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Zusammenhänge zwischen synchroner Variation und diachronem Lautwandel im Sibilantsystem des Polnischen
Zusammenhänge zwischen synchroner Variation und diachronem Lautwandel im Sibilantsystem des Polnischen
In dieser Dissertation wurden die Sibilanten /s ʂ ɕ/ des Standard-Polnischen untersucht. Genauer gesagt standen im Fokus dieser Arbeit mögliche Zusammenhänge zwischen synchroner Variation und der potentiellen diachronen Instabilität dieses Kontrasts. Für einige regionale Varietäten des Polnischen, sowie auch für die drei, den polnischen Lauten ähnlichen, Sibilanten des Mandarin-Chinesischen, wurde eine Neutralisierung des Dreier-Kontrasts hin zu einem Zweier-Kontrast beschrieben. Dabei wird für beide Sprachen davon ausgegangen, dass der Kontrast zwischen dem retroflexen Frikativ /ʂ/ und dem dentalen Laut /s/ von der Neutralisierung betroffen ist, sodass neben dem alveolopalatalen Frikativ /ɕ/ nur der dentale Laut bestehen bleibt. Während für die Kontrastneutralisierung im Mandarin-Chinesischen Studien zeigten, dass interne und extralinguistische Faktoren den Grad der Neutralisierung der Sibilanten /s ʂ/ beeinflussen, ist für das polnische Sibilantsystem bisher nicht bekannt, welche Wirkung interne und externe Faktoren, auf die Stabilität des Standard-Polnischen Dreier-Kontrasts haben. Diese Arbeit war ein erster Versuch den Einfluss verschiedener interner und externer Faktoren auf die Stabilität der drei Sibilanten in der Produktion und Perzeption der Standardsprache des Polnischen zu testen, um mögliche Erklärungen für eine größere Wahrscheinlichkeit eines /s ʂ/ Zusammenfalls zum Vorteil des dentalen Sibilanten zu liefern. In einer physiologischen Studie wurde die relative synchrone Stabilität der Sibilanten, produziert von L1-Polnisch sprechenden Erwachsenen, getestet. Hierfür wurden akustische und Zungenbewegungsdaten von Sibilantproduktionen in Logatomen und in polnischen Echt-Wörtern in zwei verschiedenen Sprechgeschwindigkeiten erhoben. Die Analyse der artikulatorischen Daten brachte eine nahezu komplette Separierung der drei Sibilanten hervor. Jedoch zeigte die Analyse der akustischen Daten keine so deutliche Trennung der untersuchten Laute auf. Während die Informationen im Friktionsgeräusch der Sibilanten den dentalen Laut /s/ durch seinen hohen Frequenzschwerpunkt von den beiden anderen Frikativen trennt, werden für /ʂ ɕ/ Ähnlichkeiten im Friktionsanteil der Sibilanten gefunden. Zu Beginn des nachfolgenden Vokals finden sich Informationen, welche den alveolopalatalen Laut klar von den Sibilanten /s ʂ/ trennen, wobei letztere in ihren F2-Transitionswerten stark miteinander überlappen. Für die Kategorisierung des dentalen und des alveolopalatalen Sibilanten reicht damit jeweils ein Parameter – Friktionsgeräusch für /s/ und F2-Wert für /ɕ/ – aus, während für den retroflexen Sibilanten die Merkmale im Sibilanten selbst, wie auch die Information im Onset des nachfolgenden Vokals zur Kategorisierung benötigt werden. In einem Perzeptionsexperiment wurde der Einfluss des prosodischen Kontexts auf die Kategorisierung eines Kontinuums zwischen dem scheinbar instabilen /s ʂ/-Kontrast und einem Kontinuum zwischen dem vermutlich stabilen /s ɕ/-Kontrast getestet. Die Hypothese hierzu lautete, dass eine weniger kategoriale Perzeption des scheinbar instabilen /s ʂ/-Kontrasts in deakzentuierter Position, im Vergleich zum stabilen /s ʂ/-Kontrast, gefunden werden kann. Die Auswertung der Daten deutete, sowohl einen Effekt des prosodischen Kontexts als auch einen Einfluss des Geschlechts der Hörer auf die Wahrnehmung der Kontinua an. Eine Untersuchung der Produktion der Sibilanten von kindlichen und erwachsenen L1-Polnisch sprechenden Versuchspersonen brachte Hinweise dafür hervor, dass die F2 und F3-Werte der Sibilanten bei den kindlichen und den männlichen erwachsenen Sprechern nicht zur Kategorisierung des /s ʂ/-Kontrasts beitragen. Genauer gesagt konnte für diese beiden Sprechergruppen keine Unterscheidung in den besagten Merkmalen gefunden werden. Dem gegenüber stehen die weiblichen Probanden, welche alle drei sibilantischen Kategorien in den spektralen Merkmalen des Friktionsgeräusches, den F2 und in den F3-Werten zu Beginn des nachfolgenden Vokals voneinander trennten. Diese Dissertation liefert in allen experimentellen Kapiteln Hinweise auf eine Instabilität des retroflexen Sibilanten und Erklärungsansätze für die größere Wahrscheinlichkeit einer Neutralisierung des /s ɕ/-Kontrasts.
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Bukmaier, Véronique
2017
Deutsch
Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München
Bukmaier, Véronique (2017): Zusammenhänge zwischen synchroner Variation und diachronem Lautwandel im Sibilantsystem des Polnischen. Dissertation, LMU München: Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften
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Abstract

In dieser Dissertation wurden die Sibilanten /s ʂ ɕ/ des Standard-Polnischen untersucht. Genauer gesagt standen im Fokus dieser Arbeit mögliche Zusammenhänge zwischen synchroner Variation und der potentiellen diachronen Instabilität dieses Kontrasts. Für einige regionale Varietäten des Polnischen, sowie auch für die drei, den polnischen Lauten ähnlichen, Sibilanten des Mandarin-Chinesischen, wurde eine Neutralisierung des Dreier-Kontrasts hin zu einem Zweier-Kontrast beschrieben. Dabei wird für beide Sprachen davon ausgegangen, dass der Kontrast zwischen dem retroflexen Frikativ /ʂ/ und dem dentalen Laut /s/ von der Neutralisierung betroffen ist, sodass neben dem alveolopalatalen Frikativ /ɕ/ nur der dentale Laut bestehen bleibt. Während für die Kontrastneutralisierung im Mandarin-Chinesischen Studien zeigten, dass interne und extralinguistische Faktoren den Grad der Neutralisierung der Sibilanten /s ʂ/ beeinflussen, ist für das polnische Sibilantsystem bisher nicht bekannt, welche Wirkung interne und externe Faktoren, auf die Stabilität des Standard-Polnischen Dreier-Kontrasts haben. Diese Arbeit war ein erster Versuch den Einfluss verschiedener interner und externer Faktoren auf die Stabilität der drei Sibilanten in der Produktion und Perzeption der Standardsprache des Polnischen zu testen, um mögliche Erklärungen für eine größere Wahrscheinlichkeit eines /s ʂ/ Zusammenfalls zum Vorteil des dentalen Sibilanten zu liefern. In einer physiologischen Studie wurde die relative synchrone Stabilität der Sibilanten, produziert von L1-Polnisch sprechenden Erwachsenen, getestet. Hierfür wurden akustische und Zungenbewegungsdaten von Sibilantproduktionen in Logatomen und in polnischen Echt-Wörtern in zwei verschiedenen Sprechgeschwindigkeiten erhoben. Die Analyse der artikulatorischen Daten brachte eine nahezu komplette Separierung der drei Sibilanten hervor. Jedoch zeigte die Analyse der akustischen Daten keine so deutliche Trennung der untersuchten Laute auf. Während die Informationen im Friktionsgeräusch der Sibilanten den dentalen Laut /s/ durch seinen hohen Frequenzschwerpunkt von den beiden anderen Frikativen trennt, werden für /ʂ ɕ/ Ähnlichkeiten im Friktionsanteil der Sibilanten gefunden. Zu Beginn des nachfolgenden Vokals finden sich Informationen, welche den alveolopalatalen Laut klar von den Sibilanten /s ʂ/ trennen, wobei letztere in ihren F2-Transitionswerten stark miteinander überlappen. Für die Kategorisierung des dentalen und des alveolopalatalen Sibilanten reicht damit jeweils ein Parameter – Friktionsgeräusch für /s/ und F2-Wert für /ɕ/ – aus, während für den retroflexen Sibilanten die Merkmale im Sibilanten selbst, wie auch die Information im Onset des nachfolgenden Vokals zur Kategorisierung benötigt werden. In einem Perzeptionsexperiment wurde der Einfluss des prosodischen Kontexts auf die Kategorisierung eines Kontinuums zwischen dem scheinbar instabilen /s ʂ/-Kontrast und einem Kontinuum zwischen dem vermutlich stabilen /s ɕ/-Kontrast getestet. Die Hypothese hierzu lautete, dass eine weniger kategoriale Perzeption des scheinbar instabilen /s ʂ/-Kontrasts in deakzentuierter Position, im Vergleich zum stabilen /s ʂ/-Kontrast, gefunden werden kann. Die Auswertung der Daten deutete, sowohl einen Effekt des prosodischen Kontexts als auch einen Einfluss des Geschlechts der Hörer auf die Wahrnehmung der Kontinua an. Eine Untersuchung der Produktion der Sibilanten von kindlichen und erwachsenen L1-Polnisch sprechenden Versuchspersonen brachte Hinweise dafür hervor, dass die F2 und F3-Werte der Sibilanten bei den kindlichen und den männlichen erwachsenen Sprechern nicht zur Kategorisierung des /s ʂ/-Kontrasts beitragen. Genauer gesagt konnte für diese beiden Sprechergruppen keine Unterscheidung in den besagten Merkmalen gefunden werden. Dem gegenüber stehen die weiblichen Probanden, welche alle drei sibilantischen Kategorien in den spektralen Merkmalen des Friktionsgeräusches, den F2 und in den F3-Werten zu Beginn des nachfolgenden Vokals voneinander trennten. Diese Dissertation liefert in allen experimentellen Kapiteln Hinweise auf eine Instabilität des retroflexen Sibilanten und Erklärungsansätze für die größere Wahrscheinlichkeit einer Neutralisierung des /s ɕ/-Kontrasts.