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Funktionelle Reaktionen von Konsumenten: die SSS Gleichung und ihre Anwendung
Funktionelle Reaktionen von Konsumenten: die SSS Gleichung und ihre Anwendung
Der Zusammenhang zwischen der pro Kopf Konsumtionsrate und der Nahrungsdichte wird in der Ökologie als funktionelle Reaktion bezeichnet und ist das Thema dieser Dissertation. Jeweils zum ersten Mal seit den 70er Jahren gebe ich hier einen Überblick über sowohl theoretische als auch empirische Arbeiten zur funktionellen Reaktion. Dabei zeige ich eine Lücke in der bisherigen Theorie und fülle diese mit einem neuen Modell, der SSS Gleichung. Dieses Modell kann man beispielsweise dazu verwenden, die Auswirkungen von Beutetier-Verteidigungen auf Konsumtionsraten von Räubern vorherzusagen. Diese Vorhersagen sind korrekt im Vergleich zu den bisher einzigen existierenden entsprechenden empirischen Daten, welche hier vorgestellt werden. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der SSS Gleichung ist die Einteilung von Konsumenten in zwei Gruppen, handling-limitierte und verdauungslimitierte, wobei erstere für das Angreifen und die Aufnahme von Nahrung (beides zusammen wird als handling bezeichnet) mindestens so viel Zeit benötigen wie für die Verdauung; deren Konsumtionsrate wird deshalb von deren handling time bestimmt. Die meisten Konsumenten sind in ihrer Konsumtionsrate jedoch verdauungslimitiert. Sie können ‚satt’ werden und sollten daher von Zeitdruck befreit sein, wenn die Nahrung häufig genug ist, um schnell gefunden zu werden und auch die übrigen Umweltbedingungen gut sind. Eine von mir durchgeführte Analyse empirischer Daten deutet an, dass zumindest Herbivore in der Natur tatsächlich häufig von Zeitdruck befreit zu sein scheinen. Diese Analyse zeigt damit einen Schwachpunkt bisheriger Verhaltensmodelle, welche ausnahmslos vom Gegenteil, also permanentem Zeitdruck, ausgehen. In meiner Zusammenfassung empirischer funktioneller Reaktionen zeige ich, dass filtrierende Konsumenten charakteristischerweise einen bestimmten Typ funktioneller Reaktionen zeigen. Nachdem ich die SSS Gleichung dahingehend erweitert habe, dass sie die Besonderheiten von Filtrierern berücksichtigt, kann ich dieses Ergebnis erklären: Die Ursache scheint die Eigenschaft von Filtrierern zu sein, während der Nahrungssuche und -aufnahme in der Lage zu sein, weitere Nahrungspartikel zu fangen oder zu fressen und auch andere Aktivitäten auszuführen, z.B. nach Räubern Ausschau zu halten. Ich erweitere die SSS Gleichung außerdem um den sog. Konfusionseffekt. Ein solcher Effekt liegt vor, wenn ein Räuber, der mit einem Schwarm seiner Beutetiere konfrontiert ist, nicht in der Lage ist, die vielen Sinneseindrücke neuronal zu verarbeiten. Ich vergleiche die erweiterte SSS Gleichung mit empirischen Daten zur funktionellen Reaktion von ‚konfusen’ Räubern und stelle nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Übereinstimmung fest. In diesem Abschnitt zeige ich auch, dass der Konfusionseffekt ein häufig auftretendes Phänomen ist, besonders bei taktilen Räubern und solchen visuellen Räubern, die agile Beutetiere jagen. Abschließend zeige ich weitere, bisher nicht verwirklichte Anwendungsmöglichkeiten der SSS Gleichung im speziellen und des Konzepts der funktionellen Reaktion im allgemeinen.
Beute, Funktionelle Reaktionen, Konsumenten, Räuber, SSS Gleichung
Jeschke, Jonathan Michael
2002
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Jeschke, Jonathan Michael (2002): Funktionelle Reaktionen von Konsumenten: die SSS Gleichung und ihre Anwendung. Dissertation, LMU München: Fakultät für Biologie
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Abstract

Der Zusammenhang zwischen der pro Kopf Konsumtionsrate und der Nahrungsdichte wird in der Ökologie als funktionelle Reaktion bezeichnet und ist das Thema dieser Dissertation. Jeweils zum ersten Mal seit den 70er Jahren gebe ich hier einen Überblick über sowohl theoretische als auch empirische Arbeiten zur funktionellen Reaktion. Dabei zeige ich eine Lücke in der bisherigen Theorie und fülle diese mit einem neuen Modell, der SSS Gleichung. Dieses Modell kann man beispielsweise dazu verwenden, die Auswirkungen von Beutetier-Verteidigungen auf Konsumtionsraten von Räubern vorherzusagen. Diese Vorhersagen sind korrekt im Vergleich zu den bisher einzigen existierenden entsprechenden empirischen Daten, welche hier vorgestellt werden. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der SSS Gleichung ist die Einteilung von Konsumenten in zwei Gruppen, handling-limitierte und verdauungslimitierte, wobei erstere für das Angreifen und die Aufnahme von Nahrung (beides zusammen wird als handling bezeichnet) mindestens so viel Zeit benötigen wie für die Verdauung; deren Konsumtionsrate wird deshalb von deren handling time bestimmt. Die meisten Konsumenten sind in ihrer Konsumtionsrate jedoch verdauungslimitiert. Sie können ‚satt’ werden und sollten daher von Zeitdruck befreit sein, wenn die Nahrung häufig genug ist, um schnell gefunden zu werden und auch die übrigen Umweltbedingungen gut sind. Eine von mir durchgeführte Analyse empirischer Daten deutet an, dass zumindest Herbivore in der Natur tatsächlich häufig von Zeitdruck befreit zu sein scheinen. Diese Analyse zeigt damit einen Schwachpunkt bisheriger Verhaltensmodelle, welche ausnahmslos vom Gegenteil, also permanentem Zeitdruck, ausgehen. In meiner Zusammenfassung empirischer funktioneller Reaktionen zeige ich, dass filtrierende Konsumenten charakteristischerweise einen bestimmten Typ funktioneller Reaktionen zeigen. Nachdem ich die SSS Gleichung dahingehend erweitert habe, dass sie die Besonderheiten von Filtrierern berücksichtigt, kann ich dieses Ergebnis erklären: Die Ursache scheint die Eigenschaft von Filtrierern zu sein, während der Nahrungssuche und -aufnahme in der Lage zu sein, weitere Nahrungspartikel zu fangen oder zu fressen und auch andere Aktivitäten auszuführen, z.B. nach Räubern Ausschau zu halten. Ich erweitere die SSS Gleichung außerdem um den sog. Konfusionseffekt. Ein solcher Effekt liegt vor, wenn ein Räuber, der mit einem Schwarm seiner Beutetiere konfrontiert ist, nicht in der Lage ist, die vielen Sinneseindrücke neuronal zu verarbeiten. Ich vergleiche die erweiterte SSS Gleichung mit empirischen Daten zur funktionellen Reaktion von ‚konfusen’ Räubern und stelle nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Übereinstimmung fest. In diesem Abschnitt zeige ich auch, dass der Konfusionseffekt ein häufig auftretendes Phänomen ist, besonders bei taktilen Räubern und solchen visuellen Räubern, die agile Beutetiere jagen. Abschließend zeige ich weitere, bisher nicht verwirklichte Anwendungsmöglichkeiten der SSS Gleichung im speziellen und des Konzepts der funktionellen Reaktion im allgemeinen.