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Die molekulardynamische Simulation strahlender Plasmen
Die molekulardynamische Simulation strahlender Plasmen
Eine weit verbreitete Methode zur numerischen Simulation eines Systems geladener Teilchen ist das Particle-In-Cell (PIC) Verfahren. Das PIC-Verfahren verwendet das Konzept von Quasiteilchen, welche sich gemäß klassischer Bewegungsgleichungen in elektromagnetischen Feldern bewegen. Die Quasiteilchen deponieren gemäß ihren Formfaktoren elektrische Ströme auf einem numerischen Gitter. Die ebenfalls auf dem Gitter definierten Maxwell-Gleichungen werden mit Hilfe eines Maxwell-Solvers, meist dem FTDT-Verfahren, gelöst. Die berechneten elektromagnetischen Felder wirken ihrerseits auf die Quasiteilchen zurück. Die wesentliche Besonderheit des PIC-Verfahrens ist, dass die Formfaktoren der Quasiteilchen auf das Gitter abgestimmt sein müssen. Die endliche Ausdehnung der Quasiteilchen impliziert, dass Streuprozesse bei kleinen Abständen zwischen Letzteren nicht korrekt aufgelöst werden können, da die von den Quasiteilchen erzeugten Felder nah am Zentrum Letzterer gegen Null tendieren und in der Folge sehr hohe Gitterauflösungen erforderlich wären. Auf der anderen Seite sind es gerade die kleinen Abstände, welche meist die wesentlichen Teile der Wechselwirkungsphysik enthalten. Einen Ansatz die Physik bei kleinen Abständen korrekt zu behandeln bietet das MicPIC-Verfahren. Dieses Verfahren entspricht dem PIC- Verfahren, wobei die Wechselwirkung zwischen nahe benachbarten Teilchen um die Coulombwechselwirkung von Punktteilchen ergänzt wird. Für die Stromdeposition werden Formfaktoren für die Teilchen verwendet. Das oben erwähnte Problem – das Verschwinden der Felder von Quasiteilchen nahe deren Zentrum – soll somit durch die Hinzunahme einer elektrostatischen Punktteilchenwechselwirkung bei kleinen Abständen kompensiert werden. Das MicPIC-Verfahren findet Anwendung in der Simulation lasergetriebener Nanoplasmen hoher Dichte. Das in der vorliegenden Arbeit zur Anwendung kommende dynamische Framework basiert im Gegensatz zu MicPIC vollständig auf einer relativistischen Molekulardynamik für Punktteilchen ergänzt um Selbstkräfte. Die im Kontext des PIC-Verfahrens verwendete Stromdeposition auf dem Gitter kann allerdings für Punktteilchen nicht übernommen werden. Dies ist auch nicht notwendig, da die innerhalb des dynamischen Frameworks benötigten Felder analytische Lösungen der Maxwell-Gleichungen für Punktteilchen sind. Bei naiver Betrachtung würde die numerische Komplexität der resultierenden molekulardynamischen Bewegungsgleichungen quadratisch mit der Anzahl der Quasiteilchen skalieren. Durch das Einführen eines hybriden Konzepts aus Nah- und Fernfeldern kann ein Integrationsverfahren entwickelt werden, welches besser als quadratisch in der Teilchenzahl skaliert. Die Teilchen–Teilchen–Wechselwirkung für Teilchen im Nahfeldbereich kann direkt über die analytisch berechneten Potentiale abgebildet werden, während Letztere für weit entfernte Teilchen mit Hilfe numerisch berechneter Felder auf einem Gitter berechnet wird. Das bei der PIC-Methode verwendete Stromdepositionsverfahren wird in der vorliegenden Arbeit durch geeignete Randwerte für elektromagnetische Felder auf dem Maxwell-Gitter an der Grenze des Nahfeldbereichs ersetzt, welche anschließend mit Hilfe eines Maxwell-Solvers in den Fernfeldbereich propagiert werden. Das vorgestellte numerische Konzept ist parallelisierbar, so dass Simulationen mit vielen Teilchen auf einem verteilten Großrechner durchgeführt werden können. Somit steht zumindest für die Simulation von Nanoplasmen eine numerische Alternative zur PIC-Methode zur Verfügung, welche wesentliche Verbesserungen bei der Behandlung der Physik bei kleinen Abständen, der Strahlungsdämpfung und der gitterunabhängigen Darstellung elektromagnetischer Felder bietet. Das in dieser Arbeit entwickelte Konzept ist jedoch nicht auf die Lösung des Vlasov-Maxwell-Systems beschränkt, sondern kann in Zukunft auf viele weitere wechselwirkende Vielteilchensysteme angewendet werden. Wie leicht einzusehen ist, können alle Vielteilchensysteme, bei denen Wechselwirkungen durch Felder beschrieben werden, in Nah- und Fernfeldbereiche unterteilt werden, wobei die Wechselwirkungen in den Nahfeldbereichen direkt über analytische Funktionen und in den Fernfeldbereichen auf einem numerischen Gitter berechnet werden. Es ist zu erwarten, dass mit der in dieser Arbeit vorgestellten Methode weitere langreichweitige Vielteilchensysteme mit hoher Präzision bei kleinen Abständen und guter Skalierung mit der Teilchenzahl simuliert werden können.
Not available
Herzing, Christian
2017
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Herzing, Christian (2017): Die molekulardynamische Simulation strahlender Plasmen. Dissertation, LMU München: Fakultät für Physik
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Abstract

Eine weit verbreitete Methode zur numerischen Simulation eines Systems geladener Teilchen ist das Particle-In-Cell (PIC) Verfahren. Das PIC-Verfahren verwendet das Konzept von Quasiteilchen, welche sich gemäß klassischer Bewegungsgleichungen in elektromagnetischen Feldern bewegen. Die Quasiteilchen deponieren gemäß ihren Formfaktoren elektrische Ströme auf einem numerischen Gitter. Die ebenfalls auf dem Gitter definierten Maxwell-Gleichungen werden mit Hilfe eines Maxwell-Solvers, meist dem FTDT-Verfahren, gelöst. Die berechneten elektromagnetischen Felder wirken ihrerseits auf die Quasiteilchen zurück. Die wesentliche Besonderheit des PIC-Verfahrens ist, dass die Formfaktoren der Quasiteilchen auf das Gitter abgestimmt sein müssen. Die endliche Ausdehnung der Quasiteilchen impliziert, dass Streuprozesse bei kleinen Abständen zwischen Letzteren nicht korrekt aufgelöst werden können, da die von den Quasiteilchen erzeugten Felder nah am Zentrum Letzterer gegen Null tendieren und in der Folge sehr hohe Gitterauflösungen erforderlich wären. Auf der anderen Seite sind es gerade die kleinen Abstände, welche meist die wesentlichen Teile der Wechselwirkungsphysik enthalten. Einen Ansatz die Physik bei kleinen Abständen korrekt zu behandeln bietet das MicPIC-Verfahren. Dieses Verfahren entspricht dem PIC- Verfahren, wobei die Wechselwirkung zwischen nahe benachbarten Teilchen um die Coulombwechselwirkung von Punktteilchen ergänzt wird. Für die Stromdeposition werden Formfaktoren für die Teilchen verwendet. Das oben erwähnte Problem – das Verschwinden der Felder von Quasiteilchen nahe deren Zentrum – soll somit durch die Hinzunahme einer elektrostatischen Punktteilchenwechselwirkung bei kleinen Abständen kompensiert werden. Das MicPIC-Verfahren findet Anwendung in der Simulation lasergetriebener Nanoplasmen hoher Dichte. Das in der vorliegenden Arbeit zur Anwendung kommende dynamische Framework basiert im Gegensatz zu MicPIC vollständig auf einer relativistischen Molekulardynamik für Punktteilchen ergänzt um Selbstkräfte. Die im Kontext des PIC-Verfahrens verwendete Stromdeposition auf dem Gitter kann allerdings für Punktteilchen nicht übernommen werden. Dies ist auch nicht notwendig, da die innerhalb des dynamischen Frameworks benötigten Felder analytische Lösungen der Maxwell-Gleichungen für Punktteilchen sind. Bei naiver Betrachtung würde die numerische Komplexität der resultierenden molekulardynamischen Bewegungsgleichungen quadratisch mit der Anzahl der Quasiteilchen skalieren. Durch das Einführen eines hybriden Konzepts aus Nah- und Fernfeldern kann ein Integrationsverfahren entwickelt werden, welches besser als quadratisch in der Teilchenzahl skaliert. Die Teilchen–Teilchen–Wechselwirkung für Teilchen im Nahfeldbereich kann direkt über die analytisch berechneten Potentiale abgebildet werden, während Letztere für weit entfernte Teilchen mit Hilfe numerisch berechneter Felder auf einem Gitter berechnet wird. Das bei der PIC-Methode verwendete Stromdepositionsverfahren wird in der vorliegenden Arbeit durch geeignete Randwerte für elektromagnetische Felder auf dem Maxwell-Gitter an der Grenze des Nahfeldbereichs ersetzt, welche anschließend mit Hilfe eines Maxwell-Solvers in den Fernfeldbereich propagiert werden. Das vorgestellte numerische Konzept ist parallelisierbar, so dass Simulationen mit vielen Teilchen auf einem verteilten Großrechner durchgeführt werden können. Somit steht zumindest für die Simulation von Nanoplasmen eine numerische Alternative zur PIC-Methode zur Verfügung, welche wesentliche Verbesserungen bei der Behandlung der Physik bei kleinen Abständen, der Strahlungsdämpfung und der gitterunabhängigen Darstellung elektromagnetischer Felder bietet. Das in dieser Arbeit entwickelte Konzept ist jedoch nicht auf die Lösung des Vlasov-Maxwell-Systems beschränkt, sondern kann in Zukunft auf viele weitere wechselwirkende Vielteilchensysteme angewendet werden. Wie leicht einzusehen ist, können alle Vielteilchensysteme, bei denen Wechselwirkungen durch Felder beschrieben werden, in Nah- und Fernfeldbereiche unterteilt werden, wobei die Wechselwirkungen in den Nahfeldbereichen direkt über analytische Funktionen und in den Fernfeldbereichen auf einem numerischen Gitter berechnet werden. Es ist zu erwarten, dass mit der in dieser Arbeit vorgestellten Methode weitere langreichweitige Vielteilchensysteme mit hoher Präzision bei kleinen Abständen und guter Skalierung mit der Teilchenzahl simuliert werden können.