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Das Gehirn der Europäischen Sardelle (Engraulis encrasicolus): 3D-Anatomie, Histologie und Aspekte der Larvalentwicklung
Das Gehirn der Europäischen Sardelle (Engraulis encrasicolus): 3D-Anatomie, Histologie und Aspekte der Larvalentwicklung
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist es gelungen, eine vollständige und lückenlose Se­midünnschnittserie des Gehirns einer adulten Europäischen Sardelle (Engraulis encrasico­lus Linnaeus, 1758) anzufertigen (Schnittdicke 1,5 µm, 8487 Einzelschnitte). Darauf basie­rend wurde ein digitaler 3D-Bildstapel in lichtmikroskopischer Auflösung erstellt und wesentliche Hirnregionen, sowie Kerne und Nervenbahnen identifiziert, markiert und deren Lage innerhalb des Gehirns beschrieben. Darüber hinaus wurde ein interaktiv manipulier­bares 3D-Oberflächenmodell und ein Gehirnatlas mit 18 ausgewählten Querschnitten an­gefertigt. Ein weiteres adultes Sardellengehirn wurde per µCT aufgenommen und ein vollständiger dreidimensionaler Datensatz bei vergleichsweise geringem Zeitaufwand erstellt. Bei dieser Methode ist die Schnittebene frei wählbar und mehrfach parallel darstellbar, sobald der Stapel erstellt ist. Jedoch lassen sich kleinere Strukturen oft nicht unterscheiden, da Auflö­sung und Kontrast im Gegensatz zur konventioneller Histologie deutlich geringer sind. Die Untersuchungen des Sardellengehirns haben ergeben, dass der Bauplan prinzipiell dem zu erwartenden Grundaufbau des Gehirns bei Fischen entspricht, mit Ausnahme ein­er bislang bei Knochenfischen noch nicht beschriebenen Kommissur, welche die posterio­ren pretektalen Nuklei beider Gehirnhälften miteinander verbindet. Ob diese Kommissur bei der Verarbeitung visueller Informationen speziell in Bezug auf das Polarisationskon­traststehen eine Rolle spielt, kann rein morphologisch nicht belegt werden. Neben dem optischen Tektum gelten spezielle Kerne innerhalb des Diencephalons für die visuellen Datenverarbeitung bei Fischen als relevant: Der parvozelluläre Nukleus des su­perfiziellen Prätektums (Psp), der magnozelluläre Nukleus des superfiziellen Prätektums (Psm), der posteriore prätektale Nukleus (PO) und der Nukleus corticalis (NS). Alle Kerne wurden bei großer lichtmikroskopischer Auflösung aufgenommen und ihr histologischer Aufbau im Detail dokumentiert und beschrieben. Des Weiteren wurden aus bereits vorliegenden Schnittserien junger Sardellenlarven unterschiedlichen Alters (5d, 10d, 20d, 31d, 36d und 45d) 3D-Modelle der Gehirne rekon­struiert, unter Amira® vermessen (Länge, Breite, Höhe und Volumen), gegenübergestellt und anhand ausgewählter histologischer Querschnitte soweit möglich miteinander vergli­chen. Bei der 5 Tage alten Larve lässt sich bereits eine Differenzierung des Gehirns in so­madominierte Bereiche mit dicht gepackten Zellkernen und in Neuropile beobachten. Generell lässt sich feststellen, dass mit steigendem Alter die Anzahl der Zellen, die Größe des Gehirns und Gehirnkomplexität zunimmt. Je älter eine Sardellenlarve, umso ähnlicher erscheint das Gehirn dem einer adulten Sardelle und es lassen sich zunehmend mehr Gehirnsubstrukturen erkennen. Die Untersuchung von Kreuzungsmustern der Sehnerven bei Sardellenlarven erbrachte, dass sowohl der linke oberhalb des rechten und umgekehrt der rechte oberhalb des linken Sehnerven kreuzt. Eine eindeutige bevorzugte Präferenz lässt sich aufgrund der geringen Stichprobenanzahl nicht feststellen. Um die retinalen Projektionen über die Sehnerven ins Gehirn zu verfolgen, wurden die Sehnervenaxone über alignierte Bilderstapel der lückenlosen 3D-Strukturdaten mit histo­logischem Auflösungsniveau verfolgt (bei 5 facher lichtmikroskopischer Auflösung) und die primären und sekundären Projektionsgebiete identifiziert. Hierbei wurden die Sehnerven über das Chiasma, das Diencephalon bis hin in das optischen Tektum, Teil des dorsalen Mesencephalons, verfolgt. Mit Amira® wurde eine 3D-Rekonstruktion des Verlaufs der Sehnerven erstellt, beschrieben und dargestellt. Auf beiden Seiten des Gehirns werden die parvozellulären Nuklei des superfiziellen Prä­tektums (Psp) von den Ganglienzellaxonen umschlossen. Die magnozellulären Nuklei des superfiziellen Prätektums (Psm) und die posterioren prätektalen Nuklei (PO) sind nur ante­rolateral von Axonfasern umgeben. Die contralateralen Sehnervaxone stehen nachweislich mit den Psp's, den Psm's und den PO's in Verbindung. Es grenzen auf beiden Seiten die Nuklei corticales (NS) dorsomedial an. Diese diffusen Gehirnkerne werden allerdings nur von einigen Axonen durchzogen. Nur basierend auf den histologischen Querschnitten kann jedoch keine eindeutige Aussage getroffen werden, ob die Ganglienzellaxone an den Kernen vorbeiziehen oder dort enden. Weitere Rekonstruktionen bei zunehmender Vergrößerung erbrachten weitere Details. Es ließ sich bei 10 facher Vergrößerung sogar eine scheinbar ipsilateral verlaufende Nerven­bahn erkennen. Darüber hinaus ist es möglich bei 60 facher Vergrößerung einzelne Ner­venfasern zu verfolgen. Die manuelle Verfolgung von Nervenbahnen bzw. Fasern ist somit durchaus eine bedingte Alternative zum herkömmlichen Neurotracing mit lipophilen Fluo­reszenzfarbstoffen. Eigene Versuche dazu erbrachten keine durchschlagenden Ergebnis­se.
Gehirnatlas, µCT, Larvenstadien, 3D-Model, Neurotracing
Sieber, Marc
2019
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Sieber, Marc (2019): Das Gehirn der Europäischen Sardelle (Engraulis encrasicolus): 3D-Anatomie, Histologie und Aspekte der Larvalentwicklung. Dissertation, LMU München: Fakultät für Biologie
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Abstract

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist es gelungen, eine vollständige und lückenlose Se­midünnschnittserie des Gehirns einer adulten Europäischen Sardelle (Engraulis encrasico­lus Linnaeus, 1758) anzufertigen (Schnittdicke 1,5 µm, 8487 Einzelschnitte). Darauf basie­rend wurde ein digitaler 3D-Bildstapel in lichtmikroskopischer Auflösung erstellt und wesentliche Hirnregionen, sowie Kerne und Nervenbahnen identifiziert, markiert und deren Lage innerhalb des Gehirns beschrieben. Darüber hinaus wurde ein interaktiv manipulier­bares 3D-Oberflächenmodell und ein Gehirnatlas mit 18 ausgewählten Querschnitten an­gefertigt. Ein weiteres adultes Sardellengehirn wurde per µCT aufgenommen und ein vollständiger dreidimensionaler Datensatz bei vergleichsweise geringem Zeitaufwand erstellt. Bei dieser Methode ist die Schnittebene frei wählbar und mehrfach parallel darstellbar, sobald der Stapel erstellt ist. Jedoch lassen sich kleinere Strukturen oft nicht unterscheiden, da Auflö­sung und Kontrast im Gegensatz zur konventioneller Histologie deutlich geringer sind. Die Untersuchungen des Sardellengehirns haben ergeben, dass der Bauplan prinzipiell dem zu erwartenden Grundaufbau des Gehirns bei Fischen entspricht, mit Ausnahme ein­er bislang bei Knochenfischen noch nicht beschriebenen Kommissur, welche die posterio­ren pretektalen Nuklei beider Gehirnhälften miteinander verbindet. Ob diese Kommissur bei der Verarbeitung visueller Informationen speziell in Bezug auf das Polarisationskon­traststehen eine Rolle spielt, kann rein morphologisch nicht belegt werden. Neben dem optischen Tektum gelten spezielle Kerne innerhalb des Diencephalons für die visuellen Datenverarbeitung bei Fischen als relevant: Der parvozelluläre Nukleus des su­perfiziellen Prätektums (Psp), der magnozelluläre Nukleus des superfiziellen Prätektums (Psm), der posteriore prätektale Nukleus (PO) und der Nukleus corticalis (NS). Alle Kerne wurden bei großer lichtmikroskopischer Auflösung aufgenommen und ihr histologischer Aufbau im Detail dokumentiert und beschrieben. Des Weiteren wurden aus bereits vorliegenden Schnittserien junger Sardellenlarven unterschiedlichen Alters (5d, 10d, 20d, 31d, 36d und 45d) 3D-Modelle der Gehirne rekon­struiert, unter Amira® vermessen (Länge, Breite, Höhe und Volumen), gegenübergestellt und anhand ausgewählter histologischer Querschnitte soweit möglich miteinander vergli­chen. Bei der 5 Tage alten Larve lässt sich bereits eine Differenzierung des Gehirns in so­madominierte Bereiche mit dicht gepackten Zellkernen und in Neuropile beobachten. Generell lässt sich feststellen, dass mit steigendem Alter die Anzahl der Zellen, die Größe des Gehirns und Gehirnkomplexität zunimmt. Je älter eine Sardellenlarve, umso ähnlicher erscheint das Gehirn dem einer adulten Sardelle und es lassen sich zunehmend mehr Gehirnsubstrukturen erkennen. Die Untersuchung von Kreuzungsmustern der Sehnerven bei Sardellenlarven erbrachte, dass sowohl der linke oberhalb des rechten und umgekehrt der rechte oberhalb des linken Sehnerven kreuzt. Eine eindeutige bevorzugte Präferenz lässt sich aufgrund der geringen Stichprobenanzahl nicht feststellen. Um die retinalen Projektionen über die Sehnerven ins Gehirn zu verfolgen, wurden die Sehnervenaxone über alignierte Bilderstapel der lückenlosen 3D-Strukturdaten mit histo­logischem Auflösungsniveau verfolgt (bei 5 facher lichtmikroskopischer Auflösung) und die primären und sekundären Projektionsgebiete identifiziert. Hierbei wurden die Sehnerven über das Chiasma, das Diencephalon bis hin in das optischen Tektum, Teil des dorsalen Mesencephalons, verfolgt. Mit Amira® wurde eine 3D-Rekonstruktion des Verlaufs der Sehnerven erstellt, beschrieben und dargestellt. Auf beiden Seiten des Gehirns werden die parvozellulären Nuklei des superfiziellen Prä­tektums (Psp) von den Ganglienzellaxonen umschlossen. Die magnozellulären Nuklei des superfiziellen Prätektums (Psm) und die posterioren prätektalen Nuklei (PO) sind nur ante­rolateral von Axonfasern umgeben. Die contralateralen Sehnervaxone stehen nachweislich mit den Psp's, den Psm's und den PO's in Verbindung. Es grenzen auf beiden Seiten die Nuklei corticales (NS) dorsomedial an. Diese diffusen Gehirnkerne werden allerdings nur von einigen Axonen durchzogen. Nur basierend auf den histologischen Querschnitten kann jedoch keine eindeutige Aussage getroffen werden, ob die Ganglienzellaxone an den Kernen vorbeiziehen oder dort enden. Weitere Rekonstruktionen bei zunehmender Vergrößerung erbrachten weitere Details. Es ließ sich bei 10 facher Vergrößerung sogar eine scheinbar ipsilateral verlaufende Nerven­bahn erkennen. Darüber hinaus ist es möglich bei 60 facher Vergrößerung einzelne Ner­venfasern zu verfolgen. Die manuelle Verfolgung von Nervenbahnen bzw. Fasern ist somit durchaus eine bedingte Alternative zum herkömmlichen Neurotracing mit lipophilen Fluo­reszenzfarbstoffen. Eigene Versuche dazu erbrachten keine durchschlagenden Ergebnis­se.