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The neural and behavioral basis of statistical learning of distractor suppression in visual search
The neural and behavioral basis of statistical learning of distractor suppression in visual search
In unserem täglichen Leben werden wir ständig mit visuellen Informationen bombardiert. Ein Beispiel wäre es, wenn wir zur Arbeit mit dem Bus fahren und an der Bushaltestelle warten, halten wir Ausschau nach passenden Informationen. Gleichsam kann uns ein ähnlich gefärbter, aber anderer Bus ablenken. Ein anderes Beispiel ist die gezielte Suche eines Freund in der Menschenmenge, der zusätzlich einen roten Hut trägt. Dabei kann unsere Aufmerksamkeit ungewollt von den auffälligen roten Blumen am Straßenrand abgelenkt werden. Es besteht kein Zweifel daran, dass die visuelle Aufmerksamkeit allgegenwärtig und im Alltag von entscheidender Bedeutung ist. Jedoch kann die Interaktion mit einer komplexen, sich ständig verändernden Umwelt unser Gehirn schlichtweg überfordern, sodass nicht alle Informationen verarbeitet werden. Dabei sind es besonders auffällige, aber für die Aufgabe irrelevante Objekte (sogenannte Distraktoren), die in einer visuellen Szene besonders hervorstechen und unsere Aufmerksamkeit erregen. Diese Ablenkung unserer Aufmerksamkeit auf plötzliche Reize kann mitunter schädlich, sogar lebensbedrohlich sein und beispielsweise einen Unfall während des Autofahrens zur Folge haben. Kurzum, es besteht ein Interesse daran, unsere limitierten Aufmerksamkeitsressourcen hinsichtlich der Priorisierung wichtiger Informationen (Targets) und der Ablenkung (Distraktoren) genauer zu untersuchen. Die visuelle Aufmerksamkeit ermöglicht es uns, die sensorische Verarbeitung selektiv auf Informationen (Targets) zu lenken, die für unsere Ziele relevant sind, und zu verhindern, dass die Aufmerksamkeit auf Ablenkungen (Distraktoren) gelenkt wird, die nichts mit den anstehenden Aufgaben zu tun haben (Chun & Marois, 2002; Egeth & Yantis, 1997; Folk et al., 1992; Geyer et al., 2006; Mazza et al., 2007; Treisman & Gelade, 1980; Wolfe & Horowitz, 2004). Daher ist die Aufmerksamkeitsverarbeitung vom dualen Mechanismus der Target-Selektion und der Distraktor-Suppression abhängig (Chun & Marois, 2002). Traditionell wird angenommen, dass die aufmerksame Selektion aus der Interaktion zweier Kontrollmechanismen resultiert, die top-down Kontrolle (zielgesteuert: z. B. das bekannte Gesicht in der Menschenmenge), und die bottom-up Kontrolle (reizgesteuert: z. B. das Hören und Sehen des Blaulichts) (Egeth & Yantis, 1997; Folk et al., 1992; Orchard-Mills et al., 2013; Wolfe et al., 2003; Yantis & Egeth, 1999). Diese Theorie ist weit verbreitet und hat breite Akzeptanz gefunden. Trotz widersprüchlicher Vorhersagen beider Theorien (top-down vs. bottom-up) darüber, wann selektive Aufmerksamkeit stattfindet, haben sie sich jedoch schon seit längerem nicht weiterentwickelt. Klar ist aber folgendes, während top-down Targets einen prominenten Einfluss auf die Aufmerksamkeit haben, gibt es eine Vielzahl von Szenarien, in denen irrelevante aber hervorstechende (saliente) Informationen (Distraktoren) die Aufmerksamkeit ebenso zu erregen scheinen. Immer mehr Studien verweisen jedoch darauf, dass die anerkannte Dichotomie zwischen top-down und bottom-up nicht ausreichend ist um die Aufmerksamkeitskontrolle zu beschreiben, und weitere Faktoren wie die Vorerfahrung (selection history) unsere Aufmerksamkeit sowie die Selektion und Effizienz während der visuellen Suche beeinflussen und verzerren können (Anderson et al., 2021; d.h. die Kontrolle der Selektionsgeschichte Awh et al., 2012; Kadel et al., 2017; H. J. Müller et al., 2010; Wolfe et al., 2003). Die Selektionsgeschichte umfasst viele Quellen der Aufmerksamkeitsverzerrung, wie statistisches Lernen von Merkmalen / räumlicher Positionen (z. B. Fiser & Aslin, 2002; Sauter et al., 2021; Turk-Browne et al., 2005; van Moorselaar & Slagter, 2019; Won et al., 2019; Zellin et al., 2013), Priming-Effekte für Farben / räumlicher Positionen / oder wiedeholenden Geräuschen über den Zeitverlauf hinweg (auch intertrial priming effects) (Allenmark et al., 2018; Feldmann-Wüstefeld & Schubö, 2016; Geyer et al., 2007; Lamy & Yashar, 2008; z. B. Maljkovic & Nakayama, 1994). Immer mehr Studien zeigen, dass Beobachter aus früheren Erfahrungen anhand räumlich verteilter Information lernen können, die Selektionspriorität bestimmte Positionen (oder Orte) abzuwerten, an welchen häufig irrelevante singuläre Distraktoren auftauchen, um (implizit) den Einfluss dieser Störungen zu minimieren (Gao & Theeuwes, 2019; Goschy et al., 2014; Leber et al., 2016; Sauter et al., 2018; B. Wang & Theeuwes, 2018a). Dieser Befunde werden durch weitere Studien mittels Augenbewegungen (eye tracking) bestätigt, insofern weniger Augenbewegungen (oder okulomotorische Aktivität) gemessen wurden wenn Distraktoren an erwartbaren Positionen auftauchten im Vergleich zu unerwartbaren (Allenmark, Shi, et al., 2021; Di Caro et al., 2019; Sauter et al., 2021; B. Wang, Samara, et al., 2019). Die Auswertung der statistischen Verteilung salienter Distraktoren zeigte, dass Beobachter räumliche Regelmäßigkeiten salienter Distraktoren ausnutzen können, um Interferenzen (geringere RTs) zu reduzieren (intertrial facilitation), wenn Distraktoren an häufigen im Vergleich zu seltenen Orten (oder Positionen) auftreten, was in Goschy et al.(2014) als der “distractor-location probability cueing effect” (Der Häufigkeitseffekt zur räumlichen Verteilung von Distraktoren) bezeichnet wird. Darüber hinaus lieferten Goschy et al. (2014) in deren Studie überzeugende Belege dafür, dass sich statistisches (und räumliches) Lernen sowie die beschleunigte Selektion oder effektive Suppression (intertrial facilitation) als zugrundeliegende Mechanismen des probability cueing effect sich nicht notwendigerweise gegenseitig ausschließen: Der distractor-location probability cueing effect wäre sowohl auf statistisches Lernen der Distraktorpositionen als auch auf die effektive Suppression (intertrial facilitation) zurückzuführen, die durch die Wiederholung der Distraktoren bei aufeinanderfolgenden Versuchen hervorgerufen wird. Doch wie wird der Distraktor im Laufe der Zeit gelernt und unterdrückt? In der vorliegenden Dissertation wird untersucht, inwieweit das visuelle System gelernt hat, die durch den auffälligen Distraktor induzierten Störungen in Abhängigkeit der gegebenen räumlichen Häufigkeitsverteilung, sowie deren kurzfristigen effektiver Suppression über den Versuchsablauf hinweg zu minimieren. Ebenso stellt sich die Frage, wie dies innerhalb der kognitiven Architektur der visuellen Suche hinsichtlich bestimmter neuronaler Marker umgesetzt wird? Bisher wurde eine Vielzahl von Studien zu den Auswirkungen des Häufigkeitspriming (oder auch Häufigkeitscueing) durchgeführt, die sich jedoch meist auf stationäre räumliche Regelmäßigkeiten beschränken (z. B. Orte mit hoher Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu Orten mit geringer Wahrscheinlichkeit), wobei die Regelmäßigkeiten sequenzieller Natur sind. Das bedeutet, dass das tägliche Erlebnis von Regelmäßigkeiten meist auf dem beruhen, was zuvor geschehen ist, d. h. auf ein bestimmtes Ereignis A folgen in der zeitlichen Abfolge die Ereignisse B und C (für einen Review siehe Theeuwes et al., 2022). Allerdings haben wir bisher nur ein geringes Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen, wie statistisches Lernen in Form von versuchsübergreifenden Sequenzen den Einfluss von Distraktoren abschwächen kann. Diese Frage ist ein durchaus beachtenswerter Aspekt des Themas der erfahrungsgesteuerten Aufmerksamkeit, so dass sich die vorliegende Dissertation damit befasst hat. In dem Experiment von Li & Theeuwes (2020) konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Teilnehmer ein trial-to-trial (auf deutsch von Versuch-zu-Versuch) statistisches Lernen von Zielorten extrahieren können. In dieser visuellen Suchaufgabe sollten die Beobachter auf ein Target mit einer bestimmten Form (z.B. Diamant) unter sieben anderen Objekten reagieren. In diesem Fall wurden zwei Bedingungen für die räumlichen Regelmäßigkeit der Targetpositionen in den Versuchen manipuliert: ein Target ganz rechts im vorhergehenden Trial (Versuch n-1) und ein Target ganz links im aktuellen Trial (Versuch n) für die reguläre Bedingung und andereseits Versuche oder Trials, deren Targetpositionen nicht mit dem Trail n-1 übereinstimmten, für die nicht reguläre Bedingung. Das Ergebnis ist, dass die RTs in der Bedingung der Regelmäßigkeit schneller waren als in der Bedingung der Nicht-Regelmäßigkeit, und zwar nicht nur bei Trials (Versuchen) ohne Distraktoren, sondern auch bei Trials mit Distraktoren - was darauf hindeutet, dass die selektive Aufmerksamkeit durch versuchsübergreifende (oder intertrial) Regelmäßigkeiten beeinflusst wurde. Eine weitere Studie zu Verhalten und Elektroenzephalogramm (EEG) zeigte, dass die Vorteile der Wiederholung beim Erlernen der Position des Distraktors in der Trialsequenz dem Gehirn dabei helfen, die Aufmerksamkeitssteuerung zu lösen, wenn der Distraktor in Teilsequenzen über 1 bis 12 Trials an derselben Position wiederholt wird, was sich in den reduzierten RTs und ebenso der Reduzierung der Pd-Komponente widerspiegelt (van Moorselaar & Slagter, 2019). Tatsächlich sind reale visuelle Umgebungen sehr viel dynamischer und unbeständiger, wie es das “predictive-coding framework” der Wahrnehmung beschreibt (Friston, 2010; Friston & Kiebel, 2009): Das Gehirn trifft auf der Grundlage von Vorwissen kontinuierlich Vorhersagen über die Umweltursachen der sensorischen Eingaben, die es erhält. Während eines solchen statistischen intertrial Lernens der Sequenzpaare (Targets und Distraktoren) entsteht eine flexible Priorisierung der räumlichen Positionen durch die Auf- und Abwertung aufgrund früherer Erfahrungen (intertrial history). Jedoch wird der Frage, inwiefern die Volatilität der räumlichen Suche von der Geschwindigkeit des Lernens (d.h. der effektiven Distraktorsuppression) beeinflusst wird, bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In der vorliegenden Studie wurde speziell der Einfluss der Umgebungsvolatilität auf das statistische Lernen von Distraktorpositionen untersucht, um die Aufmerksamkeitserfassung durch auffällige Distraktoren zu minimieren. Ziel dieser Arbeit ist es, unser Verständnis der kognitiven und neuronalen Prozesse zu verbessern, die dem statistischen Lernen von Distraktorpositionen und den inhibitorischen Intertrial-Effekten in der visuellen Aufmerksamkeit zugrunde liegt, und herauszufinden, wie man intertrial Regelmäßigkeiten von Distraktorpositionen nutzen kann, um die Aufmerksamkeitserfassung in volatilen Umgebungen zu reduzieren. Um diese Fragen zu klären, werden klassische Verhaltensexperimente, Eye-Tracking und EEG-Techniken eingesetzt. In Kapitel 2.1 wird zunächst die Position der erlernten Unterdrückung von Distraktoren innerhalb der funktionalen Architektur der (visuellen) aufmerksamen Suche untersucht, welche Interferenzen an häufigen Positionen reduzieren, um das zu erreichen, wurde in dieser Dissertation das zusätzliche Singleton Paradigma (additional singleton paradigm) von Wang und Theeuwes (2018a) verwendet: Die Teilnehmer suchen und reagieren auf ein eindeutiges, formdefiniertes Target (z. B., ein Kreis unter Rauten oder umgekehrt), während sie einen auffälligen, farblich definierten Distraktor ignorieren (z. B. ein rotes oder grünes Singleton, das sich farblich von anderen, nicht ablenkenden Elementen unterscheidet). Wichtig ist, dass der auffällige Distraktor, wenn er in der Suchanzeige vorhanden war, mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem "häufigen" Positionen und mit geringer Wahrscheinlichkeit an einem der "seltenen" Positionen auftauchte, was ein statistisches Lernen der räumlichen Distraktorverteilung ermöglichte. Durch die Kombination des EEG-Ansatzes mit dem additional singleton paradigm konnten wir zeigen, dass die Interferenz des Distraktors (schnellere RTs) signifikant geringer war, wenn der Distraktor an einer häufigen anstatt einer seltenen Position auftrat, was zeigt, dass das statistische Lernen der ungleichmäßigen Verteilung der Distraktorpositionen leistungsfähige Vorteile bei der visuellen Selektionsverarbeitung mit sich bringt (Allenmark et al., 2019a; z. B., Goschy et al., 2014; Liesefeld & Müller, 2020; Sauter et al., 2018, 2021; B. Wang & Theeuwes, 2018b). Wenn andererseits ein Distraktor die Aufmerksamkeit auf sich zieht (ob offen oder verdeckt), muss seine Position "reaktiv" unterdrückt werden (z. B., Geng, 2014), damit die Aufmerksamkeit auf die Targetposition neu zugewiesen werden kann. Der Effekt dieser reaktiven Unterdrückung überträgt sich auf den nächsten Versuch, was sich in verlangsamtem RTs für ein Ziel in einem bestimmten Versuch n zeigt, das sich an der Stelle befindet, die im vorherigen Versuch n-1 von einem Distraktor besetzt war (z. B. , Allenmark, Shi, et al., 2021; Geyer et al., 2006; Kumada & Humphreys, 2002; Sauter et al., 2018). Elektrophysiologisch fanden wir eine Unterscheidung zwischen der frühen N1pc/Ppc und der späten SPCN. Bei reinen Target Trials (d.h. nur Targets innerhalb eines Durchlaufs) war die Polarität der frühen lateralisierten Komponente von der Position des Target abhängig, wobei die häufige Position eine Target N1pc-Komponente und die seltene Position eine Target Ppc-Komponente auslöste. Trials mit gemeinsamen Target und Distraktor zeigten ebenfalls das gleiche N1pc/Ppc-Muster. Darüber hinaus war die späte SPCN-Amplitude negativer, wenn die Targetposition mit der vorangehenden Distraktorposition zusammefiel, als wenn dies nicht der Fall war. Ebenso zeigte sich, dass Alpha Oszillationen in Form von antizipatorischen Modulationen keine signifikante Rolle beim statistischen und andauernden (long-term) Lernen zur “Suppression” wahrscheinlicher Distraktorposition spielen, und was somit vorangegangene Studien von van Moorselaar et al. (2020) sowie Noonan et al.(2016) unterstützt. Anschließend untersuchten wir in Kapitel 2.2, ob Beobachter die Lernrate der Distraktorenunterdrückung adaptiv an die Volatilität der Umgebung anpassen können. Dazu verwendeten wir die Markov-Ketten-Funktion (Hamilton, 1990) und das klassische visuelle Suchparadigma (Goschy et al., 2014), um eine Umgebung mit hoher und eine mit niedriger Volatilität zu schaffen, die sich durch die Häufigkeit des Wechsels zwischen Trials (oder Versuchen) mit und ohne Distraktor in der Suchanzeige unterscheidet. Dies führte zu aufeinanderfolgenden Trials mit vorhandenem Distraktor mit unterschiedlich langen Wiederholungen der Distraktorposition (d.h. 0, 1, 2, 3, 4 und öfter). Wir manipulierten die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung desselben Distraktors ("anwesend" oder "abwesend") von einem Trial zum nächsten, mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % in der Sitzung mit hoher und 70 % in der Sitzung mit niedriger Volatilität. Darüber hinaus untersuchten wir die okulomotorische Aktivität (d.h. die Augenbewegungen) und deren suppressiver Anpassung (position detachment) während der visuellen Suchaufgabe, da bekannt ist, dass Aufmerksamkeits- und Okulomotorik miteinander verbunden sind (Deubel & Schneider, 1996; McPeek et al., 1999; B. Wang, Samara, et al., 2019). Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Sitzung mit hoher Volatilität zu langsameren Reaktionszeiten führte als die Sitzung mit niedriger Volatilität. Die aktive Aufmerksamkeitsleistung (attentional capture effect), gemessen an den Kosten für die Reaktionszeit (RT) zwischen Anwesenheit und Abwesenheit eines Distraktors, war jedoch in der Sitzung mit niedriger Volatilität größer, was darauf hindeutet, dass der Distraktor die Suchleistung in einer Umgebung mit niedriger Volatilität stärker beeinflusst als in einer Umgebung mit hoher Volatilität. Darüber hinaus wurde die Störung durch den Distraktor mit zunehmender Anzahl von Wiederholungen an der gleichen Stelle signifikant reduziert, was sich in reduzierten RTs und dem Anteil der ersten Sakkade zum Distraktor zeigte. Daraus können wir schlussfolgern, dass die intertrial Sequenzen von Distraktorwiederholungen die Interferenz in komplexen und volatilen Umgebungen abschwächen können. Schließlich sollte in Kapitel 2.3 untersucht werden, ob (1) auffällige Distraktoren die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und wenn ja, ob ein Effekt der Ablenkungswahrscheinlichkeit nachgewiesen werden konnte. Wir stellten die Hypothese auf, dass, wenn die Teilnehmer in der Lage sind, diese räumlich basierten Regelmäßigkeiten zu extrahieren und zu lernen, Distraktoren an häufigen Positionen weniger Interferenzen (d.h. schnellere RTs) verursachen als Distraktoren an seltenen Orten. Ebenso untersuchten wir (2) wie man die intertrial Regelmäßigkeiten der Distraktorenpositionen nutzen kann, um die Aufmerksamkeitserfassung (attentional capture) in unbeständigen Umgebungen zu reduzieren und vor allem (3), ob unbeständige Umgebungen die Lerngeschwindigkeit der Distraktorenunterdrückung beeinflussen. Gemäß den beiden obigen Fragen beschleunigte eine längere Subsequenz von Wiederholungen der Distraktorposition zunehmend die RTs, da die Interferenz des Distraktors an dieser Position abnahm. Wenn dies der Fall wäre, sollten Distraktoren in der globalen Umgebung mit niedriger Volatilität weniger Interferenzen verursachen als Distraktoren in der globalen Umgebung mit hoher Volatilität. (4) Es sollte untersucht werden, ob die Distraktorsuppression durch die intertrial Bedingungen der Distraktoren realisiert werden kann. Die Hypothese war, dass die Suchleistung besser sein würde, wenn der Distraktor nicht von Trial n-1 zu Trial n wechselt (d.h. 2 x abwesend AA, oder 2 x anwesend PP), da es von Vorteil ist, denselben Zustand über mehrere Versuche hinweg zu wiederholen. Im Gegensatz dazu wurde erwartet, dass die Suchleistung verlangsamt wird, wenn der Distraktor die Bedingungen von Trial n-1 zu Trial n wechselt (d.h. AP, PA), da die Übergangszustände zwischen den Versuchen und der selektiven Targetverarbeitung beeinträchtigen können. Zu diesem Zweck verwendeten wir die Markov-Ketten-Funktion, um eine Umgebung mit hoher und eine mit niedriger Volatilität zu schaffen, die sich durch die Häufigkeit des Wechsels zwischen Trials mit und ohne Distraktor in der Suchanzeige unterschieden. Dies führte zu aufeinanderfolgenden Versuchen mit vorhandenem Distraktor mit unterschiedlich langen Wiederholungen der Distraktorpositionen (d.h. 0, 1, 2, 3, 4 und öfter). Wir manipulierten die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung desselben Distraktorzustands ("anwesend" oder "abwesend") von einem Versuch zum nächsten, mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % in der Sitzung mit hoher und 70 % in der Sitzung mit niedriger Volatilität. Zusätzlich haben wir das Häufigkeitscueing von Distraktorpositionen in das klassische visuelle Suchparadigma (Goschy et al., 2014) implementiert, bei dem die Teilnehmer nach einem Targetobjekt unter mehreren Nicht-Targetobjekten suchen mussten. Infolgedessen war die Fähigkeit des Lernens zur Unterdrückung von Distraktoren (mit einem Kontrast in der Dimension, z.B. rote Farbe) an der wahrscheinlichen Positionen in beiden Sitzungen, mit hoher und niedriger Volatilität, ähnlich, was darauf hindeutet, dass das statistische Lernen der ortsbezogenen Unterdrückung von Distraktoren robust gegenüber Veränderungen der Volatilität ist. Die Sitzung mit hoher Volatilität führte jedoch zu einer größeren Unsicherheit über das Vorhandensein eines bevorstehenden Distraktors, was die Auswahl des Targets generell beeinträchtigte. Interessanterweise verstärkte diese hohe Unsicherheit auch die proaktive Unterdrückung, was sich in einem signifikanten Targetpositionseffekt in der Sitzung mit hoher Volatilität manifestierte. In der Sitzung mit niedriger Volatilität erlaubte die Vorhersagbarkeit der Häufung von Trials ohne Distraktoren den Beobachtern jedoch, die proaktive Unterdrückung schnell aufzugeben, nachdem sie auf den ersten Versuch ohne Distraktoren gestoßen waren, um die Suchleistung zu steigern. Trotz kurzfristiger Schwankungen der Störung durch Distraktoren in beiden Sitzungen wurde die langfristige Unterdrückung von Distraktoren hauptsächlich durch die lokale Wahrscheinlichkeitsverteilung des Auftretens von Distraktoren bestimmt. Wir vermuten, dass die Aufmerksamkeitserfassung nicht nur durch statistische räumliche Regelmäßigkeiten beim Lernen abgeschwächt wird, sondern auch durch dynamische Übergangswahrscheinlichkeiten von Trial zu Trial. Diese Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis des kognitiven Mechanismus bei, der der "Selektionsgeschichte" (intertrial history) zugrunde liegt. Diese Dissertation soll zusammengenommen mit den drei oben genannten Studien unser Verständnis der kognitiven und neuronalen Prozesse verbessern, die dem statistischen Lernen von Distraktorpositionen und den hemmenden intertrial Effekten bei der visuellen Aufmerksamkeit zugrunde liegen. Darüber hinaus soll herausgefunden werden, wie man trialübergreifende Regelmäßigkeiten von Distraktorpositionen nutzen kann, um die Aufmerksamkeitserfassung in volatilen Umgebungen zu reduzieren.
distractor-location suppression, probability cueing, volatility, EEG, N1pc, N2pc, SPCN
Qiu, Nan
2023
Englisch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Qiu, Nan (2023): The neural and behavioral basis of statistical learning of distractor suppression in visual search. Dissertation, LMU München: Fakultät für Psychologie und Pädagogik
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Abstract

In unserem täglichen Leben werden wir ständig mit visuellen Informationen bombardiert. Ein Beispiel wäre es, wenn wir zur Arbeit mit dem Bus fahren und an der Bushaltestelle warten, halten wir Ausschau nach passenden Informationen. Gleichsam kann uns ein ähnlich gefärbter, aber anderer Bus ablenken. Ein anderes Beispiel ist die gezielte Suche eines Freund in der Menschenmenge, der zusätzlich einen roten Hut trägt. Dabei kann unsere Aufmerksamkeit ungewollt von den auffälligen roten Blumen am Straßenrand abgelenkt werden. Es besteht kein Zweifel daran, dass die visuelle Aufmerksamkeit allgegenwärtig und im Alltag von entscheidender Bedeutung ist. Jedoch kann die Interaktion mit einer komplexen, sich ständig verändernden Umwelt unser Gehirn schlichtweg überfordern, sodass nicht alle Informationen verarbeitet werden. Dabei sind es besonders auffällige, aber für die Aufgabe irrelevante Objekte (sogenannte Distraktoren), die in einer visuellen Szene besonders hervorstechen und unsere Aufmerksamkeit erregen. Diese Ablenkung unserer Aufmerksamkeit auf plötzliche Reize kann mitunter schädlich, sogar lebensbedrohlich sein und beispielsweise einen Unfall während des Autofahrens zur Folge haben. Kurzum, es besteht ein Interesse daran, unsere limitierten Aufmerksamkeitsressourcen hinsichtlich der Priorisierung wichtiger Informationen (Targets) und der Ablenkung (Distraktoren) genauer zu untersuchen. Die visuelle Aufmerksamkeit ermöglicht es uns, die sensorische Verarbeitung selektiv auf Informationen (Targets) zu lenken, die für unsere Ziele relevant sind, und zu verhindern, dass die Aufmerksamkeit auf Ablenkungen (Distraktoren) gelenkt wird, die nichts mit den anstehenden Aufgaben zu tun haben (Chun & Marois, 2002; Egeth & Yantis, 1997; Folk et al., 1992; Geyer et al., 2006; Mazza et al., 2007; Treisman & Gelade, 1980; Wolfe & Horowitz, 2004). Daher ist die Aufmerksamkeitsverarbeitung vom dualen Mechanismus der Target-Selektion und der Distraktor-Suppression abhängig (Chun & Marois, 2002). Traditionell wird angenommen, dass die aufmerksame Selektion aus der Interaktion zweier Kontrollmechanismen resultiert, die top-down Kontrolle (zielgesteuert: z. B. das bekannte Gesicht in der Menschenmenge), und die bottom-up Kontrolle (reizgesteuert: z. B. das Hören und Sehen des Blaulichts) (Egeth & Yantis, 1997; Folk et al., 1992; Orchard-Mills et al., 2013; Wolfe et al., 2003; Yantis & Egeth, 1999). Diese Theorie ist weit verbreitet und hat breite Akzeptanz gefunden. Trotz widersprüchlicher Vorhersagen beider Theorien (top-down vs. bottom-up) darüber, wann selektive Aufmerksamkeit stattfindet, haben sie sich jedoch schon seit längerem nicht weiterentwickelt. Klar ist aber folgendes, während top-down Targets einen prominenten Einfluss auf die Aufmerksamkeit haben, gibt es eine Vielzahl von Szenarien, in denen irrelevante aber hervorstechende (saliente) Informationen (Distraktoren) die Aufmerksamkeit ebenso zu erregen scheinen. Immer mehr Studien verweisen jedoch darauf, dass die anerkannte Dichotomie zwischen top-down und bottom-up nicht ausreichend ist um die Aufmerksamkeitskontrolle zu beschreiben, und weitere Faktoren wie die Vorerfahrung (selection history) unsere Aufmerksamkeit sowie die Selektion und Effizienz während der visuellen Suche beeinflussen und verzerren können (Anderson et al., 2021; d.h. die Kontrolle der Selektionsgeschichte Awh et al., 2012; Kadel et al., 2017; H. J. Müller et al., 2010; Wolfe et al., 2003). Die Selektionsgeschichte umfasst viele Quellen der Aufmerksamkeitsverzerrung, wie statistisches Lernen von Merkmalen / räumlicher Positionen (z. B. Fiser & Aslin, 2002; Sauter et al., 2021; Turk-Browne et al., 2005; van Moorselaar & Slagter, 2019; Won et al., 2019; Zellin et al., 2013), Priming-Effekte für Farben / räumlicher Positionen / oder wiedeholenden Geräuschen über den Zeitverlauf hinweg (auch intertrial priming effects) (Allenmark et al., 2018; Feldmann-Wüstefeld & Schubö, 2016; Geyer et al., 2007; Lamy & Yashar, 2008; z. B. Maljkovic & Nakayama, 1994). Immer mehr Studien zeigen, dass Beobachter aus früheren Erfahrungen anhand räumlich verteilter Information lernen können, die Selektionspriorität bestimmte Positionen (oder Orte) abzuwerten, an welchen häufig irrelevante singuläre Distraktoren auftauchen, um (implizit) den Einfluss dieser Störungen zu minimieren (Gao & Theeuwes, 2019; Goschy et al., 2014; Leber et al., 2016; Sauter et al., 2018; B. Wang & Theeuwes, 2018a). Dieser Befunde werden durch weitere Studien mittels Augenbewegungen (eye tracking) bestätigt, insofern weniger Augenbewegungen (oder okulomotorische Aktivität) gemessen wurden wenn Distraktoren an erwartbaren Positionen auftauchten im Vergleich zu unerwartbaren (Allenmark, Shi, et al., 2021; Di Caro et al., 2019; Sauter et al., 2021; B. Wang, Samara, et al., 2019). Die Auswertung der statistischen Verteilung salienter Distraktoren zeigte, dass Beobachter räumliche Regelmäßigkeiten salienter Distraktoren ausnutzen können, um Interferenzen (geringere RTs) zu reduzieren (intertrial facilitation), wenn Distraktoren an häufigen im Vergleich zu seltenen Orten (oder Positionen) auftreten, was in Goschy et al.(2014) als der “distractor-location probability cueing effect” (Der Häufigkeitseffekt zur räumlichen Verteilung von Distraktoren) bezeichnet wird. Darüber hinaus lieferten Goschy et al. (2014) in deren Studie überzeugende Belege dafür, dass sich statistisches (und räumliches) Lernen sowie die beschleunigte Selektion oder effektive Suppression (intertrial facilitation) als zugrundeliegende Mechanismen des probability cueing effect sich nicht notwendigerweise gegenseitig ausschließen: Der distractor-location probability cueing effect wäre sowohl auf statistisches Lernen der Distraktorpositionen als auch auf die effektive Suppression (intertrial facilitation) zurückzuführen, die durch die Wiederholung der Distraktoren bei aufeinanderfolgenden Versuchen hervorgerufen wird. Doch wie wird der Distraktor im Laufe der Zeit gelernt und unterdrückt? In der vorliegenden Dissertation wird untersucht, inwieweit das visuelle System gelernt hat, die durch den auffälligen Distraktor induzierten Störungen in Abhängigkeit der gegebenen räumlichen Häufigkeitsverteilung, sowie deren kurzfristigen effektiver Suppression über den Versuchsablauf hinweg zu minimieren. Ebenso stellt sich die Frage, wie dies innerhalb der kognitiven Architektur der visuellen Suche hinsichtlich bestimmter neuronaler Marker umgesetzt wird? Bisher wurde eine Vielzahl von Studien zu den Auswirkungen des Häufigkeitspriming (oder auch Häufigkeitscueing) durchgeführt, die sich jedoch meist auf stationäre räumliche Regelmäßigkeiten beschränken (z. B. Orte mit hoher Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu Orten mit geringer Wahrscheinlichkeit), wobei die Regelmäßigkeiten sequenzieller Natur sind. Das bedeutet, dass das tägliche Erlebnis von Regelmäßigkeiten meist auf dem beruhen, was zuvor geschehen ist, d. h. auf ein bestimmtes Ereignis A folgen in der zeitlichen Abfolge die Ereignisse B und C (für einen Review siehe Theeuwes et al., 2022). Allerdings haben wir bisher nur ein geringes Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen, wie statistisches Lernen in Form von versuchsübergreifenden Sequenzen den Einfluss von Distraktoren abschwächen kann. Diese Frage ist ein durchaus beachtenswerter Aspekt des Themas der erfahrungsgesteuerten Aufmerksamkeit, so dass sich die vorliegende Dissertation damit befasst hat. In dem Experiment von Li & Theeuwes (2020) konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Teilnehmer ein trial-to-trial (auf deutsch von Versuch-zu-Versuch) statistisches Lernen von Zielorten extrahieren können. In dieser visuellen Suchaufgabe sollten die Beobachter auf ein Target mit einer bestimmten Form (z.B. Diamant) unter sieben anderen Objekten reagieren. In diesem Fall wurden zwei Bedingungen für die räumlichen Regelmäßigkeit der Targetpositionen in den Versuchen manipuliert: ein Target ganz rechts im vorhergehenden Trial (Versuch n-1) und ein Target ganz links im aktuellen Trial (Versuch n) für die reguläre Bedingung und andereseits Versuche oder Trials, deren Targetpositionen nicht mit dem Trail n-1 übereinstimmten, für die nicht reguläre Bedingung. Das Ergebnis ist, dass die RTs in der Bedingung der Regelmäßigkeit schneller waren als in der Bedingung der Nicht-Regelmäßigkeit, und zwar nicht nur bei Trials (Versuchen) ohne Distraktoren, sondern auch bei Trials mit Distraktoren - was darauf hindeutet, dass die selektive Aufmerksamkeit durch versuchsübergreifende (oder intertrial) Regelmäßigkeiten beeinflusst wurde. Eine weitere Studie zu Verhalten und Elektroenzephalogramm (EEG) zeigte, dass die Vorteile der Wiederholung beim Erlernen der Position des Distraktors in der Trialsequenz dem Gehirn dabei helfen, die Aufmerksamkeitssteuerung zu lösen, wenn der Distraktor in Teilsequenzen über 1 bis 12 Trials an derselben Position wiederholt wird, was sich in den reduzierten RTs und ebenso der Reduzierung der Pd-Komponente widerspiegelt (van Moorselaar & Slagter, 2019). Tatsächlich sind reale visuelle Umgebungen sehr viel dynamischer und unbeständiger, wie es das “predictive-coding framework” der Wahrnehmung beschreibt (Friston, 2010; Friston & Kiebel, 2009): Das Gehirn trifft auf der Grundlage von Vorwissen kontinuierlich Vorhersagen über die Umweltursachen der sensorischen Eingaben, die es erhält. Während eines solchen statistischen intertrial Lernens der Sequenzpaare (Targets und Distraktoren) entsteht eine flexible Priorisierung der räumlichen Positionen durch die Auf- und Abwertung aufgrund früherer Erfahrungen (intertrial history). Jedoch wird der Frage, inwiefern die Volatilität der räumlichen Suche von der Geschwindigkeit des Lernens (d.h. der effektiven Distraktorsuppression) beeinflusst wird, bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In der vorliegenden Studie wurde speziell der Einfluss der Umgebungsvolatilität auf das statistische Lernen von Distraktorpositionen untersucht, um die Aufmerksamkeitserfassung durch auffällige Distraktoren zu minimieren. Ziel dieser Arbeit ist es, unser Verständnis der kognitiven und neuronalen Prozesse zu verbessern, die dem statistischen Lernen von Distraktorpositionen und den inhibitorischen Intertrial-Effekten in der visuellen Aufmerksamkeit zugrunde liegt, und herauszufinden, wie man intertrial Regelmäßigkeiten von Distraktorpositionen nutzen kann, um die Aufmerksamkeitserfassung in volatilen Umgebungen zu reduzieren. Um diese Fragen zu klären, werden klassische Verhaltensexperimente, Eye-Tracking und EEG-Techniken eingesetzt. In Kapitel 2.1 wird zunächst die Position der erlernten Unterdrückung von Distraktoren innerhalb der funktionalen Architektur der (visuellen) aufmerksamen Suche untersucht, welche Interferenzen an häufigen Positionen reduzieren, um das zu erreichen, wurde in dieser Dissertation das zusätzliche Singleton Paradigma (additional singleton paradigm) von Wang und Theeuwes (2018a) verwendet: Die Teilnehmer suchen und reagieren auf ein eindeutiges, formdefiniertes Target (z. B., ein Kreis unter Rauten oder umgekehrt), während sie einen auffälligen, farblich definierten Distraktor ignorieren (z. B. ein rotes oder grünes Singleton, das sich farblich von anderen, nicht ablenkenden Elementen unterscheidet). Wichtig ist, dass der auffällige Distraktor, wenn er in der Suchanzeige vorhanden war, mit hoher Wahrscheinlichkeit an einem "häufigen" Positionen und mit geringer Wahrscheinlichkeit an einem der "seltenen" Positionen auftauchte, was ein statistisches Lernen der räumlichen Distraktorverteilung ermöglichte. Durch die Kombination des EEG-Ansatzes mit dem additional singleton paradigm konnten wir zeigen, dass die Interferenz des Distraktors (schnellere RTs) signifikant geringer war, wenn der Distraktor an einer häufigen anstatt einer seltenen Position auftrat, was zeigt, dass das statistische Lernen der ungleichmäßigen Verteilung der Distraktorpositionen leistungsfähige Vorteile bei der visuellen Selektionsverarbeitung mit sich bringt (Allenmark et al., 2019a; z. B., Goschy et al., 2014; Liesefeld & Müller, 2020; Sauter et al., 2018, 2021; B. Wang & Theeuwes, 2018b). Wenn andererseits ein Distraktor die Aufmerksamkeit auf sich zieht (ob offen oder verdeckt), muss seine Position "reaktiv" unterdrückt werden (z. B., Geng, 2014), damit die Aufmerksamkeit auf die Targetposition neu zugewiesen werden kann. Der Effekt dieser reaktiven Unterdrückung überträgt sich auf den nächsten Versuch, was sich in verlangsamtem RTs für ein Ziel in einem bestimmten Versuch n zeigt, das sich an der Stelle befindet, die im vorherigen Versuch n-1 von einem Distraktor besetzt war (z. B. , Allenmark, Shi, et al., 2021; Geyer et al., 2006; Kumada & Humphreys, 2002; Sauter et al., 2018). Elektrophysiologisch fanden wir eine Unterscheidung zwischen der frühen N1pc/Ppc und der späten SPCN. Bei reinen Target Trials (d.h. nur Targets innerhalb eines Durchlaufs) war die Polarität der frühen lateralisierten Komponente von der Position des Target abhängig, wobei die häufige Position eine Target N1pc-Komponente und die seltene Position eine Target Ppc-Komponente auslöste. Trials mit gemeinsamen Target und Distraktor zeigten ebenfalls das gleiche N1pc/Ppc-Muster. Darüber hinaus war die späte SPCN-Amplitude negativer, wenn die Targetposition mit der vorangehenden Distraktorposition zusammefiel, als wenn dies nicht der Fall war. Ebenso zeigte sich, dass Alpha Oszillationen in Form von antizipatorischen Modulationen keine signifikante Rolle beim statistischen und andauernden (long-term) Lernen zur “Suppression” wahrscheinlicher Distraktorposition spielen, und was somit vorangegangene Studien von van Moorselaar et al. (2020) sowie Noonan et al.(2016) unterstützt. Anschließend untersuchten wir in Kapitel 2.2, ob Beobachter die Lernrate der Distraktorenunterdrückung adaptiv an die Volatilität der Umgebung anpassen können. Dazu verwendeten wir die Markov-Ketten-Funktion (Hamilton, 1990) und das klassische visuelle Suchparadigma (Goschy et al., 2014), um eine Umgebung mit hoher und eine mit niedriger Volatilität zu schaffen, die sich durch die Häufigkeit des Wechsels zwischen Trials (oder Versuchen) mit und ohne Distraktor in der Suchanzeige unterscheidet. Dies führte zu aufeinanderfolgenden Trials mit vorhandenem Distraktor mit unterschiedlich langen Wiederholungen der Distraktorposition (d.h. 0, 1, 2, 3, 4 und öfter). Wir manipulierten die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung desselben Distraktors ("anwesend" oder "abwesend") von einem Trial zum nächsten, mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % in der Sitzung mit hoher und 70 % in der Sitzung mit niedriger Volatilität. Darüber hinaus untersuchten wir die okulomotorische Aktivität (d.h. die Augenbewegungen) und deren suppressiver Anpassung (position detachment) während der visuellen Suchaufgabe, da bekannt ist, dass Aufmerksamkeits- und Okulomotorik miteinander verbunden sind (Deubel & Schneider, 1996; McPeek et al., 1999; B. Wang, Samara, et al., 2019). Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Sitzung mit hoher Volatilität zu langsameren Reaktionszeiten führte als die Sitzung mit niedriger Volatilität. Die aktive Aufmerksamkeitsleistung (attentional capture effect), gemessen an den Kosten für die Reaktionszeit (RT) zwischen Anwesenheit und Abwesenheit eines Distraktors, war jedoch in der Sitzung mit niedriger Volatilität größer, was darauf hindeutet, dass der Distraktor die Suchleistung in einer Umgebung mit niedriger Volatilität stärker beeinflusst als in einer Umgebung mit hoher Volatilität. Darüber hinaus wurde die Störung durch den Distraktor mit zunehmender Anzahl von Wiederholungen an der gleichen Stelle signifikant reduziert, was sich in reduzierten RTs und dem Anteil der ersten Sakkade zum Distraktor zeigte. Daraus können wir schlussfolgern, dass die intertrial Sequenzen von Distraktorwiederholungen die Interferenz in komplexen und volatilen Umgebungen abschwächen können. Schließlich sollte in Kapitel 2.3 untersucht werden, ob (1) auffällige Distraktoren die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und wenn ja, ob ein Effekt der Ablenkungswahrscheinlichkeit nachgewiesen werden konnte. Wir stellten die Hypothese auf, dass, wenn die Teilnehmer in der Lage sind, diese räumlich basierten Regelmäßigkeiten zu extrahieren und zu lernen, Distraktoren an häufigen Positionen weniger Interferenzen (d.h. schnellere RTs) verursachen als Distraktoren an seltenen Orten. Ebenso untersuchten wir (2) wie man die intertrial Regelmäßigkeiten der Distraktorenpositionen nutzen kann, um die Aufmerksamkeitserfassung (attentional capture) in unbeständigen Umgebungen zu reduzieren und vor allem (3), ob unbeständige Umgebungen die Lerngeschwindigkeit der Distraktorenunterdrückung beeinflussen. Gemäß den beiden obigen Fragen beschleunigte eine längere Subsequenz von Wiederholungen der Distraktorposition zunehmend die RTs, da die Interferenz des Distraktors an dieser Position abnahm. Wenn dies der Fall wäre, sollten Distraktoren in der globalen Umgebung mit niedriger Volatilität weniger Interferenzen verursachen als Distraktoren in der globalen Umgebung mit hoher Volatilität. (4) Es sollte untersucht werden, ob die Distraktorsuppression durch die intertrial Bedingungen der Distraktoren realisiert werden kann. Die Hypothese war, dass die Suchleistung besser sein würde, wenn der Distraktor nicht von Trial n-1 zu Trial n wechselt (d.h. 2 x abwesend AA, oder 2 x anwesend PP), da es von Vorteil ist, denselben Zustand über mehrere Versuche hinweg zu wiederholen. Im Gegensatz dazu wurde erwartet, dass die Suchleistung verlangsamt wird, wenn der Distraktor die Bedingungen von Trial n-1 zu Trial n wechselt (d.h. AP, PA), da die Übergangszustände zwischen den Versuchen und der selektiven Targetverarbeitung beeinträchtigen können. Zu diesem Zweck verwendeten wir die Markov-Ketten-Funktion, um eine Umgebung mit hoher und eine mit niedriger Volatilität zu schaffen, die sich durch die Häufigkeit des Wechsels zwischen Trials mit und ohne Distraktor in der Suchanzeige unterschieden. Dies führte zu aufeinanderfolgenden Versuchen mit vorhandenem Distraktor mit unterschiedlich langen Wiederholungen der Distraktorpositionen (d.h. 0, 1, 2, 3, 4 und öfter). Wir manipulierten die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung desselben Distraktorzustands ("anwesend" oder "abwesend") von einem Versuch zum nächsten, mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % in der Sitzung mit hoher und 70 % in der Sitzung mit niedriger Volatilität. Zusätzlich haben wir das Häufigkeitscueing von Distraktorpositionen in das klassische visuelle Suchparadigma (Goschy et al., 2014) implementiert, bei dem die Teilnehmer nach einem Targetobjekt unter mehreren Nicht-Targetobjekten suchen mussten. Infolgedessen war die Fähigkeit des Lernens zur Unterdrückung von Distraktoren (mit einem Kontrast in der Dimension, z.B. rote Farbe) an der wahrscheinlichen Positionen in beiden Sitzungen, mit hoher und niedriger Volatilität, ähnlich, was darauf hindeutet, dass das statistische Lernen der ortsbezogenen Unterdrückung von Distraktoren robust gegenüber Veränderungen der Volatilität ist. Die Sitzung mit hoher Volatilität führte jedoch zu einer größeren Unsicherheit über das Vorhandensein eines bevorstehenden Distraktors, was die Auswahl des Targets generell beeinträchtigte. Interessanterweise verstärkte diese hohe Unsicherheit auch die proaktive Unterdrückung, was sich in einem signifikanten Targetpositionseffekt in der Sitzung mit hoher Volatilität manifestierte. In der Sitzung mit niedriger Volatilität erlaubte die Vorhersagbarkeit der Häufung von Trials ohne Distraktoren den Beobachtern jedoch, die proaktive Unterdrückung schnell aufzugeben, nachdem sie auf den ersten Versuch ohne Distraktoren gestoßen waren, um die Suchleistung zu steigern. Trotz kurzfristiger Schwankungen der Störung durch Distraktoren in beiden Sitzungen wurde die langfristige Unterdrückung von Distraktoren hauptsächlich durch die lokale Wahrscheinlichkeitsverteilung des Auftretens von Distraktoren bestimmt. Wir vermuten, dass die Aufmerksamkeitserfassung nicht nur durch statistische räumliche Regelmäßigkeiten beim Lernen abgeschwächt wird, sondern auch durch dynamische Übergangswahrscheinlichkeiten von Trial zu Trial. Diese Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis des kognitiven Mechanismus bei, der der "Selektionsgeschichte" (intertrial history) zugrunde liegt. Diese Dissertation soll zusammengenommen mit den drei oben genannten Studien unser Verständnis der kognitiven und neuronalen Prozesse verbessern, die dem statistischen Lernen von Distraktorpositionen und den hemmenden intertrial Effekten bei der visuellen Aufmerksamkeit zugrunde liegen. Darüber hinaus soll herausgefunden werden, wie man trialübergreifende Regelmäßigkeiten von Distraktorpositionen nutzen kann, um die Aufmerksamkeitserfassung in volatilen Umgebungen zu reduzieren.