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Il n'est bon bec que de Paris?. Perzeption, Repräsentationen und Verständnis frankophoner Varietäten durch Französischlernende
Il n'est bon bec que de Paris?. Perzeption, Repräsentationen und Verständnis frankophoner Varietäten durch Französischlernende
"Aucune language (de grande extension) n'échappe à la variation diatopique." (Pöll 2017, 65) – dies trifft auch auf das Französische zu. Während sowohl die Seite der sprachlichen Produktion als auch jene der Perzeption und mentalen Repräsentationen in Bezug auf frankophone Sprecher:innen umfassend untersucht wurden, bleiben folgende Fragen bislang unbeantwortet: Verfügen Französischlernende in Bezug auf diatopische, d.h. geographische Variation in der Zielsprache ebenfalls über Normkonzeptionen und wenn ja, wie beeinflussen diese die Perzeption? Zum Französichen fehlt bislang eine umfassende Untersuchung zu diesem Thema, weshalb das Ziel vorliegender Arbeit darin besteht, sich der Wahrnehmung und Evaluation diatopischer Varietäten des Französischen durch Fremdsprachenlernende aus mehreren Blickwinkeln zu nähern: Neben den Normkonzeptionen an sich liegt das Interesse auf dem Hörverstehen, den Erfahrungen und Ideen der Lernenden sowie ihrem Wissen in Bezug auf diatopische Varietäten. In einer Perzeptionsstudie bewerteten die Teilnehmer:innen (n=290) zunächst vorgelesene Sprachproduktionen unterschiedlicher Varietäten. Darauf folgte ein Fragebogen zur Sprachenbiographie sowie den Erfahrungen der Lernenden mit diatopischen Varietäten und ihren Ideen zu deren Einbindung in den Unterricht; diese Themen wurden in Interviews vertiefend diskutiert. Ein Hörverständnistest zu Québecer Sprachaufnahmen sowie ein Fragebogen zu Dialekt und Standardsprache im Deutschen runden die einem Mixed-Methods-Ansatz entsprechende Methodik ab. Die Ergebnisse liefern Evidenz für negative Bewertungen einiger Varietäten auf der Ebene der mentalen Repräsentation, welche sich nicht in der Perzeption widerspiegeln. Damit hängt möglicherweise zusammen, dass die regionalen Zuordnungen der Lernenden selten richtig sind; besonders auffällig ist dies bei den für die L1-Kontrollgruppe einfach zu identifizierenden Québecer Sprecher:innen. Diese werden von den Lernenden häufig sogar als Nicht-L1-Sprecher:innen eingestuft, was auf eine (implizite) Gleichsetzung von L1-Sprecher:innen mit (vermeintlichen) hexagonalen Standardsprecher:innen hindeutet. Viele Lernende, insbesondere niedrigerer Sprachniveaus, berichten von (fast) keinem Kontakt mit den einzelnen Varietäten, stehen diesen aber auf einer expliziten Ebene offen gegenüber und würden sich eine verstärkte Einbindung in den Unterricht wünschen. Vorliegende Arbeit trägt aus soziolinguistischer Perspektive zu einem vollständigeren Verständnis dessen bei, wie sprachliche Normen Wertungen über Varietäten bei Lernenden beeinflussen. Insofern als sich die Erwartung einer bestimmten (idealisierten) Norm auf die Bewertung von Sprecher:innen und sogar das Verhalten ihnen gegenüber auswirken kann, sind soziolinguistische Ergebnisse gleichzeitig auch von gesellschaftlicher Relevanz. Darüber hinaus sind die Ergebnisse für den Bereich der Fremdsprachendidaktik aufschlussreich, weshalb didaktische Implikationen ausführlich diskutiert werden., According to Pöll (2017, 65), "[a]ucune language (de grande extension) n'échappe à la variation diatopique." – and this statement equally applies to French. While the areas of linguistic production, perception and mental representations have been investigated quite extensively for francophone speakers, the following questions remain unanswered: Do French learners also hold any norm conceptions with regard to diatopic, i.e. geographical variation within the target language, and if so, how do these influence perception? Comprehensive research on this subject is lacking for French, which is why the aim of this thesis is to approach the perception and evaluation of diatopic varieties of French by foreign language learners from multiple perspectives. In addition to normative conceptions per se, the focus lies on listening comprehension as well as on learners' experiences with, ideas about and knowledge of diatopic varieties. First, the participants (n=290) took part in a perception study in which they evaluated read-aloud language productions of different varieties. Subsequently, a questionnaire asked them to provide information on their language biography and to comment on their experiences with diatopic varieties. They should also reflect on how those varieties should be integrated in the foreign language classroom. These topics were further explored during interviews. To complement the project's mixed-methods approach, a listening comprehension test on Québécois French along with a questionnaire on dialect and standard language in German were administered to a subset of the participants. The results provide evidence for negative evaluations of some varieties at the level of mental representations, which are not reflected in perception. This may be related to the fact that learners rarely correctly identify speakers' regional origin. This is particularly striking in the case of Québécois speakers, who are yet easy to identify for the L1 control group. The learners often even classify those speakers as non-native, suggesting an (implicit) conflation of L1 speakers with speakers of the supposed hexagonal standard. Many learners, especially beginners, report (almost) no exposure to the various varieties, but seem to be open to them on an explicit level and would appreciate if they were better integrated in language teaching. From a sociolinguistic perspective, this thesis contributes to a more complete understanding of how linguistic norms influence learners' evaluations of varieties. Since expecting a certain (idealized) norm can affect the evaluation of speakers and even behaviour towards them, sociolinguistic findings are also socially relevant. Furthermore, the results are informative for the field of foreign language teaching, which is why didactic implications are discussed in detail.
Normkonzeptionen, Fremdsprachenerwerb, Variation, Französisch, Perzeption
Gerasch, Karoline
2024
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Gerasch, Karoline (2024): Il n'est bon bec que de Paris?: Perzeption, Repräsentationen und Verständnis frankophoner Varietäten durch Französischlernende. Dissertation, LMU München: Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften
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Abstract

"Aucune language (de grande extension) n'échappe à la variation diatopique." (Pöll 2017, 65) – dies trifft auch auf das Französische zu. Während sowohl die Seite der sprachlichen Produktion als auch jene der Perzeption und mentalen Repräsentationen in Bezug auf frankophone Sprecher:innen umfassend untersucht wurden, bleiben folgende Fragen bislang unbeantwortet: Verfügen Französischlernende in Bezug auf diatopische, d.h. geographische Variation in der Zielsprache ebenfalls über Normkonzeptionen und wenn ja, wie beeinflussen diese die Perzeption? Zum Französichen fehlt bislang eine umfassende Untersuchung zu diesem Thema, weshalb das Ziel vorliegender Arbeit darin besteht, sich der Wahrnehmung und Evaluation diatopischer Varietäten des Französischen durch Fremdsprachenlernende aus mehreren Blickwinkeln zu nähern: Neben den Normkonzeptionen an sich liegt das Interesse auf dem Hörverstehen, den Erfahrungen und Ideen der Lernenden sowie ihrem Wissen in Bezug auf diatopische Varietäten. In einer Perzeptionsstudie bewerteten die Teilnehmer:innen (n=290) zunächst vorgelesene Sprachproduktionen unterschiedlicher Varietäten. Darauf folgte ein Fragebogen zur Sprachenbiographie sowie den Erfahrungen der Lernenden mit diatopischen Varietäten und ihren Ideen zu deren Einbindung in den Unterricht; diese Themen wurden in Interviews vertiefend diskutiert. Ein Hörverständnistest zu Québecer Sprachaufnahmen sowie ein Fragebogen zu Dialekt und Standardsprache im Deutschen runden die einem Mixed-Methods-Ansatz entsprechende Methodik ab. Die Ergebnisse liefern Evidenz für negative Bewertungen einiger Varietäten auf der Ebene der mentalen Repräsentation, welche sich nicht in der Perzeption widerspiegeln. Damit hängt möglicherweise zusammen, dass die regionalen Zuordnungen der Lernenden selten richtig sind; besonders auffällig ist dies bei den für die L1-Kontrollgruppe einfach zu identifizierenden Québecer Sprecher:innen. Diese werden von den Lernenden häufig sogar als Nicht-L1-Sprecher:innen eingestuft, was auf eine (implizite) Gleichsetzung von L1-Sprecher:innen mit (vermeintlichen) hexagonalen Standardsprecher:innen hindeutet. Viele Lernende, insbesondere niedrigerer Sprachniveaus, berichten von (fast) keinem Kontakt mit den einzelnen Varietäten, stehen diesen aber auf einer expliziten Ebene offen gegenüber und würden sich eine verstärkte Einbindung in den Unterricht wünschen. Vorliegende Arbeit trägt aus soziolinguistischer Perspektive zu einem vollständigeren Verständnis dessen bei, wie sprachliche Normen Wertungen über Varietäten bei Lernenden beeinflussen. Insofern als sich die Erwartung einer bestimmten (idealisierten) Norm auf die Bewertung von Sprecher:innen und sogar das Verhalten ihnen gegenüber auswirken kann, sind soziolinguistische Ergebnisse gleichzeitig auch von gesellschaftlicher Relevanz. Darüber hinaus sind die Ergebnisse für den Bereich der Fremdsprachendidaktik aufschlussreich, weshalb didaktische Implikationen ausführlich diskutiert werden.

Abstract

According to Pöll (2017, 65), "[a]ucune language (de grande extension) n'échappe à la variation diatopique." – and this statement equally applies to French. While the areas of linguistic production, perception and mental representations have been investigated quite extensively for francophone speakers, the following questions remain unanswered: Do French learners also hold any norm conceptions with regard to diatopic, i.e. geographical variation within the target language, and if so, how do these influence perception? Comprehensive research on this subject is lacking for French, which is why the aim of this thesis is to approach the perception and evaluation of diatopic varieties of French by foreign language learners from multiple perspectives. In addition to normative conceptions per se, the focus lies on listening comprehension as well as on learners' experiences with, ideas about and knowledge of diatopic varieties. First, the participants (n=290) took part in a perception study in which they evaluated read-aloud language productions of different varieties. Subsequently, a questionnaire asked them to provide information on their language biography and to comment on their experiences with diatopic varieties. They should also reflect on how those varieties should be integrated in the foreign language classroom. These topics were further explored during interviews. To complement the project's mixed-methods approach, a listening comprehension test on Québécois French along with a questionnaire on dialect and standard language in German were administered to a subset of the participants. The results provide evidence for negative evaluations of some varieties at the level of mental representations, which are not reflected in perception. This may be related to the fact that learners rarely correctly identify speakers' regional origin. This is particularly striking in the case of Québécois speakers, who are yet easy to identify for the L1 control group. The learners often even classify those speakers as non-native, suggesting an (implicit) conflation of L1 speakers with speakers of the supposed hexagonal standard. Many learners, especially beginners, report (almost) no exposure to the various varieties, but seem to be open to them on an explicit level and would appreciate if they were better integrated in language teaching. From a sociolinguistic perspective, this thesis contributes to a more complete understanding of how linguistic norms influence learners' evaluations of varieties. Since expecting a certain (idealized) norm can affect the evaluation of speakers and even behaviour towards them, sociolinguistic findings are also socially relevant. Furthermore, the results are informative for the field of foreign language teaching, which is why didactic implications are discussed in detail.