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Entwicklung eines „chronic social defeat“-Modells in Drosophila melanogaster
Entwicklung eines „chronic social defeat“-Modells in Drosophila melanogaster
Das Ziel der hier vorgestellten Arbeit, welche von März 2011 bis April 2012 im Labor von Prof. Kravitz an der Harvard Medical School ausgetragen wurde, bestand darin ein „chronic social defeat“-Modell im Drosophila melanogaster-Organismus zu etablieren. Hierfür diente uns das Mausmodell von Eric Nestler und Kollegen als theoretische Grundlage. Nach mehreren Testläufen zur Feinjustierung des Protokolls, gelangten wir letztendlich zu einem achttägigen Versuchsablauf, der sich zusammensetzt aus sechs Tagen sozialer Niederlagen („chronic social defeat“-Erfahrung im engeren Sinne), einem Testkampf am siebten, sowie einer Saccharosepräferenzanalyse am achten Tag. Die ersten sechs Tage des Experimentes bestanden aus den sogenannten Trainingskämpfen, bei denen CS-Fliegen jeden Tag gegen eine hochaggressive „bully“-Fliege antraten. Gewann eine CS-Fliege einen dieser Trainingskämpfe oder verlor ihn nicht eindeutig, so wurde sie umgehend aus dem Versuchsablauf aussortiert. Am Ende der sechstätigen „chronic social defeat“-Phase erhielten wir somit eine Gruppe an „chronischen Verlierern“, die definitiv sechs Kämpfe in sechs Tagen gegen die kämpferisch überlegenen „bullies“ verloren hatten. Im Sinne der bereits etablierten „learned helplessness“- bzw. Depressionsmodelle in Säugetieren untersuchten wir auch unsere „chronische Verlierer“-Population auf etwaige phänotypische Veränderungen. Aufgrund der Simplizität des Drosophila melanogaster-Organismus war unser Spektrum an Verhaltensuntersuchungen eingeschränkt. Dennoch fanden wir mit dem Testkampf und der Saccharosepräferenzanalyse zwei geeignete Tests, die den abstrahierten Depressionsparadigmen der Säugetiermodelle nachempfunden waren. Im Testkampf ließen wir die „chronische Verlierer“-Fliege gegen eine naive CS-Fliege antreten, die ihr in hohem Maße ähnelte (Größe, Alter, CS-Genotyp) und somit einen ebenbürtigen Gegner darstellte. Hierbei zeigte sich, dass „chronische Verlierer“-Fliegen eine signifikante Reduktion ihrer Kampfkraft aufwiesen und den naiven CS-Fliegen klar unterlegen waren. Dieser Effekt war auch am 13. Tag – eine Woche nach dem letzten Trainingskampf – noch signifikant nachweisbar. Unsere Verhaltenstestung wurde komplettiert durch die Saccharosepräferenzanalyse, bei der die „chronischen Verlierer“-Fliegen die Wahl zwischen normaler Fliegennahrung und gesüßter Fliegennahrung mit dem doppelten Saccharosegehalt hatten. Hierbei wiesen die „chronischen Verlierer“-Fliegen im Vergleich zu naiven CS-Fliegen eine signifikant verringerte Präferenz für die süße Nahrung auf. Diese Abschwächung der Präferenz für süße Nahrung wurde von Eric Nestler in seinem Mausmodell bereits als anhedonische Verhaltensänderung interpretiert. Die Saccharosepräferenzanalyse gestattete uns auch, die gesamte Nahrungsaufnahme der Fliegen zu berechnen. Hierbei wurde ersichtlich, dass die „chronischen Verlierer“ weniger Nahrung zu sich nahmen als naive CS-Fliegen. Diese phänotypischen Testungen verfeinerten wir noch weiter, indem wir die Ergebnisse des Testkampfes genauer aufschlüsselten und so die Gruppe der „chronischen Verlierer“ in zwei Subpopulation aufteilten. War eine „chronische Verlierer“-Fliege am siebten Tag immer noch in der Lage ihren Gegner im Testkampf zu besiegen oder einen ausdauernden Kampf zu liefern und erst nach mindestens vier Attacken (sogenannten „lunges“) des Gegners den Kampf zu verlieren, so wurde diese Fliege als „resistent“ bezeichnet. Zeigte die Fliege jedoch kaum kämpferische Handlungen und gab bereits nach 3 oder weniger Attacken auf, so wurde diese Fliege als „empfänglich“ klassifiziert. Diese Einteilung gab uns die Möglichkeit, die Ergebnisse der Saccharosepräferenzanalyse genauer zu analysieren. Hierbei stellte sich heraus, dass nur die „empfänglichen“ Fliegen eine signifikante Reduktion ihrer Saccharosepräferenz aufwiesen, während sich die „resistenten“ Fliegen im Essverhalten nicht von naiven CS-Fliegen unterschieden. Dieses veränderte Essverhalten konnte am achten Tag in der SPA mit hoher Signifikanz nachgewiesen werden, ließ sich jedoch im Gegensatz zu der Aggressionsminderung eine Woche später nicht mehr detektieren. Aufgrund der klinischen Relevanz im Kontext der menschlichen Depression stand der Neurotransmitter Serotonin und dessen mögliche Beteiligung am „chronischen Verlierer“-Phänotyp bzw. der Entstehung von „resistenten“ und „empfänglichen“ Subpopulationen im Fokus unserer nachfolgenden Experimente. Zunächst hielten wir CS-Fliegen auf einer speziellen Fliegennahrung, die zusätzlich mit α-Methyltryptophan versetzt war, welches die Serotoninproduktion im ZNS der Fliege drastisch senkt. Diese Fliegen verwendeten wir in unserem „chronic social defeat“-Modell und erhielten dadurch erste Hinweise für eine maßgebliche Rolle von Serotonin im „chronic social defeat“-Prozess. Aufgrund einer massiven Aggressionsreduktion konnten die Testkämpfe der Fliegen nicht ausgewertet werden, jedoch zeigten die Fliegen eine sehr hohe Saccharosepräferenz, die sich auch durch „chronic social defeat“ nicht verringerte. Nachfolgend verwendeten wir das GAL4-UAS-System, mit dem wir die serotonerge Transmission auf unterschiedliche Art und Weise manipulieren konnten. Ein erster Versuch mit TpHxShits1-Fliegen, der eine Verringerung der Tryptophan-Hydroxylase-Aktivität mittels Temperatursteigerung vorsah, war nicht erfolgreich. Da wir den Testkampf und die SPA bei 19°C durchführen mussten, waren die Fliegen hierbei so stark immobilisiert, dass eine Auswertung der beiden Tests nicht mehr möglich war. Dahingegen erwiesen sich die d5-HT1BxRNAi-Fliegen als überaus ertragreiche Versuchssubjekte. Hierbei handelte es sich um eine Kreuzung, bei der wir mittels RNA-Interferenz einen knock-down des serotonergen d5-HT1B-Rezeptors herbeiführten. Auf diese Fliegen schien „chronic social defeat“ nun keinen Effekt mehr zu haben. Sowohl das Kampfverhalten als auch die Nahrungsaufnahme waren bei dieser Kreuzung nach den sozialen Niederlagen mit naiven CS-Fliegen vergleichbar. Der d5-HT1B-Rezeptor der Drosophila besitzt eine hohe sequenzielle Ähnlichkeit zum menschlichen 5-HT1A-Rezeptor, der aktuell sehr intensiv im Zusammenhang mit der menschlichen Depression beforscht wird. Dies kann gleichermaßen als erste Validierung unseres Modells und als Grundlage für weitere Experimente gesehen werden. Letztendlich gelangten wir mit unserem Experiment zu dem Schluss, dass sich mithilfe von „chronic social defeat“ spezifische Verhaltensänderungen in Drosophila melanogaster auslösen lassen und dass man durch Blockade der serotonergen d5-HT1B-Transmission Resistenz gegenüber der Erfahrung sozialer Niederlagen herbeiführen kann. Darauf aufbauend streben wir aktuell eine noch genauere Aufschlüsselung der zugrundeliegenden Mechanismen auf genetischer bzw. epigenetischer Ebene an. Eine Kooperation mit dem Massachussetts General Hospital zur weiteren Verfeinerung und Vereinfachung des entwickelten „chronic social defeat“-Protokolls im Sinne eines Hochdurchsatz-Verfahrens sind bereits geplant. Ebenso befinden wir uns in der Planungsphase mittels zelltyp-spezifischer RNA-Sequenzierungstechniken bzw. epigenetischer Untersuchungsmethoden die exakten biologischen Zusammenhänge von Resistenz und „Empfänglichkeit“ gegenüber „chronic social defeat“ weiter zu ergründen.
Not available
Popovic, David
2017
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Popovic, David (2017): Entwicklung eines „chronic social defeat“-Modells in Drosophila melanogaster. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
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Abstract

Das Ziel der hier vorgestellten Arbeit, welche von März 2011 bis April 2012 im Labor von Prof. Kravitz an der Harvard Medical School ausgetragen wurde, bestand darin ein „chronic social defeat“-Modell im Drosophila melanogaster-Organismus zu etablieren. Hierfür diente uns das Mausmodell von Eric Nestler und Kollegen als theoretische Grundlage. Nach mehreren Testläufen zur Feinjustierung des Protokolls, gelangten wir letztendlich zu einem achttägigen Versuchsablauf, der sich zusammensetzt aus sechs Tagen sozialer Niederlagen („chronic social defeat“-Erfahrung im engeren Sinne), einem Testkampf am siebten, sowie einer Saccharosepräferenzanalyse am achten Tag. Die ersten sechs Tage des Experimentes bestanden aus den sogenannten Trainingskämpfen, bei denen CS-Fliegen jeden Tag gegen eine hochaggressive „bully“-Fliege antraten. Gewann eine CS-Fliege einen dieser Trainingskämpfe oder verlor ihn nicht eindeutig, so wurde sie umgehend aus dem Versuchsablauf aussortiert. Am Ende der sechstätigen „chronic social defeat“-Phase erhielten wir somit eine Gruppe an „chronischen Verlierern“, die definitiv sechs Kämpfe in sechs Tagen gegen die kämpferisch überlegenen „bullies“ verloren hatten. Im Sinne der bereits etablierten „learned helplessness“- bzw. Depressionsmodelle in Säugetieren untersuchten wir auch unsere „chronische Verlierer“-Population auf etwaige phänotypische Veränderungen. Aufgrund der Simplizität des Drosophila melanogaster-Organismus war unser Spektrum an Verhaltensuntersuchungen eingeschränkt. Dennoch fanden wir mit dem Testkampf und der Saccharosepräferenzanalyse zwei geeignete Tests, die den abstrahierten Depressionsparadigmen der Säugetiermodelle nachempfunden waren. Im Testkampf ließen wir die „chronische Verlierer“-Fliege gegen eine naive CS-Fliege antreten, die ihr in hohem Maße ähnelte (Größe, Alter, CS-Genotyp) und somit einen ebenbürtigen Gegner darstellte. Hierbei zeigte sich, dass „chronische Verlierer“-Fliegen eine signifikante Reduktion ihrer Kampfkraft aufwiesen und den naiven CS-Fliegen klar unterlegen waren. Dieser Effekt war auch am 13. Tag – eine Woche nach dem letzten Trainingskampf – noch signifikant nachweisbar. Unsere Verhaltenstestung wurde komplettiert durch die Saccharosepräferenzanalyse, bei der die „chronischen Verlierer“-Fliegen die Wahl zwischen normaler Fliegennahrung und gesüßter Fliegennahrung mit dem doppelten Saccharosegehalt hatten. Hierbei wiesen die „chronischen Verlierer“-Fliegen im Vergleich zu naiven CS-Fliegen eine signifikant verringerte Präferenz für die süße Nahrung auf. Diese Abschwächung der Präferenz für süße Nahrung wurde von Eric Nestler in seinem Mausmodell bereits als anhedonische Verhaltensänderung interpretiert. Die Saccharosepräferenzanalyse gestattete uns auch, die gesamte Nahrungsaufnahme der Fliegen zu berechnen. Hierbei wurde ersichtlich, dass die „chronischen Verlierer“ weniger Nahrung zu sich nahmen als naive CS-Fliegen. Diese phänotypischen Testungen verfeinerten wir noch weiter, indem wir die Ergebnisse des Testkampfes genauer aufschlüsselten und so die Gruppe der „chronischen Verlierer“ in zwei Subpopulation aufteilten. War eine „chronische Verlierer“-Fliege am siebten Tag immer noch in der Lage ihren Gegner im Testkampf zu besiegen oder einen ausdauernden Kampf zu liefern und erst nach mindestens vier Attacken (sogenannten „lunges“) des Gegners den Kampf zu verlieren, so wurde diese Fliege als „resistent“ bezeichnet. Zeigte die Fliege jedoch kaum kämpferische Handlungen und gab bereits nach 3 oder weniger Attacken auf, so wurde diese Fliege als „empfänglich“ klassifiziert. Diese Einteilung gab uns die Möglichkeit, die Ergebnisse der Saccharosepräferenzanalyse genauer zu analysieren. Hierbei stellte sich heraus, dass nur die „empfänglichen“ Fliegen eine signifikante Reduktion ihrer Saccharosepräferenz aufwiesen, während sich die „resistenten“ Fliegen im Essverhalten nicht von naiven CS-Fliegen unterschieden. Dieses veränderte Essverhalten konnte am achten Tag in der SPA mit hoher Signifikanz nachgewiesen werden, ließ sich jedoch im Gegensatz zu der Aggressionsminderung eine Woche später nicht mehr detektieren. Aufgrund der klinischen Relevanz im Kontext der menschlichen Depression stand der Neurotransmitter Serotonin und dessen mögliche Beteiligung am „chronischen Verlierer“-Phänotyp bzw. der Entstehung von „resistenten“ und „empfänglichen“ Subpopulationen im Fokus unserer nachfolgenden Experimente. Zunächst hielten wir CS-Fliegen auf einer speziellen Fliegennahrung, die zusätzlich mit α-Methyltryptophan versetzt war, welches die Serotoninproduktion im ZNS der Fliege drastisch senkt. Diese Fliegen verwendeten wir in unserem „chronic social defeat“-Modell und erhielten dadurch erste Hinweise für eine maßgebliche Rolle von Serotonin im „chronic social defeat“-Prozess. Aufgrund einer massiven Aggressionsreduktion konnten die Testkämpfe der Fliegen nicht ausgewertet werden, jedoch zeigten die Fliegen eine sehr hohe Saccharosepräferenz, die sich auch durch „chronic social defeat“ nicht verringerte. Nachfolgend verwendeten wir das GAL4-UAS-System, mit dem wir die serotonerge Transmission auf unterschiedliche Art und Weise manipulieren konnten. Ein erster Versuch mit TpHxShits1-Fliegen, der eine Verringerung der Tryptophan-Hydroxylase-Aktivität mittels Temperatursteigerung vorsah, war nicht erfolgreich. Da wir den Testkampf und die SPA bei 19°C durchführen mussten, waren die Fliegen hierbei so stark immobilisiert, dass eine Auswertung der beiden Tests nicht mehr möglich war. Dahingegen erwiesen sich die d5-HT1BxRNAi-Fliegen als überaus ertragreiche Versuchssubjekte. Hierbei handelte es sich um eine Kreuzung, bei der wir mittels RNA-Interferenz einen knock-down des serotonergen d5-HT1B-Rezeptors herbeiführten. Auf diese Fliegen schien „chronic social defeat“ nun keinen Effekt mehr zu haben. Sowohl das Kampfverhalten als auch die Nahrungsaufnahme waren bei dieser Kreuzung nach den sozialen Niederlagen mit naiven CS-Fliegen vergleichbar. Der d5-HT1B-Rezeptor der Drosophila besitzt eine hohe sequenzielle Ähnlichkeit zum menschlichen 5-HT1A-Rezeptor, der aktuell sehr intensiv im Zusammenhang mit der menschlichen Depression beforscht wird. Dies kann gleichermaßen als erste Validierung unseres Modells und als Grundlage für weitere Experimente gesehen werden. Letztendlich gelangten wir mit unserem Experiment zu dem Schluss, dass sich mithilfe von „chronic social defeat“ spezifische Verhaltensänderungen in Drosophila melanogaster auslösen lassen und dass man durch Blockade der serotonergen d5-HT1B-Transmission Resistenz gegenüber der Erfahrung sozialer Niederlagen herbeiführen kann. Darauf aufbauend streben wir aktuell eine noch genauere Aufschlüsselung der zugrundeliegenden Mechanismen auf genetischer bzw. epigenetischer Ebene an. Eine Kooperation mit dem Massachussetts General Hospital zur weiteren Verfeinerung und Vereinfachung des entwickelten „chronic social defeat“-Protokolls im Sinne eines Hochdurchsatz-Verfahrens sind bereits geplant. Ebenso befinden wir uns in der Planungsphase mittels zelltyp-spezifischer RNA-Sequenzierungstechniken bzw. epigenetischer Untersuchungsmethoden die exakten biologischen Zusammenhänge von Resistenz und „Empfänglichkeit“ gegenüber „chronic social defeat“ weiter zu ergründen.