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Zur Arbeit der Chirurgischen Tierklinik der Tierärztlichen Fakultät München anhand der Transkription und Auswertung eines handschriftlich geführten Großtier-Patientenbuchs der Jahre 1940-1946
Zur Arbeit der Chirurgischen Tierklinik der Tierärztlichen Fakultät München anhand der Transkription und Auswertung eines handschriftlich geführten Großtier-Patientenbuchs der Jahre 1940-1946
Zusammenfassung: Die derzeit hauptsächlich zur Verfügung stehenden Arbeiten, die sich mit der Veterinärmedizin während des Nationalsozialismus im Dritten Reich in Deutschland beschäftigen, sind bibliographisch geprägt, indem sie wichtige Persönlichkeiten beleuchten. Sie beschreiben auch Lehre und Forschung und im Besonderen die Umstände allgemein an den Universitäten. Die vorliegende Arbeit widmet sich vor allen Dingen der praktischen tierärztlichen Tätigkeit an Großtieren, hauptsächlich Equiden, während des Zweiten Weltkriegs und während der unmittelbaren Zeit nach Kriegsende in der Chirurgischen Tierklinik der Universität zu München. Durch die buchstabengetreue Transkription eines handschriftlich geführten Patientenbuchs mit dem Titel „Chirurgische Tierklinik der Universität München, Stationäres Hauptbuch für Grosstiere Beginn: 8. Aug.1940, No 28/40 Ende: 12. Febr.1945, No 252/45, Chirurgische Tierklinik der Universität München, 6. Buch“ und der Auswertung von ebendiesem soll die damalige klinische Tätigkeit nachlesbar gemacht werden. Die erste Eintragung stammt vom 08. August 1940 und die Letzte vom 13. Juni 1946. Das Buch beinhaltet die jeweilige Patientenanamnese zu insgesamt 495 Patienten (486 Pferde, 6 Maultiere, 3 Eber). Das Patientenbuch repräsentiert die Patientenakten, die von mehreren Eintragenden bearbeitet wurden und jeweils folgende Angaben zum Patienten liefern: Anschrift (des Tierhalters), Kennzeichen des Patienten, Diagnose, Zugang, Abgang, Vorbericht. Darüber hinaus wurde die Behandlung der Tiere im Verlauf ihres Klinikaufenthalts, zumeist stichwortartig, protokolliert. Es finden sich Informationen, die Verwendung der Pferde betreffend, zu überweisenden Tierärzten, zu angewendeten Medikamenten und – wie die Auswertung zeigt – zu insgesamt 274 durchgeführten chirurgischen Eingriffen, bei denen es sich bei rund 44,1 % um Hengstkastrationen handelte. Gleichwohl entsprechen die damaligen meist nur knappen Patientenbucheintragungen nicht heutigen Anforderungen einer tierärztlichen Behandlungsdokumentation, was auch den Umständen und der minimalen Personalausstattung geschuldet sein kann. Es gibt nur wenige skizzenhafte Befunddarstellungen im Patientenbuch. Röntgenaufnahmen, die laut Eintragungen bereits vereinzelt erstellt worden sind, existieren nicht mehr, auch nicht in Form von schriftlichen Befundungen der Aufnahmen. Dennoch kann aus den vorhandenen Daten Folgendes dargestellt werden: von 495 Patienten verendeten 23 Pferde und 15 Pferde wurden zur Schlachtung gegeben, es wurden keine Pferde euthanasiert. Weiterhin gibt es Belege für die Korrespondenz zwischen Klinik und Tierhalter oder tierärztlichen Kollegen, die mit der Vor- bzw. Nachbehandlung der Pferde betraut waren und hierfür sog. „Behandlungsvorschriften“ empfingen. Im Rahmen der Analyse der gesammelten Daten kann außerdem festgestellt werden, dass die Aufenthaltsdauer der Patienten im Durchschnitt 23 Tage betrug, im Minimum einen Tag und im Maximum 180 Tage. Die Behandlungskosten beliefen sich im Jahre 1940 durchschnittlich auf RM 66,41 (Maximum RM 449,20, Minimum RM 2,00), 1941 durchschnittlich auf RM 65,20 (Maximum RM 434,55, Minimum RM 2,50) und 1942 im Durchschnitt auf RM 31,50 (Maximum RM 173,20, Minimum RM 2,50). Für die Jahre 1943/1944 und 1945/1946 liegen hierzu nicht ausreichend Daten vor, so dass keine aussagekräftigen Angaben gemacht werden können. In Anbetracht der Verwundungen der Pferde, etwa durch fistelnde Geschosssplitterwunden, werden die Herausforderungen des praktischen, tierärztlichen Alltags ob des herrschenden oder 1945/1946 des vorangegangenen Krieges ersichtlich. Hierzu zählten nicht nur die Kriegsverwundungen an sich, sondern auch ein Mangel an Arbeitskräften, Futterknappheit und Platzmangel in der Klinik. Abschließend kann festgestellt werden, dass vermutlich nicht zuletzt die nahezu kontinuierliche praktische Tätigkeit an der Chirurgischen Tierklinik der Universität München während des Zweiten Weltkriegs und im Anschluss daran einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben dürfte, dass die im September 1939 geschlossene Tierärztliche Fakultät weiter Bestand hatte und dadurch letztlich nach dem Krieg die Türen für die Lehre wieder geöffnet werden konnten., Summary: Currently, literature about veterinary medicine during the national socialism of the 3rd Reich in Germany is often biographical, directed mainly to specific people. The literature refers to the veterinary education and research, which includes the conditions of the veterinary universities in general. The present work is primarily focused on the aspect of the practice of veterinary medicine, specifically on equidae, at the Chirurgische Tierklinik (Surgical Veterinary Clinic) of the University in Munich during World War II and shortly after the war ended. Thereto, an accurate transcription of a handwritten patient record book has been performed. The original title of the book is „Chirurgische Tierklinik der Universität München, Stationäres Hauptbuch für Grosstiere, Beginn: 8. Aug. 1940, No 28/40, Ende: 12. Febr. 1945, No 252/45, Chirurgische Tierklinik der Universität München, 6. Buch“ (Surgical Veterinary Clinic of the Munich University, stationary main book for large animals, start: August 8, 1940 nr. 28/40, end: February 12, 1945, nr. 252/45, Surgical Veterinary Clinic of the Munich University, 6th book). Thus, the clinical work during that time was made accessible to an interested public. Furthermore, the collected data were analyzed and evaluated. The very first record was made on August 8, 1940, and the last one on June 13, 1946. In total, the book contained records to 495 patients which were of 486 horses, 6 mules, and 3 boars. The entered data in the book were done by different people, providing the patients’ owners, the description of the patient, the diagnosis made, entry and exit date as well as the preliminary report. Additionally, the treatments that the patients received during their stay were recorded and mostly in short notes. Information were gained about the horse patient range of application, about the referring veterinarians and about the medications used. The evaluation showed 274 surgical procedures were initiated and 44.1 % of these procedures were castrations of stallions. Nevertheless, the records within the book do not meet the requirements of present veterinarian documentation. There are only few sketchy depictions of findings. The occasionally made X-ray images do not exist anymore and the documentation on these within the records are rather insufficient. The reasons may be due to lack of personnel or the circumstances in general. However, the data provided was to show the success of the treatments: out of 495 patients in total, 23 horses perished and 15 horses were sent to slaughter – none of the horses were euthanized. Apart from this, there were supporting documents about the correspondences between the clinic and animal owners, correspondences between the clinic and the veterinarians “outside” that were entrusted with the matter of pre-treatment and aftercare of the horses, therefore, they received instructions from the clinic. Based on the analysis of the data, the duration of stay of the patients can be determined: the average stay was 23 days, the maximum stay took 180 days, the minimum stay was 1 day. The average costs of treatment in 1940 were Reichsmark (RM) 66,41 (maximum RM 449,20, minimum RM 2,00), 1941 the average costs of treatment were RM 65,20 (maximum RM 434,55, minimum RM 2,50) and in 1942 RM 31,50 (maximum RM 173,20, minimum RM 2,50). There was no sufficient amount of data for the years 1943, 1944, 1945 and 1946, so the costs of treatment cannot be evaluated for these years. Considering the war wounds of the horses, for instance fistulae caused by bullet splinters, the challenges regarding the daily veterinarian routine during war or the preceding war, can be pointed out. These include not only the war wounds themselves but also the lack of employees and supply shortage on horse feed and space. Conclusively, it has to be stated that not last the nearly continual practice at the Chirurgische Tierklinik (Surgical veterinary clinic) of the Munich University during World War II and the following time, made a major contribution to the Faculty of Veterinary Medicine of the Munich University. This because the work of the veterinarians endured throughout the war and although the Faculty was shut down in September 1939, the gates could have been re-opened for the purpose of education shortly after war.
Patientenbuch, Chirurgie, Pferd, Horse, Munich
Cascolan, Jasmin
2019
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Cascolan, Jasmin (2019): Zur Arbeit der Chirurgischen Tierklinik der Tierärztlichen Fakultät München anhand der Transkription und Auswertung eines handschriftlich geführten Großtier-Patientenbuchs der Jahre 1940-1946. Dissertation, LMU München: Tierärztliche Fakultät
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Abstract

Zusammenfassung: Die derzeit hauptsächlich zur Verfügung stehenden Arbeiten, die sich mit der Veterinärmedizin während des Nationalsozialismus im Dritten Reich in Deutschland beschäftigen, sind bibliographisch geprägt, indem sie wichtige Persönlichkeiten beleuchten. Sie beschreiben auch Lehre und Forschung und im Besonderen die Umstände allgemein an den Universitäten. Die vorliegende Arbeit widmet sich vor allen Dingen der praktischen tierärztlichen Tätigkeit an Großtieren, hauptsächlich Equiden, während des Zweiten Weltkriegs und während der unmittelbaren Zeit nach Kriegsende in der Chirurgischen Tierklinik der Universität zu München. Durch die buchstabengetreue Transkription eines handschriftlich geführten Patientenbuchs mit dem Titel „Chirurgische Tierklinik der Universität München, Stationäres Hauptbuch für Grosstiere Beginn: 8. Aug.1940, No 28/40 Ende: 12. Febr.1945, No 252/45, Chirurgische Tierklinik der Universität München, 6. Buch“ und der Auswertung von ebendiesem soll die damalige klinische Tätigkeit nachlesbar gemacht werden. Die erste Eintragung stammt vom 08. August 1940 und die Letzte vom 13. Juni 1946. Das Buch beinhaltet die jeweilige Patientenanamnese zu insgesamt 495 Patienten (486 Pferde, 6 Maultiere, 3 Eber). Das Patientenbuch repräsentiert die Patientenakten, die von mehreren Eintragenden bearbeitet wurden und jeweils folgende Angaben zum Patienten liefern: Anschrift (des Tierhalters), Kennzeichen des Patienten, Diagnose, Zugang, Abgang, Vorbericht. Darüber hinaus wurde die Behandlung der Tiere im Verlauf ihres Klinikaufenthalts, zumeist stichwortartig, protokolliert. Es finden sich Informationen, die Verwendung der Pferde betreffend, zu überweisenden Tierärzten, zu angewendeten Medikamenten und – wie die Auswertung zeigt – zu insgesamt 274 durchgeführten chirurgischen Eingriffen, bei denen es sich bei rund 44,1 % um Hengstkastrationen handelte. Gleichwohl entsprechen die damaligen meist nur knappen Patientenbucheintragungen nicht heutigen Anforderungen einer tierärztlichen Behandlungsdokumentation, was auch den Umständen und der minimalen Personalausstattung geschuldet sein kann. Es gibt nur wenige skizzenhafte Befunddarstellungen im Patientenbuch. Röntgenaufnahmen, die laut Eintragungen bereits vereinzelt erstellt worden sind, existieren nicht mehr, auch nicht in Form von schriftlichen Befundungen der Aufnahmen. Dennoch kann aus den vorhandenen Daten Folgendes dargestellt werden: von 495 Patienten verendeten 23 Pferde und 15 Pferde wurden zur Schlachtung gegeben, es wurden keine Pferde euthanasiert. Weiterhin gibt es Belege für die Korrespondenz zwischen Klinik und Tierhalter oder tierärztlichen Kollegen, die mit der Vor- bzw. Nachbehandlung der Pferde betraut waren und hierfür sog. „Behandlungsvorschriften“ empfingen. Im Rahmen der Analyse der gesammelten Daten kann außerdem festgestellt werden, dass die Aufenthaltsdauer der Patienten im Durchschnitt 23 Tage betrug, im Minimum einen Tag und im Maximum 180 Tage. Die Behandlungskosten beliefen sich im Jahre 1940 durchschnittlich auf RM 66,41 (Maximum RM 449,20, Minimum RM 2,00), 1941 durchschnittlich auf RM 65,20 (Maximum RM 434,55, Minimum RM 2,50) und 1942 im Durchschnitt auf RM 31,50 (Maximum RM 173,20, Minimum RM 2,50). Für die Jahre 1943/1944 und 1945/1946 liegen hierzu nicht ausreichend Daten vor, so dass keine aussagekräftigen Angaben gemacht werden können. In Anbetracht der Verwundungen der Pferde, etwa durch fistelnde Geschosssplitterwunden, werden die Herausforderungen des praktischen, tierärztlichen Alltags ob des herrschenden oder 1945/1946 des vorangegangenen Krieges ersichtlich. Hierzu zählten nicht nur die Kriegsverwundungen an sich, sondern auch ein Mangel an Arbeitskräften, Futterknappheit und Platzmangel in der Klinik. Abschließend kann festgestellt werden, dass vermutlich nicht zuletzt die nahezu kontinuierliche praktische Tätigkeit an der Chirurgischen Tierklinik der Universität München während des Zweiten Weltkriegs und im Anschluss daran einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben dürfte, dass die im September 1939 geschlossene Tierärztliche Fakultät weiter Bestand hatte und dadurch letztlich nach dem Krieg die Türen für die Lehre wieder geöffnet werden konnten.

Abstract

Summary: Currently, literature about veterinary medicine during the national socialism of the 3rd Reich in Germany is often biographical, directed mainly to specific people. The literature refers to the veterinary education and research, which includes the conditions of the veterinary universities in general. The present work is primarily focused on the aspect of the practice of veterinary medicine, specifically on equidae, at the Chirurgische Tierklinik (Surgical Veterinary Clinic) of the University in Munich during World War II and shortly after the war ended. Thereto, an accurate transcription of a handwritten patient record book has been performed. The original title of the book is „Chirurgische Tierklinik der Universität München, Stationäres Hauptbuch für Grosstiere, Beginn: 8. Aug. 1940, No 28/40, Ende: 12. Febr. 1945, No 252/45, Chirurgische Tierklinik der Universität München, 6. Buch“ (Surgical Veterinary Clinic of the Munich University, stationary main book for large animals, start: August 8, 1940 nr. 28/40, end: February 12, 1945, nr. 252/45, Surgical Veterinary Clinic of the Munich University, 6th book). Thus, the clinical work during that time was made accessible to an interested public. Furthermore, the collected data were analyzed and evaluated. The very first record was made on August 8, 1940, and the last one on June 13, 1946. In total, the book contained records to 495 patients which were of 486 horses, 6 mules, and 3 boars. The entered data in the book were done by different people, providing the patients’ owners, the description of the patient, the diagnosis made, entry and exit date as well as the preliminary report. Additionally, the treatments that the patients received during their stay were recorded and mostly in short notes. Information were gained about the horse patient range of application, about the referring veterinarians and about the medications used. The evaluation showed 274 surgical procedures were initiated and 44.1 % of these procedures were castrations of stallions. Nevertheless, the records within the book do not meet the requirements of present veterinarian documentation. There are only few sketchy depictions of findings. The occasionally made X-ray images do not exist anymore and the documentation on these within the records are rather insufficient. The reasons may be due to lack of personnel or the circumstances in general. However, the data provided was to show the success of the treatments: out of 495 patients in total, 23 horses perished and 15 horses were sent to slaughter – none of the horses were euthanized. Apart from this, there were supporting documents about the correspondences between the clinic and animal owners, correspondences between the clinic and the veterinarians “outside” that were entrusted with the matter of pre-treatment and aftercare of the horses, therefore, they received instructions from the clinic. Based on the analysis of the data, the duration of stay of the patients can be determined: the average stay was 23 days, the maximum stay took 180 days, the minimum stay was 1 day. The average costs of treatment in 1940 were Reichsmark (RM) 66,41 (maximum RM 449,20, minimum RM 2,00), 1941 the average costs of treatment were RM 65,20 (maximum RM 434,55, minimum RM 2,50) and in 1942 RM 31,50 (maximum RM 173,20, minimum RM 2,50). There was no sufficient amount of data for the years 1943, 1944, 1945 and 1946, so the costs of treatment cannot be evaluated for these years. Considering the war wounds of the horses, for instance fistulae caused by bullet splinters, the challenges regarding the daily veterinarian routine during war or the preceding war, can be pointed out. These include not only the war wounds themselves but also the lack of employees and supply shortage on horse feed and space. Conclusively, it has to be stated that not last the nearly continual practice at the Chirurgische Tierklinik (Surgical veterinary clinic) of the Munich University during World War II and the following time, made a major contribution to the Faculty of Veterinary Medicine of the Munich University. This because the work of the veterinarians endured throughout the war and although the Faculty was shut down in September 1939, the gates could have been re-opened for the purpose of education shortly after war.