervall, Tangenten-Methode, Automatische Messungenauigkeit |
Themengebiete: | 600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften
600 Technik, Medizin, angewandte Wissenschaften > 610 Medizin und Gesundheit |
Fakultäten: | Medizinische Fakultät |
Sprache der Hochschulschrift: | Deutsch |
Datum der mündlichen Prüfung: | 4. Oktober 2018 |
1. Berichterstatter:in: | Sinner, Moritz |
MD5 Prüfsumme der PDF-Datei: | fac7497d2d10b8671c2ef2834a2e54fe |
Signatur der gedruckten Ausgabe: | 0700/UMD 18695 |
ID Code: | 22960 |
Eingestellt am: | 16. Oct. 2019 14:25 |
Letzte Änderungen: | 23. Oct. 2020 16:40 |