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Schmerzverhalten von Saugferkeln bei der chirurgischen Kastration unter Lokalanästhesie
Schmerzverhalten von Saugferkeln bei der chirurgischen Kastration unter Lokalanästhesie
Die vorliegende Untersuchung zum Schmerzverhalten von Saugferkeln bei der chirurgischen Kastration war Teil eines Verbundprojektes des Lehrstuhls für Tierschutzes und der Klinik für Schweine der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie dem Zentrum für präklinische Forschung der Technischen Universität München und wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert und durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) betreut. Die Studie umfasste eine dreiteilige Laborstudie und eine Feldstudie. Die einzelnen Studienteile bauten aufeinander auf und so wurde die verwendete Lokalanästhesiemethode fortlaufend optimiert. Die chirurgische Kastration von Saugferkeln stellt einen schmerzhaften Eingriff dar. Das deutsche Tierschutzgesetz fordert deshalb für die Durchführung dieses Eingriffes eine wirksame Schmerzausschaltung. Hierfür sind in Deutschland bisher die Injektionsnarkose mit Ketamin/Azaperon und die Inhalationsnarkose mit Isofluran zugelassen. Ob unter Lokalanästhesie eine ausreichende Schmerzausschaltung bei der Kastration erreicht wird, ist hingegen noch nicht abschließend geklärt. In der vorliegenden Studie wurden unterschiedliche Lokalanästhetika und Injektionsmethoden an 288 Ferkeln in zwei Betrieben verwendet und das Schmerzverhalten der Ferkel einzeln anhand eines Ethogramms in einer Observationsarena beurteilt. Die Ferkel wurden dabei stets vor allen Eingriffen sowie nach Injektion der Lokalanästhetika, direkt nach Kastration und in den Stunden danach bis zu 24 Stunden nach Kastration beobachtet. Die wichtigsten beobachteten Schmerzparameter waren Veränderungen der Schwanzposition, Aufkrümmen des Rückens in der Sägebockhaltung und die Sägebockhaltung mit Pressen des Rumpfes an die Arenawand. Die wenigsten Schmerzparameter wurden von der nichtkastrierten Kontrollgruppe gezeigt. Bereits nach der Injektion der verwendeten Injektionsanästhetika konnten vermehrte Verhaltensänderungen wie Schwanzschlagen gesehen werden. Bei der Kastration und in den Stunden danach konnte mit der Lokalanästhesie eine Schmerzreduktion erreicht werden. Aufgrund der begrenzten Wirkdauer der Lokalanästhesie zeigten die Ferkel jedoch auch am Tag nach der Kastration Schmerzverhalten. Der Fokus zur Beurteilung einer wirksamen Schmerzausschaltung bei der Ferkelkastration wird in den meisten Untersuchungen nur auf den akuten Schmerz zum Zeitpunkt bzw. am Tag der Kastration gesetzt. Da Kastrationsschmerzen jedoch über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben, sollten aus Gründen des Tierwohls die langanhaltenden Schmerzen durchaus in die Beurteilung einer Kastrationsmethode mit einbezogen werden. Die Gabe von lokalen Betäubungsmitteln scheint zwar die Schmerzen bei der Kastration zu reduzieren aber, insbesondere durch die begrenzte Wirkdauer der Lokalanästhetika, nicht länger anhaltend vollständig auszuschalten. Eine Empfehlung für ein bestimmtes Lokalanästhetikum oder eine Injektionsmethode ist mithilfe der Verhaltensanalyse in der Observationsarena nicht eindeutig möglich. Tendenziell ist jedoch erkennbar, dass einige der Lokalanästhetika, wie Lidocain und Mepivacain zu stärkeren bzw. länger anhaltenden Verringerungen der schmerzassoziierten Parameter führen. Die in dieser Studie etablierten Parameter „Veränderungen der Schwanzposition“ und „Sägebockstellung“ sowie „Sägebockstellung und Pressen an Arenawand“ erscheinen als valide, um Schmerzen beim Saugferkel zu beurteilen und erbringen reproduzierbare Ergebnisse, die eine Unterscheidung der beiden Kontrollgruppen betäubungslose Kastration (NaCl-Injektion) und Handling (Sham) ermöglichen. Da schmerzbedingte Verhaltensänderungen beim Saugferkel sehr individuell und transient sind, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um zu evaluieren, inwieweit sich Schmerzanzeichen nach Alter und Rasse der untersuchten Schweine unterscheiden. Langfristig wäre eine standardisierte Beurteilungsmethode zur Schmerzerkennung bei Saugferkeln sinnvoll, um eine bessere Vergleichbarkeit verschiedener Studien zu ermöglichen.
Tierschutz, Ferkel, Kastration, Lokalanästhesie, Verhaltensbeobachtung
Miller, Regina Jasmin
2023
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Miller, Regina Jasmin (2023): Schmerzverhalten von Saugferkeln bei der chirurgischen Kastration unter Lokalanästhesie. Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät
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Abstract

Die vorliegende Untersuchung zum Schmerzverhalten von Saugferkeln bei der chirurgischen Kastration war Teil eines Verbundprojektes des Lehrstuhls für Tierschutzes und der Klinik für Schweine der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie dem Zentrum für präklinische Forschung der Technischen Universität München und wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert und durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) betreut. Die Studie umfasste eine dreiteilige Laborstudie und eine Feldstudie. Die einzelnen Studienteile bauten aufeinander auf und so wurde die verwendete Lokalanästhesiemethode fortlaufend optimiert. Die chirurgische Kastration von Saugferkeln stellt einen schmerzhaften Eingriff dar. Das deutsche Tierschutzgesetz fordert deshalb für die Durchführung dieses Eingriffes eine wirksame Schmerzausschaltung. Hierfür sind in Deutschland bisher die Injektionsnarkose mit Ketamin/Azaperon und die Inhalationsnarkose mit Isofluran zugelassen. Ob unter Lokalanästhesie eine ausreichende Schmerzausschaltung bei der Kastration erreicht wird, ist hingegen noch nicht abschließend geklärt. In der vorliegenden Studie wurden unterschiedliche Lokalanästhetika und Injektionsmethoden an 288 Ferkeln in zwei Betrieben verwendet und das Schmerzverhalten der Ferkel einzeln anhand eines Ethogramms in einer Observationsarena beurteilt. Die Ferkel wurden dabei stets vor allen Eingriffen sowie nach Injektion der Lokalanästhetika, direkt nach Kastration und in den Stunden danach bis zu 24 Stunden nach Kastration beobachtet. Die wichtigsten beobachteten Schmerzparameter waren Veränderungen der Schwanzposition, Aufkrümmen des Rückens in der Sägebockhaltung und die Sägebockhaltung mit Pressen des Rumpfes an die Arenawand. Die wenigsten Schmerzparameter wurden von der nichtkastrierten Kontrollgruppe gezeigt. Bereits nach der Injektion der verwendeten Injektionsanästhetika konnten vermehrte Verhaltensänderungen wie Schwanzschlagen gesehen werden. Bei der Kastration und in den Stunden danach konnte mit der Lokalanästhesie eine Schmerzreduktion erreicht werden. Aufgrund der begrenzten Wirkdauer der Lokalanästhesie zeigten die Ferkel jedoch auch am Tag nach der Kastration Schmerzverhalten. Der Fokus zur Beurteilung einer wirksamen Schmerzausschaltung bei der Ferkelkastration wird in den meisten Untersuchungen nur auf den akuten Schmerz zum Zeitpunkt bzw. am Tag der Kastration gesetzt. Da Kastrationsschmerzen jedoch über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben, sollten aus Gründen des Tierwohls die langanhaltenden Schmerzen durchaus in die Beurteilung einer Kastrationsmethode mit einbezogen werden. Die Gabe von lokalen Betäubungsmitteln scheint zwar die Schmerzen bei der Kastration zu reduzieren aber, insbesondere durch die begrenzte Wirkdauer der Lokalanästhetika, nicht länger anhaltend vollständig auszuschalten. Eine Empfehlung für ein bestimmtes Lokalanästhetikum oder eine Injektionsmethode ist mithilfe der Verhaltensanalyse in der Observationsarena nicht eindeutig möglich. Tendenziell ist jedoch erkennbar, dass einige der Lokalanästhetika, wie Lidocain und Mepivacain zu stärkeren bzw. länger anhaltenden Verringerungen der schmerzassoziierten Parameter führen. Die in dieser Studie etablierten Parameter „Veränderungen der Schwanzposition“ und „Sägebockstellung“ sowie „Sägebockstellung und Pressen an Arenawand“ erscheinen als valide, um Schmerzen beim Saugferkel zu beurteilen und erbringen reproduzierbare Ergebnisse, die eine Unterscheidung der beiden Kontrollgruppen betäubungslose Kastration (NaCl-Injektion) und Handling (Sham) ermöglichen. Da schmerzbedingte Verhaltensänderungen beim Saugferkel sehr individuell und transient sind, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um zu evaluieren, inwieweit sich Schmerzanzeichen nach Alter und Rasse der untersuchten Schweine unterscheiden. Langfristig wäre eine standardisierte Beurteilungsmethode zur Schmerzerkennung bei Saugferkeln sinnvoll, um eine bessere Vergleichbarkeit verschiedener Studien zu ermöglichen.