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Entwicklung und Validierung eines Fragebogens zur psychischen Gefährdungsbeurteilung
Entwicklung und Validierung eines Fragebogens zur psychischen Gefährdungsbeurteilung
Seit 2013 ist die psychische Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen Teil des Arbeitsschutzgesetzes in Deutschland (§ 5 ArbSchG). Der gesetzlichen Pflicht steht eine Vielzahl an Analyseinstrumenten gegenüber, mit denen eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden kann. Keines der Analyseinstrumente scheint jedoch in angemessener Weise geeignet, der gesetzlichen Pflicht sowie den Anforderungen der DIN EN ISO Norm 10075-3 für einen Fragebogen zur psychischen Gefährdungsbeurteilung gerecht zu werden. Aus diesem Grund wurde im Rahmen der vorliegenden Dissertation an der LMU München mit Unterstützung von Kantar Public und Kantar TNS der Munich Employee Health Questionnaire (MEHQ) entwickelt und validiert. Dieser Fragebogen zur psychischen Gefährdungsbeurteilung verfolgt das übergeordnete Ziel, den Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes sowie den Anforderungen der DIN EN ISO 10075-3 zu genügen. Theoretisch stützt sich der MEHQ auf eine Kombination verschiedener psychologischer Konstrukte und arbeitspsychologischer und systemischer Modelle zur psychischen Belastung am Arbeitsplatz und verfolgt damit einen ganzheitlichen Ansatz. Um diesem Ansatz gerecht zu werden, wurden insgesamt drei Quellen zur Inhaltsgenerierung berücksichtigt: die Checkliste der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie, die wichtige Inhalte eines Fragebogens zur psychischen Gefährdungsbeurteilung definiert, eine selbst durchgeführte Expertenbefragung und die Analyse des Datensatzes des BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012. Die Experten- und Erwerbstätigenbefragung dienten zudem dazu, Hinweise zur Fragebogenkonstruktion abzuleiten. Die Rohfassung des Fragebogens wurde zuerst einem kognitiven Pretest unterzogen und entsprechend der Ergebnisse des Pretests optimiert. Anschließend wurde in zwei quantitativen Studien die finale Struktur des MEHQ explorativ bestimmt und abschließend konfirmatorisch getestet. Der MEHQ wurde als Online-Verfahren konzipiert. Die finale Version des MEHQ enthält 82 Items (Grundlagenmodul), wovon 27 Items komplett neu entwickelt wurden. Die restlichen Items orientieren sich zwar inhaltlich an Items, die bereits in anderen Fragebögen vorhanden sind, wurden jedoch umformuliert, bevor sie in den MEHQ integriert wurden. Zusätzlich wurde ein Führungskräftemodul entwickelt, das aus 11 Items besteht, wovon alle neu formuliert wurden. Mittels explorativen Faktorenanalysen konnten für das Grundlagenmodul insgesamt 12 Faktoren und für das Führungskräftemodul 2 Faktoren identifiziert werden. Bis auf 2 Faktoren waren alle Faktoren replizierbar. Objektivität: Da dem MEHQ eine Online-Erhebungsmethode zu Grunde liegt, können die Ergebnisse nicht von einem Versuchsleiter beeinflusst werden und gelten aus dieser Perspektive als objektiv. Einschränkungen bestehen in der mangelnden Kontrollierbarkeit der Testsituation. Reliabilität: Die Faktoren weisen überwiegend gute interne Konsistenzen auf, die meist über dem von der DIN EN ISO 10075-3 geforderten Kriterium von Cronbachs Alpha ≥ .80 liegen. Validität: Die Faktoren zeigen im Sinne der Konstruktvalidität das erwartete Zusammenhangsmuster. Das von theoretischen Modellen postulierte Belastungsmuster konnte repliziert werden, wohingegen die angenommenen psychologischen Konstrukte nicht vollständig repliziert werden konnten. Die interne Kriteriumsvalidität liegt für die meisten der Faktoren über dem geforderten Kriterium rtc ≥ .40 der DIN EN ISO 10075-3. Die Auswertung der offenen Fragen lässt darauf schließen, dass der MEHQ inhaltsvalide ist, ebenso wie er branchen- und tätigkeitsübergreifend einsetzbar zu sein scheint. Diagnostizität: Die Belastungsprofile, die für verschiedene arbeitsbezogene Subgruppen (beruflicher Status, Betriebsgröße, Branche) erstellt wurden, folgen überwiegend einem hypothesenkonformen Verlauf und sind über die zwei quantitativen Studien hinweg stabil. Ökonomie: Mit einer Bearbeitungszeit von 14 Minuten (Median) kann der MEHQ als ökonomisch gelten, was durch die einfache und unkomplizierte Bearbeitung im Rahmen der Online-Erhebungsmethode unterstützt wird. Kreuzvalidierung: Die konfirmatorische Überprüfung der Messmodelle und des Strukturmodells weisen auf einen akzeptablen Fit hin, sobald zusätzliche Fehlerkovarianzen zugelassen werden. Die möglichen Konsequenzen davon werden diskutiert. Zusammenfassend können die wesentlichen Ziele der Fragebogenentwicklung als erreicht gelten. Was noch aussteht ist die Bewährung des MEHQ in der Praxis sowie eine Validierung des MEHQ an einem echten Kriterium, wie z.B. an der Anzahl tatsächlicher Fehltage. Um die Reichweite des MEHQ zu erhöhen, wäre eine Weiterentwicklung des MEHQ im Hinblick auf andere Erhebungsmodi, wie z.B. CATI, oder eine Übersetzung in andere Sprachen denkbar. Kontakt zur Autorin: bettina.zweck@gmail.com
psychische Gefährdungsbeurteilung, Arbeitsschutzgesetz, psychische Belastung, MEHQ, DIN EN ISO 10075, Mitarbeiterbefragung
Zweck, Bettina Maria
2017
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Zweck, Bettina Maria (2017): Entwicklung und Validierung eines Fragebogens zur psychischen Gefährdungsbeurteilung. Dissertation, LMU München: Fakultät für Psychologie und Pädagogik
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Abstract

Seit 2013 ist die psychische Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen Teil des Arbeitsschutzgesetzes in Deutschland (§ 5 ArbSchG). Der gesetzlichen Pflicht steht eine Vielzahl an Analyseinstrumenten gegenüber, mit denen eine psychische Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden kann. Keines der Analyseinstrumente scheint jedoch in angemessener Weise geeignet, der gesetzlichen Pflicht sowie den Anforderungen der DIN EN ISO Norm 10075-3 für einen Fragebogen zur psychischen Gefährdungsbeurteilung gerecht zu werden. Aus diesem Grund wurde im Rahmen der vorliegenden Dissertation an der LMU München mit Unterstützung von Kantar Public und Kantar TNS der Munich Employee Health Questionnaire (MEHQ) entwickelt und validiert. Dieser Fragebogen zur psychischen Gefährdungsbeurteilung verfolgt das übergeordnete Ziel, den Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes sowie den Anforderungen der DIN EN ISO 10075-3 zu genügen. Theoretisch stützt sich der MEHQ auf eine Kombination verschiedener psychologischer Konstrukte und arbeitspsychologischer und systemischer Modelle zur psychischen Belastung am Arbeitsplatz und verfolgt damit einen ganzheitlichen Ansatz. Um diesem Ansatz gerecht zu werden, wurden insgesamt drei Quellen zur Inhaltsgenerierung berücksichtigt: die Checkliste der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie, die wichtige Inhalte eines Fragebogens zur psychischen Gefährdungsbeurteilung definiert, eine selbst durchgeführte Expertenbefragung und die Analyse des Datensatzes des BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2012. Die Experten- und Erwerbstätigenbefragung dienten zudem dazu, Hinweise zur Fragebogenkonstruktion abzuleiten. Die Rohfassung des Fragebogens wurde zuerst einem kognitiven Pretest unterzogen und entsprechend der Ergebnisse des Pretests optimiert. Anschließend wurde in zwei quantitativen Studien die finale Struktur des MEHQ explorativ bestimmt und abschließend konfirmatorisch getestet. Der MEHQ wurde als Online-Verfahren konzipiert. Die finale Version des MEHQ enthält 82 Items (Grundlagenmodul), wovon 27 Items komplett neu entwickelt wurden. Die restlichen Items orientieren sich zwar inhaltlich an Items, die bereits in anderen Fragebögen vorhanden sind, wurden jedoch umformuliert, bevor sie in den MEHQ integriert wurden. Zusätzlich wurde ein Führungskräftemodul entwickelt, das aus 11 Items besteht, wovon alle neu formuliert wurden. Mittels explorativen Faktorenanalysen konnten für das Grundlagenmodul insgesamt 12 Faktoren und für das Führungskräftemodul 2 Faktoren identifiziert werden. Bis auf 2 Faktoren waren alle Faktoren replizierbar. Objektivität: Da dem MEHQ eine Online-Erhebungsmethode zu Grunde liegt, können die Ergebnisse nicht von einem Versuchsleiter beeinflusst werden und gelten aus dieser Perspektive als objektiv. Einschränkungen bestehen in der mangelnden Kontrollierbarkeit der Testsituation. Reliabilität: Die Faktoren weisen überwiegend gute interne Konsistenzen auf, die meist über dem von der DIN EN ISO 10075-3 geforderten Kriterium von Cronbachs Alpha ≥ .80 liegen. Validität: Die Faktoren zeigen im Sinne der Konstruktvalidität das erwartete Zusammenhangsmuster. Das von theoretischen Modellen postulierte Belastungsmuster konnte repliziert werden, wohingegen die angenommenen psychologischen Konstrukte nicht vollständig repliziert werden konnten. Die interne Kriteriumsvalidität liegt für die meisten der Faktoren über dem geforderten Kriterium rtc ≥ .40 der DIN EN ISO 10075-3. Die Auswertung der offenen Fragen lässt darauf schließen, dass der MEHQ inhaltsvalide ist, ebenso wie er branchen- und tätigkeitsübergreifend einsetzbar zu sein scheint. Diagnostizität: Die Belastungsprofile, die für verschiedene arbeitsbezogene Subgruppen (beruflicher Status, Betriebsgröße, Branche) erstellt wurden, folgen überwiegend einem hypothesenkonformen Verlauf und sind über die zwei quantitativen Studien hinweg stabil. Ökonomie: Mit einer Bearbeitungszeit von 14 Minuten (Median) kann der MEHQ als ökonomisch gelten, was durch die einfache und unkomplizierte Bearbeitung im Rahmen der Online-Erhebungsmethode unterstützt wird. Kreuzvalidierung: Die konfirmatorische Überprüfung der Messmodelle und des Strukturmodells weisen auf einen akzeptablen Fit hin, sobald zusätzliche Fehlerkovarianzen zugelassen werden. Die möglichen Konsequenzen davon werden diskutiert. Zusammenfassend können die wesentlichen Ziele der Fragebogenentwicklung als erreicht gelten. Was noch aussteht ist die Bewährung des MEHQ in der Praxis sowie eine Validierung des MEHQ an einem echten Kriterium, wie z.B. an der Anzahl tatsächlicher Fehltage. Um die Reichweite des MEHQ zu erhöhen, wäre eine Weiterentwicklung des MEHQ im Hinblick auf andere Erhebungsmodi, wie z.B. CATI, oder eine Übersetzung in andere Sprachen denkbar. Kontakt zur Autorin: bettina.zweck@gmail.com