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Förderung der Emergent Literacy bei Mädchen mit dem Rett-Syndrom. LitRett – eine explorative Einzelfallanalyse
Förderung der Emergent Literacy bei Mädchen mit dem Rett-Syndrom. LitRett – eine explorative Einzelfallanalyse
Als wesentlicher Motor für Bildung und Partizipation und sollte allen Kindern ein Zugang zu Schriftsprache ermöglicht werden. Dazu zählt auch die Zielgruppe der vorliegenden Arbeit, Mädchen mit dem Rett-Syndrom, die aufgrund ihrer Mehrfachbehinderung zur Kommunikation auf Talker mit Augensteuerung angewiesen sind. Der Forschungsstand zeigt, dass diese Kinder fähig sind zu lernen, wenn Inhalte individuell relevant sind und ihre spezifischen Einschränkungen berücksichtigt werden. Um Schriftsprache zu erwerben, ist es elementar, dass sie Vorläufererfahrungen und -kompetenzen (Emergent Literacy – EL) sammeln. Erste Erfahrungen dazu liegen mit einem auf den Grundsätzen des Building Blocks-Modells (Hall & Williams, 2001) für die EL beruhenden Vorgehen in der Adaption durch Norwell (2017a, b, c) vor. Kerngedanke dieser Ansätze ist es, dass der natürliche Erwerb durch ein vernetztes und reichhaltiges Angebot von Schriftspracherfahrungen erfolgt, in dem simultan und interaktiv verschiedene Kompetenzbereiche adressiert werden. Ziel der Arbeit ist es, zu dokumentieren, welche Entwicklungen in sechs auf den auf den Building Blocks beruhenden Kompetenzbereichen der EL bei Mädchen mit Rett-Syndrom im Vorschulalter in einer neunmonatigen Intervention erzielt werden konnten. Die eingesetzten multimodalen Erhebungsmethoden (Elternfragebogen, Elizitierung und direkte Beobachtung in der Statusdiagnostik und prozedural gewonnene Daten) werden explorativ evaluiert. Der Einfluss verschiedener Therapiemodi (Peer-Intervention, Elterntraining, Einzeltherapie), der Interventionsreihenfolge und der Allgemeinzustand wurden in der Analyse berücksichtigt, um für die therapeutisch-pädagogische Praxis und Forschung weitere Anhaltspunkte darüber bereitzustellen, welche Ziele adressiert werden können und durch welche Intervention dies geschehen kann. Dazu wurde eine Interventionsstudie als multiple Einzelfallstudie mit vier Kindern mit Rett- Syndrom im Alter von vier bis sieben Jahren durchgeführt. Ihr vorangestellt wurde aufgrund der mageren empirischen Datenlage eine deutschlandweite Fragebogenerhebung (N=41) durchgeführt, die aufdecken sollte, wie sich die Erwerbssituation in der EL und Schriftsprache bei Mädchen mit Rett-Syndrom in Deutschland darstellt. Für die Hauptstudie wurden die Probandinnen in zwei Gruppen aufgeteilt. Innerhalb von neun Monaten wurden mit beiden drei Interventionsmodi (Einzeltherapie, Elterntraining und Peer-Intervention) erprobt, wobei die Interventionsreihenfolge zwischen den Gruppen variierte. Die in dieser Arbeit entwickelte Intervention beruht in weiten Teilen auf dem Building Blocks-Modells (Hall & Williams, 2001) und der Adaption durch Norwell (2017a, b, c). Die vorliegende Arbeit zeigt auf, dass einzelne Personen mit Rett-Syndrom in den EL- relevanten Kompetenzbereichen des Interesses an Schriftsprache, dem Sammeln von Schriftspracherfahrungen, der Kommunikation, der phonologischen Bewusstheit, des alphabetischen Wissens und der Graphemsynthese Fortschritte machen können. Insgesamt orientierten sich die Lernwege an der Erwerbsreihenfolge im typischen frühen Schriftspracherwerb, auch wenn einzelne Kinder phasenweiseweise eher visuelle Verarbeitungspräferenzen zeigten. Mit der Vertrautheit mit der Interaktion über Schrift und in Bilderbuchsettings kam es oft auch im Alltag zu mehr Partizipation. Diese kann jedoch nur dauerhaft aufrechterhalten werden, wenn eine stetige Analyse der variierenden internen und externen Faktoren erfolgt. Entstehende Schriftsprachkompetenzen können dabei eine Stellschraube sein, die neue Settings erschließt, die Teilhabe ermöglichen und kommunikative Ressourcen nutzbar macht., Access to literacy is a fundamental motor for education and participation, that should be granted to all children. This includes the target group of this study, girls with Rett syndrome, who are dependent on talkers controlled with eye gaze to communicate due to their severe disability. Research shows that these children are capable of learning if the content is individually relevant and their specific limitations are taken into account. In order to acquire written language, it is essential that they experience literacy settings and develop precursor skills (emergent literacy – EL). Initial evidence has been gained with an approach based on the principles of the Building Blocks Model (Hall & Williams, 2001) for EL as adapted by Norwell (2017a, b, c). The core idea of these approaches is that natural acquisition takes place through a cross-linked and rich range of literacy experiences in which different areas of competence are addressed simultaneously and interactively. The aim of the study is to document the developments that were achieved in six dimensions of competence of EL based on the Building Blocks Model in girls with Rett syndrome of preschool age during a nine-month intervention. The multimodal data collection methods used (parent questionnaire, elicitation and direct observation in status diagnostics and procedurally obtained data) are evaluated exploratively. The influence of different therapy formats (peer intervention, parent training, individual therapy), the order of intervention and the overall condition were considered in order to provide further cues for therapeutic-pedagogical practice and research as to which goals can be addressed and through which intervention this can be done. Therefore, an intervention study was conducted as a multiple single-case study with four children with Rett syndrome aged four to seven years. Due to the scarce empirical data available this was preceded by a Germany-wide questionnaire survey (N=41), which was intended to uncover the acquisition situation EL and written language among girls with Rett syndrome in Germany. For the main study, the subjects were divided into two groups. Three intervention modes (individual therapy, parent training and peer intervention) were piloted with both groups over a period of nine months, with the order of intervention varying between the groups. The intervention developed in this paper is largely based on the Building Blocks model (Hall & Williams, 2001) and its adaptation by Norwell (2017a, b, c). The present study shows that individuals with Rett syndrome can achieve progress in the EL-relevant competence areas of interest in written language, gaining written language experience, communication, phonological awareness, alphabetic knowledge and grapheme synthesis. Overall, the learning paths were in line with the sequence of acquisition in typical early written language acquisition, even if in certain phases individual children showed more visual preferences in processing. Familiarity with interaction concerning print and in picture book settings often led to more participation in everyday life. However, participation can only be maintained in the long term if the varying internal and external factors are constantly assessed. Emerging literacy skills can be an important tool for opening up new settings that enable participation and make communicative resources accessible.
Rett-Syndrom, Emergent Literacy, Schriftsprache, Unterstützte Kommunikation, Sprachtherapie
Mathieu, Jennipher
2024
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Mathieu, Jennipher (2024): Förderung der Emergent Literacy bei Mädchen mit dem Rett-Syndrom: LitRett – eine explorative Einzelfallanalyse. Dissertation, LMU München: Fakultät für Psychologie und Pädagogik
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Abstract

Als wesentlicher Motor für Bildung und Partizipation und sollte allen Kindern ein Zugang zu Schriftsprache ermöglicht werden. Dazu zählt auch die Zielgruppe der vorliegenden Arbeit, Mädchen mit dem Rett-Syndrom, die aufgrund ihrer Mehrfachbehinderung zur Kommunikation auf Talker mit Augensteuerung angewiesen sind. Der Forschungsstand zeigt, dass diese Kinder fähig sind zu lernen, wenn Inhalte individuell relevant sind und ihre spezifischen Einschränkungen berücksichtigt werden. Um Schriftsprache zu erwerben, ist es elementar, dass sie Vorläufererfahrungen und -kompetenzen (Emergent Literacy – EL) sammeln. Erste Erfahrungen dazu liegen mit einem auf den Grundsätzen des Building Blocks-Modells (Hall & Williams, 2001) für die EL beruhenden Vorgehen in der Adaption durch Norwell (2017a, b, c) vor. Kerngedanke dieser Ansätze ist es, dass der natürliche Erwerb durch ein vernetztes und reichhaltiges Angebot von Schriftspracherfahrungen erfolgt, in dem simultan und interaktiv verschiedene Kompetenzbereiche adressiert werden. Ziel der Arbeit ist es, zu dokumentieren, welche Entwicklungen in sechs auf den auf den Building Blocks beruhenden Kompetenzbereichen der EL bei Mädchen mit Rett-Syndrom im Vorschulalter in einer neunmonatigen Intervention erzielt werden konnten. Die eingesetzten multimodalen Erhebungsmethoden (Elternfragebogen, Elizitierung und direkte Beobachtung in der Statusdiagnostik und prozedural gewonnene Daten) werden explorativ evaluiert. Der Einfluss verschiedener Therapiemodi (Peer-Intervention, Elterntraining, Einzeltherapie), der Interventionsreihenfolge und der Allgemeinzustand wurden in der Analyse berücksichtigt, um für die therapeutisch-pädagogische Praxis und Forschung weitere Anhaltspunkte darüber bereitzustellen, welche Ziele adressiert werden können und durch welche Intervention dies geschehen kann. Dazu wurde eine Interventionsstudie als multiple Einzelfallstudie mit vier Kindern mit Rett- Syndrom im Alter von vier bis sieben Jahren durchgeführt. Ihr vorangestellt wurde aufgrund der mageren empirischen Datenlage eine deutschlandweite Fragebogenerhebung (N=41) durchgeführt, die aufdecken sollte, wie sich die Erwerbssituation in der EL und Schriftsprache bei Mädchen mit Rett-Syndrom in Deutschland darstellt. Für die Hauptstudie wurden die Probandinnen in zwei Gruppen aufgeteilt. Innerhalb von neun Monaten wurden mit beiden drei Interventionsmodi (Einzeltherapie, Elterntraining und Peer-Intervention) erprobt, wobei die Interventionsreihenfolge zwischen den Gruppen variierte. Die in dieser Arbeit entwickelte Intervention beruht in weiten Teilen auf dem Building Blocks-Modells (Hall & Williams, 2001) und der Adaption durch Norwell (2017a, b, c). Die vorliegende Arbeit zeigt auf, dass einzelne Personen mit Rett-Syndrom in den EL- relevanten Kompetenzbereichen des Interesses an Schriftsprache, dem Sammeln von Schriftspracherfahrungen, der Kommunikation, der phonologischen Bewusstheit, des alphabetischen Wissens und der Graphemsynthese Fortschritte machen können. Insgesamt orientierten sich die Lernwege an der Erwerbsreihenfolge im typischen frühen Schriftspracherwerb, auch wenn einzelne Kinder phasenweiseweise eher visuelle Verarbeitungspräferenzen zeigten. Mit der Vertrautheit mit der Interaktion über Schrift und in Bilderbuchsettings kam es oft auch im Alltag zu mehr Partizipation. Diese kann jedoch nur dauerhaft aufrechterhalten werden, wenn eine stetige Analyse der variierenden internen und externen Faktoren erfolgt. Entstehende Schriftsprachkompetenzen können dabei eine Stellschraube sein, die neue Settings erschließt, die Teilhabe ermöglichen und kommunikative Ressourcen nutzbar macht.

Abstract

Access to literacy is a fundamental motor for education and participation, that should be granted to all children. This includes the target group of this study, girls with Rett syndrome, who are dependent on talkers controlled with eye gaze to communicate due to their severe disability. Research shows that these children are capable of learning if the content is individually relevant and their specific limitations are taken into account. In order to acquire written language, it is essential that they experience literacy settings and develop precursor skills (emergent literacy – EL). Initial evidence has been gained with an approach based on the principles of the Building Blocks Model (Hall & Williams, 2001) for EL as adapted by Norwell (2017a, b, c). The core idea of these approaches is that natural acquisition takes place through a cross-linked and rich range of literacy experiences in which different areas of competence are addressed simultaneously and interactively. The aim of the study is to document the developments that were achieved in six dimensions of competence of EL based on the Building Blocks Model in girls with Rett syndrome of preschool age during a nine-month intervention. The multimodal data collection methods used (parent questionnaire, elicitation and direct observation in status diagnostics and procedurally obtained data) are evaluated exploratively. The influence of different therapy formats (peer intervention, parent training, individual therapy), the order of intervention and the overall condition were considered in order to provide further cues for therapeutic-pedagogical practice and research as to which goals can be addressed and through which intervention this can be done. Therefore, an intervention study was conducted as a multiple single-case study with four children with Rett syndrome aged four to seven years. Due to the scarce empirical data available this was preceded by a Germany-wide questionnaire survey (N=41), which was intended to uncover the acquisition situation EL and written language among girls with Rett syndrome in Germany. For the main study, the subjects were divided into two groups. Three intervention modes (individual therapy, parent training and peer intervention) were piloted with both groups over a period of nine months, with the order of intervention varying between the groups. The intervention developed in this paper is largely based on the Building Blocks model (Hall & Williams, 2001) and its adaptation by Norwell (2017a, b, c). The present study shows that individuals with Rett syndrome can achieve progress in the EL-relevant competence areas of interest in written language, gaining written language experience, communication, phonological awareness, alphabetic knowledge and grapheme synthesis. Overall, the learning paths were in line with the sequence of acquisition in typical early written language acquisition, even if in certain phases individual children showed more visual preferences in processing. Familiarity with interaction concerning print and in picture book settings often led to more participation in everyday life. However, participation can only be maintained in the long term if the varying internal and external factors are constantly assessed. Emerging literacy skills can be an important tool for opening up new settings that enable participation and make communicative resources accessible.