Logo Logo
Hilfe
Kontakt
Switch language to English
Der "Turm von Hanoi" und "Turm von London" auf dem Tablet PC. Untersuchung des Problemlöseverhaltens von gesunden Kontrollpersonen und von Patienten mit umschriebenen Hirnläsionen
Der "Turm von Hanoi" und "Turm von London" auf dem Tablet PC. Untersuchung des Problemlöseverhaltens von gesunden Kontrollpersonen und von Patienten mit umschriebenen Hirnläsionen
Der Turm von Hanoi (TvH) und der Turm von London (TvL) sind Transformationsaufgaben zur Untersuchung des Problemlöse- und Planungsverhaltens, die in der neuropsychologischen Diagnostik und in den Neurowissenschaften eingesetzt werden. Die Durchsicht der Literatur zeigt allerdings, dass es bis jetzt für beide Turmaufgaben weder eine einheitliche Struktur, noch ein standardisiertes Auswertungssystem in Klinik und Forschung gibt. Daher existiert eine große Bandbreite bezüglich Aufgabenauswahl, unterschiedlichen Variablen und Testdurchführung (Instruktion, Holz- oder Computerversion). Dies könnte an der fehlenden Information über die Strukturen des TvL und TvH und an den zu messenden kognitiven Funktionen liegen. Diese Uneinheitlichkeit macht es schwer bis unmöglich, einzelne Studien und Ergebnisse miteinander zu vergleichen und Schlussfolgerungen zu ziehen. In dieser Arbeit sollen die kognitiven Anforderungen an den TvL und den TvH untersucht werden. Wir haben in der Arbeitsgruppe Kognitive Neurologie der Neurologischen Universitätsklinik München zusammen mit dem Mathematischen Institut der LMU München eine Computerversion beider Aufgaben auf dem Tablet-PC entwickelt, mit denen es möglich ist, jeden einzelnen Schritt mit dem „Hanoi“-Graphen und dem „London“-Graphen zu dokumentieren. Zusätzlich werden die benötigte Zeit, die gemachten Züge, die Anzahl der Fehler, die genauen Positionen der Fehler und die gegangenen Pfade aufgezeichnet. Ziel dieser Arbeit war es, mögliche Alterseffekte in Bezug auf das Problemlöseverhalten sowie Parameter zu bestimmen, die die Aufgabenschwierigkeit ausmachen. Mit Hilfe der Graphen wurde der Einsatz von Strategien untersucht. Ferner sollten Zusammenhänge mit anderen Tests zur Untersuchung der Exekutivfunktionen sowie zwischen dem TvH und dem TvL untersucht werden. Zur genaueren Bestimmung beteiligter neuroanatomischer Strukturen wurde das Problemlöseverhalten von Patienten mit umschriebenen Hirnläsionen analysiert. Dazu wurden 70 gesunde Probanden im Alter von 20-70 Jahren und 22 Patienten mit umschriebenen Hirnläsionen untersucht. Die Probanden und Patienten führten jeweils 20 TvH- und TvL-Aufgaben durch. Die ersten 12 TvL-Aufgaben waren die Originalaufgaben aus der Studie von Shallice (1982) mit 2 bis 5 Zügen und wurden um je 4 Aufgaben mit 6 und 7 Zügen erweitert. Die TvH-Aufgaben waren in den Start- und Zielpositionen sowie in der Anzahl der Züge ähnlich. Als Kontrollvariablen wurden das verbale und visuelle Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis (Zahlen- und Blockspannen), die Wort- und Zeichenflüssigkeit, die kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit und Flexibilität (Trail Making Test A und B) sowie das Intelligenzniveau (MWT-B, Matrizentest aus dem WIE) untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass es Alterseffekte in Bezug auf das Problemlöseverhalten gibt. Ältere gesunde Probanden waren insgesamt langsamer und hatten weniger optimal gelöste Aufgaben. Die Analyse der Graphen ergab, dass die meisten Probanden beim Lösen von TvH- und TvL-Aufgaben bestimmte Strategien einsetzen. Beim TvH wurde die verfeinerte perzeptuelle Strategie (VPS) und beim TvL vermutlich die „obstacle-removal subgoal“ Strategie eingesetzt. Parameter, die die Aufgabenschwierigkeit ausmachen, sind neben der Zugzahl hauptsächlich die Anfangs- und Endkonfigurationen sowie die Anzahl der kürzesten Lösungswege. Dabei sind Aufgaben mit einer flachen Zielkonfiguration schwieriger zu lösen als Aufgaben mit einer partiellen Turm-Zielkonfiguration sowie Turm-Zielkonfiguration. Letztere erscheinen am leichtesten. Der Vergleich des TvH mit dem TvL ergab, dass gesunde Probanden zur Lösung des TvL zwar mehr Zeit benötigten, aber der Unterschied zwischen jüngeren und älteren gesunden Probanden sowie zwischen Gesunden und Patienten beim TvH größer war als beim TvL. Ältere und Patienten brauchten für den TvH mehr Zeit und Züge. Korrelationsanalysen ergaben, dass beim Lösen des TvH und TvL abstraktes Denkvermögen (Matrizentest) sowie kognitive Flexibilität (Zeichenflüssigkeit, TMT B) beteiligt sind. Die Läsionsanalysen weisen darauf hin, dass linkshemisphärische Läsionen zur Verlangsamung und rechtshemisphärische eher zu Schwierigkeiten beim Einhalten von Regeln führen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Turm von Hanoi und London auf dem Tablet PC eine bessere Alternative zu bisherigen Versionen ist sowie eine gezieltere Auswahl der Aufgaben, aber auch eine differenziertere Analyse des Problemlöseverhaltens von gesunden Kontrollpersonen und Patienten mit umschriebenen Läsionen ermöglicht.
Turm von Hanoi, Turm von London, Planen, Problemlösen
Sürer, Fatma
2009
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Sürer, Fatma (2009): Der "Turm von Hanoi" und "Turm von London" auf dem Tablet PC: Untersuchung des Problemlöseverhaltens von gesunden Kontrollpersonen und von Patienten mit umschriebenen Hirnläsionen. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät
[thumbnail of Suerer_Fatma.pdf]
Vorschau
PDF
Suerer_Fatma.pdf

5MB

Abstract

Der Turm von Hanoi (TvH) und der Turm von London (TvL) sind Transformationsaufgaben zur Untersuchung des Problemlöse- und Planungsverhaltens, die in der neuropsychologischen Diagnostik und in den Neurowissenschaften eingesetzt werden. Die Durchsicht der Literatur zeigt allerdings, dass es bis jetzt für beide Turmaufgaben weder eine einheitliche Struktur, noch ein standardisiertes Auswertungssystem in Klinik und Forschung gibt. Daher existiert eine große Bandbreite bezüglich Aufgabenauswahl, unterschiedlichen Variablen und Testdurchführung (Instruktion, Holz- oder Computerversion). Dies könnte an der fehlenden Information über die Strukturen des TvL und TvH und an den zu messenden kognitiven Funktionen liegen. Diese Uneinheitlichkeit macht es schwer bis unmöglich, einzelne Studien und Ergebnisse miteinander zu vergleichen und Schlussfolgerungen zu ziehen. In dieser Arbeit sollen die kognitiven Anforderungen an den TvL und den TvH untersucht werden. Wir haben in der Arbeitsgruppe Kognitive Neurologie der Neurologischen Universitätsklinik München zusammen mit dem Mathematischen Institut der LMU München eine Computerversion beider Aufgaben auf dem Tablet-PC entwickelt, mit denen es möglich ist, jeden einzelnen Schritt mit dem „Hanoi“-Graphen und dem „London“-Graphen zu dokumentieren. Zusätzlich werden die benötigte Zeit, die gemachten Züge, die Anzahl der Fehler, die genauen Positionen der Fehler und die gegangenen Pfade aufgezeichnet. Ziel dieser Arbeit war es, mögliche Alterseffekte in Bezug auf das Problemlöseverhalten sowie Parameter zu bestimmen, die die Aufgabenschwierigkeit ausmachen. Mit Hilfe der Graphen wurde der Einsatz von Strategien untersucht. Ferner sollten Zusammenhänge mit anderen Tests zur Untersuchung der Exekutivfunktionen sowie zwischen dem TvH und dem TvL untersucht werden. Zur genaueren Bestimmung beteiligter neuroanatomischer Strukturen wurde das Problemlöseverhalten von Patienten mit umschriebenen Hirnläsionen analysiert. Dazu wurden 70 gesunde Probanden im Alter von 20-70 Jahren und 22 Patienten mit umschriebenen Hirnläsionen untersucht. Die Probanden und Patienten führten jeweils 20 TvH- und TvL-Aufgaben durch. Die ersten 12 TvL-Aufgaben waren die Originalaufgaben aus der Studie von Shallice (1982) mit 2 bis 5 Zügen und wurden um je 4 Aufgaben mit 6 und 7 Zügen erweitert. Die TvH-Aufgaben waren in den Start- und Zielpositionen sowie in der Anzahl der Züge ähnlich. Als Kontrollvariablen wurden das verbale und visuelle Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis (Zahlen- und Blockspannen), die Wort- und Zeichenflüssigkeit, die kognitive Verarbeitungsgeschwindigkeit und Flexibilität (Trail Making Test A und B) sowie das Intelligenzniveau (MWT-B, Matrizentest aus dem WIE) untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass es Alterseffekte in Bezug auf das Problemlöseverhalten gibt. Ältere gesunde Probanden waren insgesamt langsamer und hatten weniger optimal gelöste Aufgaben. Die Analyse der Graphen ergab, dass die meisten Probanden beim Lösen von TvH- und TvL-Aufgaben bestimmte Strategien einsetzen. Beim TvH wurde die verfeinerte perzeptuelle Strategie (VPS) und beim TvL vermutlich die „obstacle-removal subgoal“ Strategie eingesetzt. Parameter, die die Aufgabenschwierigkeit ausmachen, sind neben der Zugzahl hauptsächlich die Anfangs- und Endkonfigurationen sowie die Anzahl der kürzesten Lösungswege. Dabei sind Aufgaben mit einer flachen Zielkonfiguration schwieriger zu lösen als Aufgaben mit einer partiellen Turm-Zielkonfiguration sowie Turm-Zielkonfiguration. Letztere erscheinen am leichtesten. Der Vergleich des TvH mit dem TvL ergab, dass gesunde Probanden zur Lösung des TvL zwar mehr Zeit benötigten, aber der Unterschied zwischen jüngeren und älteren gesunden Probanden sowie zwischen Gesunden und Patienten beim TvH größer war als beim TvL. Ältere und Patienten brauchten für den TvH mehr Zeit und Züge. Korrelationsanalysen ergaben, dass beim Lösen des TvH und TvL abstraktes Denkvermögen (Matrizentest) sowie kognitive Flexibilität (Zeichenflüssigkeit, TMT B) beteiligt sind. Die Läsionsanalysen weisen darauf hin, dass linkshemisphärische Läsionen zur Verlangsamung und rechtshemisphärische eher zu Schwierigkeiten beim Einhalten von Regeln führen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Turm von Hanoi und London auf dem Tablet PC eine bessere Alternative zu bisherigen Versionen ist sowie eine gezieltere Auswahl der Aufgaben, aber auch eine differenziertere Analyse des Problemlöseverhaltens von gesunden Kontrollpersonen und Patienten mit umschriebenen Läsionen ermöglicht.