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Die Home Literacy Environment und frühes Vorlesen im Zusammenhang mit sprachlichen und sozioemotionalen Kompetenzen
Die Home Literacy Environment und frühes Vorlesen im Zusammenhang mit sprachlichen und sozioemotionalen Kompetenzen
In der frühen Kindheit stellt die familiäre Lernumwelt die wichtigste Sozialisationsinstanz dar, welche die Kompetenzentwicklung von Kindern in vielen Bereichen langfristig prägt. Während zahlreiche Studien hierbei auf die Bedeutsamkeit des frühen, regelmäßigen Vorlesens und der Home Literacy Environment (HLE) für die Sprachentwicklung von Kindern hinwiesen, so gibt es keine aktuellen Daten zu den Auswirkungen und Zusammnhängen der familiären Lernumwelt für Kinder in den ersten drei Lebensjahren. In einer ersten Studie wurde daher anhand einer repräsentativen Stichprobe (N =523) für 0- bis 3-jährige Kinder in Deutschland das Vorleseverhalten von Familien analysiert und auf Zusammenhänge mit der HLE und dem kindlichen Sprachstand überprüft. Die Ergebnisse zeigten, dass Eltern im Durchschnitt mit dem Vorlesen begannen, wenn ihr Kind 10 Monate alt war (M = 9.90, SD = 6.67). Ein Fünftel der Eltern las ihrem Kind in den ersten drei Lebensjahren nicht vor (21 %, n = 110). Die Daten weisen auf signifikante Unterschiede zwischen vorlesenden und nicht-vorlesenden Eltern hinsichtlich struktureller Familienmerkmale (Bildungs- und Migrationshintergrund), der Häufigkeit weiterer Alltagsaktivitäten mit ihrem Kind sowie auf Unterschiede im Hinblick auf ihre zugrundeliegenden Überzeugungen zum Einfluss der familiären Lernumwelt auf die kindliche Entwicklung hin. Darüber hinaus zeichneten sich bereits in den ersten Lebensjahren signifikante Zusammenhänge zwischen der HLE, der Vorlesehäufigkeit und dem Sprachstand des Kindes ab, jedoch nicht zwischen dem Zeitpunkt des Vorlesebeginns und dem Sprachstand des Kindes. Zur genaueren Untersuchung der frühen Zusammenhänge der HLE wurden in einer zweiten Studie die Korrelate und Auswirkungen der HLE auf sprachliche und sozioemotionale Kompetenzen von Kindern überprüft. Zwar zeigen aktuelle Studien deutliche Auswirkungen der familiären Lernumwelt auf die sprachliche Entwicklung von Kindern, der Zusammenhang der HLE und insbesondere des gemeinsamen Vorlesens mit der sozioemotionalen Kompetenzentwicklung ist dahingegen nicht abschließend geklärt. N = 132 teilnehmende Kinder wurden in einem längsschnittlichen Studiendesign mit drei Messzeitpunkten im Abstand von jeweils 6 Monaten untersucht. Die Kinder waren zum Studienbeginn im Durchschnitt 37 Monate alt (SD = 4.00). Querschnittsanalysen zum ersten Messzeitpunkt zeigten Zusammenhänge von Vorlesebeginn, -häufigkeit und der globalen HLE mit den sozioemotionalen Kompetenzen, vermittelt über die rezeptiven und expressiven Sprachfähigkeiten der Kinder. Dahingegen wurden keine Zusammenhänge zwischen dem interaktiven Vorlesen mit den Sprach- und sozioemotionalen Fähigkeiten gefunden. In einem Strukturgleichungsmodell über alle drei Messzeitpunkte hinweg konnte die HLE die sozioemotionalen Kompetenzen der Kinder über die Sprachfähigkeiten vorhersagen, mit einem standardisierten indirekten Effekt von .28 (p < .05). Aus den Ergebnissen beider Studien lassen sich Hinweise für die Gestaltung frühkindlicher Förderung im Rahmen der familiären Lernumwelt ableiten, welche die Notwendigkeit einer frühen Unterstützung und die gezielte Ansprache förderungsbedürftiger Familien in den Fokus setzen. Die gefundenen Auswirkungen der HLE auf die sprach- und sozioemotionalen Kompetenzen bieten Hinweise auf mögliche Wirkmechanismen in der frühen Kindheit und Implikationen für weitere Forschungsansätze, welche im Rahmen von experimentellen Studiendesigns weiter überprüft werden sollen. Die vorliegende Arbeit gewährt somit neue Einblicke in das komplexe Zusammenspiel von Faktoren der familiären Lernumwelt und wie diese bereits in früher Kindheit die kindliche Kompetenzentwicklung vorhersagen können., In early childhood, a family’s learning environment plays a central role in the socialization of children, with long-term effects on children’s competence development. Many studies have shown strong evidence for the importance of shared reading and the Home Literacy Environment (HLE) for the linguistic development of children. However, current data on consequences and correlates of children’s home learning environment within the first three years is still lacking. With that in mind, the first study investigates parents’ reading habits and their associations with the HLE and children’s language proficiency, based on a representative sample (N = 523) of parents with children aged 0 to 3 years in Germany. The results show an average child age of 10 months (M = 9.90, SD = 6.67) for parents’ onset of shared storybook reading. One in five parents (21 %, n = 110) did not engage in reading to their child within the first three years of its age. Parents who do read to their young child differ significantly from parents who do not in regard to structural family characteristics (educational and migration background), the frequency of further everyday activities they engage in with their child, and their attitudes towards the significance of the home learning environment for children’s development. Further, significant associations between the HLE, the frequency of storybook reading, and a child’s level of language skills were found. No significant associations were found between the age of onset of reading to a child and their respective linguistic skills. For a closer investigation of this association, a second study examined the relationship of the HLE with children’s linguistic and socioemotional competencies. While previous studies have proven that the home learning environment predicts children’s linguistic development, the relationship between the HLE and shared reading habits with children’s socioemotional development has not yet been clarified. N = 132 children took part in a longitudinal study with three measurement points in 6 months increments. At the beginning of the study, children had an average age of M = 37 months (SD = 4.00). Cross-sectional analyses at the first measurement point showed significant associations between families’ shared reading habits (onset and frequency of shared reading), the global HLE and children’s socioemotional competencies, mediated by children’s receptive and expressive language abilities. No significant associations between an interactive reading style and children’s language and socioemotional competencies were found. In a structural equation model across all three measurement points, children’s HLE was a significant predictor of children’s socioemotional competencies via linguistic abilities, with a standardized indirect effect of .28 (p < .05). Findings of both studies provide some guidance for the design of early childhood interventions within a family’s learning environment, focusing on the necessity of an early intervention start and targeting of specific families in need of support. Further, the observed effects of the HLE on language and socioemotional competencies indicate potential effect mechanisms in early childhood, which provide grounds for further research in the form of experimental studies. Thus, the present thesis provides new insights into the complex interplay between different facets of the home learning environment and their consequences on children’s competence development in early childhood.
Home Literacy Environment, HLE, Vorlesen, Vorlesebeginn, Sprachkompetenzen, Sozioemotionale Kompetenzen, frühe Kindheit
Wirth, Astrid
2020
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Wirth, Astrid (2020): Die Home Literacy Environment und frühes Vorlesen im Zusammenhang mit sprachlichen und sozioemotionalen Kompetenzen. Dissertation, LMU München: Fakultät für Psychologie und Pädagogik
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Abstract

In der frühen Kindheit stellt die familiäre Lernumwelt die wichtigste Sozialisationsinstanz dar, welche die Kompetenzentwicklung von Kindern in vielen Bereichen langfristig prägt. Während zahlreiche Studien hierbei auf die Bedeutsamkeit des frühen, regelmäßigen Vorlesens und der Home Literacy Environment (HLE) für die Sprachentwicklung von Kindern hinwiesen, so gibt es keine aktuellen Daten zu den Auswirkungen und Zusammnhängen der familiären Lernumwelt für Kinder in den ersten drei Lebensjahren. In einer ersten Studie wurde daher anhand einer repräsentativen Stichprobe (N =523) für 0- bis 3-jährige Kinder in Deutschland das Vorleseverhalten von Familien analysiert und auf Zusammenhänge mit der HLE und dem kindlichen Sprachstand überprüft. Die Ergebnisse zeigten, dass Eltern im Durchschnitt mit dem Vorlesen begannen, wenn ihr Kind 10 Monate alt war (M = 9.90, SD = 6.67). Ein Fünftel der Eltern las ihrem Kind in den ersten drei Lebensjahren nicht vor (21 %, n = 110). Die Daten weisen auf signifikante Unterschiede zwischen vorlesenden und nicht-vorlesenden Eltern hinsichtlich struktureller Familienmerkmale (Bildungs- und Migrationshintergrund), der Häufigkeit weiterer Alltagsaktivitäten mit ihrem Kind sowie auf Unterschiede im Hinblick auf ihre zugrundeliegenden Überzeugungen zum Einfluss der familiären Lernumwelt auf die kindliche Entwicklung hin. Darüber hinaus zeichneten sich bereits in den ersten Lebensjahren signifikante Zusammenhänge zwischen der HLE, der Vorlesehäufigkeit und dem Sprachstand des Kindes ab, jedoch nicht zwischen dem Zeitpunkt des Vorlesebeginns und dem Sprachstand des Kindes. Zur genaueren Untersuchung der frühen Zusammenhänge der HLE wurden in einer zweiten Studie die Korrelate und Auswirkungen der HLE auf sprachliche und sozioemotionale Kompetenzen von Kindern überprüft. Zwar zeigen aktuelle Studien deutliche Auswirkungen der familiären Lernumwelt auf die sprachliche Entwicklung von Kindern, der Zusammenhang der HLE und insbesondere des gemeinsamen Vorlesens mit der sozioemotionalen Kompetenzentwicklung ist dahingegen nicht abschließend geklärt. N = 132 teilnehmende Kinder wurden in einem längsschnittlichen Studiendesign mit drei Messzeitpunkten im Abstand von jeweils 6 Monaten untersucht. Die Kinder waren zum Studienbeginn im Durchschnitt 37 Monate alt (SD = 4.00). Querschnittsanalysen zum ersten Messzeitpunkt zeigten Zusammenhänge von Vorlesebeginn, -häufigkeit und der globalen HLE mit den sozioemotionalen Kompetenzen, vermittelt über die rezeptiven und expressiven Sprachfähigkeiten der Kinder. Dahingegen wurden keine Zusammenhänge zwischen dem interaktiven Vorlesen mit den Sprach- und sozioemotionalen Fähigkeiten gefunden. In einem Strukturgleichungsmodell über alle drei Messzeitpunkte hinweg konnte die HLE die sozioemotionalen Kompetenzen der Kinder über die Sprachfähigkeiten vorhersagen, mit einem standardisierten indirekten Effekt von .28 (p < .05). Aus den Ergebnissen beider Studien lassen sich Hinweise für die Gestaltung frühkindlicher Förderung im Rahmen der familiären Lernumwelt ableiten, welche die Notwendigkeit einer frühen Unterstützung und die gezielte Ansprache förderungsbedürftiger Familien in den Fokus setzen. Die gefundenen Auswirkungen der HLE auf die sprach- und sozioemotionalen Kompetenzen bieten Hinweise auf mögliche Wirkmechanismen in der frühen Kindheit und Implikationen für weitere Forschungsansätze, welche im Rahmen von experimentellen Studiendesigns weiter überprüft werden sollen. Die vorliegende Arbeit gewährt somit neue Einblicke in das komplexe Zusammenspiel von Faktoren der familiären Lernumwelt und wie diese bereits in früher Kindheit die kindliche Kompetenzentwicklung vorhersagen können.

Abstract

In early childhood, a family’s learning environment plays a central role in the socialization of children, with long-term effects on children’s competence development. Many studies have shown strong evidence for the importance of shared reading and the Home Literacy Environment (HLE) for the linguistic development of children. However, current data on consequences and correlates of children’s home learning environment within the first three years is still lacking. With that in mind, the first study investigates parents’ reading habits and their associations with the HLE and children’s language proficiency, based on a representative sample (N = 523) of parents with children aged 0 to 3 years in Germany. The results show an average child age of 10 months (M = 9.90, SD = 6.67) for parents’ onset of shared storybook reading. One in five parents (21 %, n = 110) did not engage in reading to their child within the first three years of its age. Parents who do read to their young child differ significantly from parents who do not in regard to structural family characteristics (educational and migration background), the frequency of further everyday activities they engage in with their child, and their attitudes towards the significance of the home learning environment for children’s development. Further, significant associations between the HLE, the frequency of storybook reading, and a child’s level of language skills were found. No significant associations were found between the age of onset of reading to a child and their respective linguistic skills. For a closer investigation of this association, a second study examined the relationship of the HLE with children’s linguistic and socioemotional competencies. While previous studies have proven that the home learning environment predicts children’s linguistic development, the relationship between the HLE and shared reading habits with children’s socioemotional development has not yet been clarified. N = 132 children took part in a longitudinal study with three measurement points in 6 months increments. At the beginning of the study, children had an average age of M = 37 months (SD = 4.00). Cross-sectional analyses at the first measurement point showed significant associations between families’ shared reading habits (onset and frequency of shared reading), the global HLE and children’s socioemotional competencies, mediated by children’s receptive and expressive language abilities. No significant associations between an interactive reading style and children’s language and socioemotional competencies were found. In a structural equation model across all three measurement points, children’s HLE was a significant predictor of children’s socioemotional competencies via linguistic abilities, with a standardized indirect effect of .28 (p < .05). Findings of both studies provide some guidance for the design of early childhood interventions within a family’s learning environment, focusing on the necessity of an early intervention start and targeting of specific families in need of support. Further, the observed effects of the HLE on language and socioemotional competencies indicate potential effect mechanisms in early childhood, which provide grounds for further research in the form of experimental studies. Thus, the present thesis provides new insights into the complex interplay between different facets of the home learning environment and their consequences on children’s competence development in early childhood.